Weihnachten ist bei Kommandant Jürgen Widmann besinnlich. Stress gibt es erst an Silvester.

Weil der Stadt - Applaus gibt es im Weil der Städter Gemeinderat nie – normalerweise. Als der Bürgermeister in der letzten Sitzung vor Weihnachten allerdings auf die Feuerwehr zu sprechen kommt, ist das anders. Sämtliche Räte, das Verwaltungspersonal und das halbe Duzend Zuschauer klatschen in die Hände. Acht Einsätze in acht Tagen hatte die Weiler Feuerwehr, davon vier jeweils zwischen 2 und 3 Uhr. In der Nacht zum 17. Dezember der Großbrand in Schafhausen.

 

„Das brauchen wir nicht jede Woche“, sagt Thilo Schreiber, und niemand versteht ihn besser als Jürgen Widmann, der Kommandant, der als Gemeinderat die Anerkennung stellvertretend entgegen nimmt. „Ja, am Montagabend bin ich buchstäblich ins Bett gefallen“, berichtet er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Seit 35 Jahren im Dienste der Feuerwehr

Advent und Weihnachten, Zeit mit der Familie, eine besinnliche Zeit. Klar, das gilt auch für die 192 Aktiven der Weiler Feuerwehr. Und dennoch sind sie natürlich auch an allen Feiertagen ständig abrufbereit. „Im Hinterkopf hat man natürlich immer, dass jederzeit ein Einsatz kommen kann“, berichtet Jürgen Widmann, seit 35 Jahren Feuerwehrmann und seit 13 Jahren der Kommandant der Weil der Städter Feuerwehr.

An Weihnachten selbst sind die Einsatzzahlen nicht höher als an anderen Tagen. Der Stress kommt dann erst eine Woche später. „Hast du an diesem Silvester frei?“ – Widmann muss schmunzeln, wenn er diese Frage von Bekannten oder Freunden hört. „Ich hab an Silvester noch nie mehr als ein Gläsle Sekt getrunken“, sagt er dann. Denn in Bereitschaft ist er immer. In den vergangenen Jahren habe es nur ein Silvester ohne Einsatz gegeben. Meist sind es gleich mehrere, oftmals die Klassiker: Raketen fliegen in Häuser oder trockene Hecken.

„Gleichzeitig ist die Silvesternacht natürlich immer etwas heikel“, berichtet der Kommandant. „Wir bitten die Kameraden, nur mitzufahren, wenn sie nichts getrunken haben.“ Denn das ist dann eine Gefahr für alle Beteiligten. Probleme hat es deshalb noch nie gegeben, es waren immer genügend Einsatzkräfte verfügbar. Dass die Feuerwehr nicht nur Arbeit, sondern auch Gemeinschaft bedeutet, zeigt sich auch an diesem Tag. Viele Feuerwehrleute sind ohnehin befreundet, feiern zusammen – und fahren dann beim Einsatz gleich gemeinsam zum Gerätehaus.

Feuerwehr wird wegen jeder Kleinigkeit gerufen

Ein arbeitsreiches Jahr wird dann zu Ende gehen. 156 Einsätze hat es 2018 bis jetzt gegeben. 2017 waren es gar 170 Fälle in Weil der Stadt. Der langjährige Durchschnitt liegt bei nur 100 Einsätzen. „Die Leute werden unselbstständiger und rufen uns wegen jeder Kleinigkeit“, stellt Jürgen Widmann zunehmend fest. Als Beispiel nennt er einen Ast auf der Straße zwischen Weil der Stadt und Möttlingen. „Das hätte ein Autofahrer locker selbst wegräumen können“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Aber man ruft lieber die Feuerwehr – und dann rücken deswegen 20 Mann aus.“

Etwa ein Drittel der Einsätze, so schätzt er, könne man auch ohne die Feuerwehr lösen. „Da ist bei uns die Stimmung dann auch schlecht, das löst Frust aus“, berichtet der Kommandant. Beispiele aus der jüngsten Zeit: Unter den acht Einsätzen waren allein drei in Flüchtlingsunterkünften. Mutwillig hätten die Bewohner zum Beispiel die Brandmeldeanlage beschädigt.

Feuerwehrleute sind auch Privatmenschen

„Wir werden das nacharbeiten“, kündigt der Bürgermeister Thilo Schreiber an, „das haben wir zugesichert.“ Denn auch er weiß: Überstrapazieren darf man das Engagement der Freiwilligen nicht. Die Kameraden sind nicht nur Feuerwehrleute, sondern auch Privatmenschen und Arbeitnehmer. Oder selbstständiger Elektroinstallateur, wie der Schafhausener Jürgen Widmann: „Die Arbeit geht natürlich weiter, auch wenn wir in der Nacht einen Einsatz hatten.“ Arbeitnehmer werden zwar freigestellt, wenn sie nachts Leben gerettet haben.

Aber auch da nimmt das Verständnis irgendwann einmal bei den Chefs ab, stellt der Kommandant fest. „Klar, wenn jemand fast jede Woche einmal ausfällt, bleibt die Arbeit liegen“, sagt er. Und schließlich die Familie. „Meine Frau wacht natürlich auch auf, wenn ich nachts zum Einsatz gerufen werde“, berichtet der Kommandant. Sie sei das gewöhnt, sagt er und schmunzelt. Und dennoch: „Bei vier Nächten hintereinander kommt auch da der Frust.“

Feuerwehrmann mit Leib und Seele

Feuerwehrmann ist Jürgen Widmann dennoch mit Leib und Seele. „Menschen aus Notlagen zu helfen, das begeistert mich immer noch“, sagt er. Und dann ist da noch die Gemeinschaft, gerade in Weil der Stadt, mit 192 Aktiven immerhin die drittgrößte Feuerwehr im Landkreis und im Durchschnitt sehr jung.

Dabei kann jeder der Feuerwehr die Arbeit ein bisschen erleichtern, zum Beispiel an Silvester. „Die Altstadt von Weil der Stadt ist für Böller nicht geeignet“, sagt Widmann. Auch Industriegebiete sind tabu, weil dann die Firmen gefährdet sind. „Man sollte nur solche Raketen verwenden, die zugelassen sind und ein Tüv-Sigel haben.“ Von selbst Gebasteltem oder Billigware sollte man die Finger lassen.

Wenn es dann trotzdem brennt, ist die Feuerwehr zur Stelle, auch wenn nicht alle Bürger das Engagement kennen. Das mache doch die Berufsfeuerwehr aus Stuttgart, habe er schon von Bürgern gehört. Nein, sagt Jürgen Widmann dann, die große Feuerwehr Weil der Stadt besteht nur aus Ehrenamtlichen – die auch an Weihnachten und Silvester bereit stehen.