Rund 7000 Menschen kommen zum Festival vor der Stadthalle. Superstars wie Nena oder Bob Geldof bringen internationales Flair. Doch der familiäre Charakter soll bleiben.

Am Montag hat Nils Strassburg ausgeschlafen. Das erste mal seit zwei Wochen. Denn wieder ist es am Vorabend spät geworden, wie schon in den vergangenen Nächten. Am Sonntag hatte Carolin Niemczyk Geburtstag. Die Sängerin von Glasperlenspiel feierte gleich zweimal. Einmal mit ihrem Publikum und später hinter der Bühne.

 

Der partyhafte Auftritt des Elektropop-Duos aus Stockach ist ein passender Schlusspunkt eines bemerkenswerten Festivals: Es wird getanzt und gesungen, konfettiähnliche Papierstreifen wirbeln durch die Luft. Die Fans sind nicht erst aus dem Häuschen, als ganz am Schluss der große Hit „Geiles Leben“ kommt.

„Genauso sollte es sein“, sagt Nils Straßburg tags darauf. „Eine große Party, das hat Leonpalooza wirklich verdient.“ Es ist nicht übertrieben, das Festival als sein Kind zu bezeichnen. Schon vor zweieinhalb Jahren, er hatte gerade als städtischer Veranstaltungsmanager angefangen, war ein besonderes Festival sein großer Plan. Doch dann kam Corona und damit das abrupte Ende des Kulturlebens.

Strassburg, selbst Musiker und anerkannter Elvis-Interpret, ließ sich nicht unterkriegen und konzipierte ein Kulturtreffen unter freiem Himmel im Wohnzimmer-Format. Das Publikum saß auf Zweier-Palettensofas. Die Abstände waren gegeben, die Stimmung war mehr als gut. Die Leute mochten es, bei Häppchen und Drinks Fools Garden, Lars Reichow oder eben Glasperlenspiel zu genießen. Das Duo vom Bodensee war schon bei der Leonpalooza-Premiere dabei.

Aus dem Wohnzimmer wird ein Saal

Im vergangenen Jahr war pandemiebedingt nach wie vor der Wohnzimmercharakter mit limitierten Zuschauerzahlen angesagt. Erst in diesem Jahr wurde aus der guten Stube ein größerer Saal. Die Sofas sind klassischen Stuhlreihen gewichen. Bei Krachern wie Nena oder am Sonntag Glasperlenspiel blieb der Platz komplett frei.

„Der familiäre Charakter ist aber erhalten geblieben“, sagt Festivalmacher Strassburg, „Denn wo sonst kann man seine Stars schon so nah erleben?“ Da ist was dran. Bei Nena ging die Nähe so weit, dass die Sängerin von der Bühne sprang und mit ihren begeisterten Anhängern eine Polonaise machte.

Nena ohne Zickereien

Überhaupt, Nena: Was war im Vorfeld nicht alles gesagt und geschrieben worden, vor allem über ihr Nein zu Corona-Schutzmaßnahmen, aber auch über ihr exzentrisches Stargehabe? Nils Strassburg kann das nicht bestätigen, zumindest nicht für ihren Leonberger Auftritt: „Normalerweise kommt sie nachmittags zum Soundcheck, hat dann irgendwas an der Technik zu bemängeln und verschwindet wieder bis zum Konzert.“

Diesmal, so sagt der erfahrene Kulturmanager, sei sie die ganze Zeit dageblieben. Vor der Show brachte Dominik Sacher Essen aus seinem veganen Restaurant. Nachher machte die Frontfrau mit ihren Leuten und den Leonberger Gastgebern noch eine Riesenparty. Und während des Auftritts war die Atmosphäre zwischen Publikum und Künstlerin blendend und gelöst. Zickereien? Zumindest bei Leonpalooza nicht.

Mit dem Privatjet nach Leonberg

Gefeiert von den Fans wurden auch Bob Geldof und Paul Carrack. Die gesetzten Herren von der Insel wurden beide Opfer des Flugchaos. Während aber Superstar Geldof auf den letzten Drücker angekommen war, blieb Carrack erst einmal in Heathrow hängen. Nils Strassburg war die ganze Nacht am Telefon, um zu klären, wie das Carrack-Konzert noch stattfinden kann. Unmittelbar vor der Show landete der frühere Sänger von Mike an the Mechanics mit einem Privatjet.

Als wäre das nicht genug, fing es am Abend an zu schütten. Der Auftritt musste vom Vorplatz in die Halle verlegt werden. „Du denkst, jetzt ist es vorbei. Aber dann klappt es doch“, berichtet der Leonpalooza-Chef von der emotionalen Achterbahn. „Eine tolle Leistung von unserem Team.“

Hätten Carrack und seine Musiker den Sprung nach Leonberg nicht geschafft, wären insgesamt drei Konzerte ausgefallen. Zuvor musste schon der Auftritt des Country-Rockers Nathan Carter abgesagt werden, der aus Irland nicht weggekommen war.

Am Freitag schließlich erreichte Strassburg die Hiobsbotschaft, dass die Söhne Mannheims krankheitsbedingt nicht können. „Das war nicht ohne“, sagt der Festivalchef. Wobei sich die finanziellen Verluste in Grenzen hielten. „Trotzdem fehlen 1500 Leute“.

Drei dicke Fische an der Angel

So sind es am Ende rund 7000 Gäste, die in den vergangenen anderthalb Wochen zum Bürgerplatz gepilgert sind. „Ein paar mehr hätten es schon sein können“, meint Strassburg, weiß aber auch um die erschwerenden Umstände. Von der Konkurrenz – parallel lief Jazz Open – bis hin zur allgemeinen Verunsicherung vieler Menschen. „Es wird mehr aufs Geld geachtet, da steht Kultur oft hinten an.“ Dem Leonpalooza-Team war es aber wichtig, nicht in Konkurrenz mit beliebten Leonberger Veranstaltungen zu gehen. Das Strohländle, das Warmbronner Openair und das Wengerterfest beginnen erst noch.

Der Festivalmacher hat unterdessen den Blick schon ins kommende Jahr gerichtet. Drei dicke Fische hat er an der Angel, die Netze für weitere sind ausgelegt. „Wir haben in der Szene einen guten Namen. Aber deshalb brauchen wir ein gesundes Wachstum, sonst bist du schnell wieder weg“, kennt Strassburg die Gesetze im Show-Geschäft. Den familiären Charakter, daran lässt der Leonpalooza-Chef keinen Zweifel, den wird es aber weiterhin geben.