Ein trockenes Frühjahr und ein heißer Sommer lassen das Getreide schnell reifen.

Rutesheim - Zum Glück gibt es bei der Felderrundfahrt traditionell den Alte-Herren-Anhänger“, sagt ein Rutesheimer Gemeinderat zum anderen. Der kleine Traktoranhänger ist nämlich überdacht, um die älteren Semester auf der Rundfahrt vor der prallen Sonne zu schützen – aber auch bei Regen tut er gute Dienste. Doch gestandene Bauern ficht ein kleines Gewitter nicht an. Im Gegenteil, die freuen sich derzeit über jeden Tropfen Wasser, der vom Himmel fällt. Obwohl er für viele Feldkulturen schon zu spät kommt.

 

„So früh wie in diesem Sommer ist das Getreide seit Menschengedenken nicht reif geworden“, sagt Rolf Schüle beim ersten Halt auf den Gerste- und Weizenfeldern in Perouse. Der Bauernobmann aus dem Waldenserort organisiert seit Jahren die Rundfahrten. Die Landwirte nutzen sie, um sich auszutauschen und die Ernte einzuschätzen. Die Gemeinderäte und die Rathausspitze machen sich ein Bild davon, wo die Landwirte der Schuh drückt.

„Man riecht förmlich, dass die Braugerste reif für den Drusch ist, in vier Wochen sind die Getreidefelder leer“, sagt Schüle. Stolz ist er, dass im Ort noch die Dreifelderwirtschaft praktiziert wird. In dreijährigem Turnus werden auf den Flächen Halmfrüchte, Hackfrüchte (Mais, Rüben, Kartoffeln) oder auch Kraut angebaut, so dass keine Schädlinge auf dem Acker überleben. Das passiert, wenn im Folgejahr die gleiche Kultur wie im Vorjahr angebaut wird . „Perouse ist der einzige Ort im Landkreis, in dem die Dreifelderwirtschaft konsequent praktiziert wird“, bestätigt Andreas Kindler, der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Böblingen. Der Renninger kauft seit vielen Jahren in Perouse das Stroh für seinen Reitstall und muss feststellen, dass die Weizen- und Gerstenhalme gegenwärtig recht kurz sind.

„Trinken Sie Bier von den kleinen lokalen Brauereien“

Helmut Kayser, Fachberater beim Böblinger Landwirtschaftsamt, hat die Erklärung dafür. Durch den trockenen April sind die Halme nicht hochgewachsen. Stattdessen ist die Wurzel dem Wasser nach gewachsen. Das sei für den Landwirt eher ein Vorteil, denn so fallen die Halme nicht leicht um. Ein weiterer Vorteil der Trockenheit im Frühling sei zudem gewesen, dass es wenig Befall durch Pilzkrankheiten gab. „In den meisten Fällen hat einmal Spritzen genügt, um die Pflanzen gesund zu halten“, sagt Helmut Kayser.

Der Fachmann wehrt sich aus langjähriger Erfahrung – Kayser geht im September in Rente – auch dagegen, dass die Landwirte unverantwortlich mit dem Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat umgehen würden. „Bei der Sommerbraugerste ist das Mittel bei uns im Südwesten noch nie zugelassen gewesen“, sagt Kayser. Das spreche Bände, wenn es darum gehe, woher die Gerste stammte, die für das Bier der Großbrauereien verwendet wurde, in dem vor einigen Jahren Glyphosatrückstände entdeckt worden waren. Kaysers Rat: „Die kaufen ihre Rohstoffe weltweit, wo es am günstigsten Mist. Trinken Sie Bier von den kleinen lokalen Brauereien.“

Die Konkurrenz aus dem Ausland ist groß

Rolf Schüle beklagt, dass eine Perouser Tradition auf dem Rückzug sei – das lokale Sauerkraut. Die Nachfrage habe nachgelassen. „Die Konkurrenz aus dem Ausland ist groß“, sagt Fachberater Kayer. Deshalb bauen die Landwirte vermehrt Kartoffeln an, die im Ort verkauft werden. Auch die sind in diesem Jahr von Pilzkrankheiten und bisher auch von den Wildschweinen verschont geblieben. Jagdpächter Gerhard Scheeff ist ein wenig ratlos: „An den Elektrozäunen und der starkenM Jagd im Winter kann es nicht liegen, aber gegenwärtig ist weit und breit kein Schwarzwild zu sehen.“

Dafür verursachten rücksichtslose Zeitgenossen Schäden in den Äckern, wie Bürgermeisterin Susanne Widmaier bei ihrer ersten Rutesheimer Felderrundfahrt am kreiseigenen Häckselplatz erfahren hat. Ist dieser voll, wird auch auf den Feldwegen Schnittgut abgeladen: Und noch schlimmer: Manche werfen Hausmüll in die Äcker. „Wir werden mit dem Landratsamt darüber reden, dass das Schnittgut öfter zusammengeschoben wird“, verspricht sie.

„Ein Vorteil solcher Felderrundfahrten ist, dass vor Ort die Probleme angesprochen werden können“, sagtWidmaier. „Es ist wichtig für die Stadt, dass es auch den Landwirten gut geht“, sagt die Bürgermeisterin beim anschließenden Gespräch auf dem Hof von Martin Schwarz im Pfaffengrund. Da geht es auch um die Ernteprognose. Fachmann Kayser meint: „Es sieht gut aus, doch das kann sich innerhalb weniger Stunden ändern.“ Vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrungen mit den Wetterkapriolen, nicken die Landwirte bei dieser Einschränkung.