Nach dem Rückzug aus dem Tourismus steigt das Weissacher Familienunternehmen in fünf Jahren auch aus dem Linienverkehr komplett aus.

Weissach. - Zum 90-jährigen Firmengeburtstag war Monika Wöhr-Kühnemann noch einmal in die Vollen gegangen: Im Sommer 2015 präsentierte die Chefin des Weissacher Transportunternehmens voller Stolz zwei Luxus-Reisebusse. Futura 1 und Futura 2 sollten im hart umkämpften Markt des Bustourismus neue Akzente setzen: mehr Beinfreiheit, mehr Service, mehr Technik, sogar Konferenzen waren in den VIP-Linern, wie sie genannt wurden, möglich.

 

Ging das Konzept – hochwertige Reisen für eine anspruchsvolle Zielgruppe – zunächst gut auf, so hat Corona auch den Bustourismus schwer erschüttert. Vor zwei Jahren verkaufte Monika Wöhr-Kühnemann den Tourismusbereich an das Busunternehmen Schlienz aus Kernen.

Auch die Remstäler sind auf hochwertige Reisen spezialisiert, dort wähnte die Weissacher Chefin das Herzstück ihres Betriebs in guten Händen. Nun, einen ihrer Luxus-Liner behielt sie, um wenigstens noch ein kleines Angebot zu machen.

Seit 1925 in der Grabenstraße

Doch nun hört das Traditionsunternehmen in einem sich über fünf Jahre erstreckenden Prozess endgültig auf. ,,Die Wöhr Tours GmbH, die seit dem Jahr 1925 in der Weissacher Grabenstraße ihren Betriebshof hat und in der Gemeinde ebenfalls seit 1925 als Fuhrunternehmen tätig ist, wird mit dem Jahr 2027 den Busbetrieb einstellen“, erklärt die Geschäftsführerin im Gespräch mit unserer Zeitung.

Nicht nur dem Tourismus-Segment habe die anhaltende Coronapandemie massiv geschadet. Auch der Linienverkehr, Wöhr betreibt rund um Leonberg vier Linien, sei angesichts rückläufiger Fahrgastzahlen stark betroffen. ,,Sie dürfen versichert sein, dass ich mir diese Entwicklung ganz anders gewünscht hätte. Als Familienunternehmerin trage ich jedoch ebenso die Verantwortung, rechtzeitig zu erkennen, wann sämtliche Maßnahmen nicht mehr erfolgversprechend sind“, fasst sie den ein halbes Jahr andauernden Überlegungsprozess zusammen.

Rund 100 Beschäftigte

„Bestehende Vertragsverpflichtungen, besonders im Verkehr mit den erfolgreichen Linien 634, 635, 636 und 637, wird das Unternehmen selbstverständlich erfüllen“, versichert Wöhr-Kühnemann. „Auch werden wir dabei mitwirken, dass die Linien danach in gewohnt zuverlässiger Weise von einem anderen Unternehmen weitergeführt werden.“ An künftigen Ausschreibungen des öffentlichen Liniennetzes werde man sich aber nicht mehr beteiligen.

Durch die fünfjährige Übergangsphase sei sichergestellt, dass das Personal, für Wöhr arbeiteten in guten Jahren rund 100 Menschen, „langsam heruntergefahren“ werden kann. Viele langjährige Mitarbeiter sind nach Angaben der Chefin bereits im Ruhestand, andere hätten nun genügend Zeit, sich umzuorientieren oder gehen ebenfalls in den kommenden Jahren in Rente.

Neues Quartier auf einem Hektar

Bleibt noch die Frage, was mit dem Betriebsgelände geschehen soll. „Bei den Gesprächen in unserer Familie wurde die Idee geboren, die Fläche für eine mögliche Nachnutzung als Wohnquartier zu untersuchen“, erklärt Wöhr-Kühnemann. Getragen von dieser Idee sei der Kontakt mit der BB Wohnbau Böblingen entstanden, die in Weissach derzeit ein Quartier mit 16 Wohnungen herstellt.

,,Das Betriebsgelände von Frau Wöhr war für uns natürlich interessant, und von unserem aktuellen Vorhaben in Weissach wissen wir, dass die Nachfrage nach Wohnraum hier groß ist“, sagen Barbara Falkenberg-Bahr und Claus Falkenberg, die beiden geschäftsführenden Gesellschafter des Bauinvestors. „Wir haben in konstruktiven Gesprächen starke Lösungsansätze gefunden, die Lust auf das Bebauungsplanverfahren und die Entwicklung des Grundstücks machen.“

Startschuss gefallen

Auf einer Fläche von rund einem Hektar soll auf dem Wöhr-Grundstück für verschiedene Zielgruppen ein attraktives Wohnquartier geschaffen werden. Der Gemeinderat stimmte dem Aufstellungsbeschluss zu einem Bebauungsplan einstimmig zu, was den Startschuss für das neue Wohngebiet darstellt.