Die Familienpflegeschule in Korntal-Münchingen ist eine von nur zwei Schulen im Land, die Familienpfleger ausbildet – obwohl der Bedarf an den Ersatzmamas, Haushaltshilfen und Pflegerinnen groß ist. Die neue Leiterin der Schule, Brigitte Schäfer, möchte die Ausbildung attraktiver gestalten.

Korntal-Münchingen - Saugen, putzen, Wäsche waschen, Windeln wechseln, Fläschchen geben. Brei anrühren, spielen, vorlesen. Meist erledigt diese Aufgaben die Mutter im Haus. Fällt sie aus, weil sie sich das Bein gebrochen hat oder sie eine Schwangerschaft in die Horizontale zwingt, braucht es zupackende Hilfe, die einer Familienpflegerin.

 

Diese Allrounderinnen kümmern sich um den Haushalt, erziehen, vermitteln bei innerfamiliären Streitigkeiten, übernehmen erste medizinische Handgriffe. Eine von zwei Schulen im Land, die diese Familienpflegerinnen – zumeist sind es Frauen – ausbildet, steht in Korntal. Seit mehr als 90 Jahren erlernen die Ersatzmamas in der von der Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal geleiteten Schule ihr Handwerk. Und seit März hat die Schule eine neue Leiterin: Brigitte Schäfer.

Die 53-Jährige ist Diplomtheologin und Psychologin und hat bisher in Herrenberg als Coach und Trainerin mit Schwerpunkt Konfliktmanagement und Resilienz gearbeitet. Seit 2012 hat sie an der Familienpflegeschule das Modul „Psychologie“ unterrichtet. „Anfangs konnte ich so mein Büro in Herrenberg finanzieren, später bin ich aus Verbundenheit mit der Schule geblieben“, sagt Schäfer. Und die Treue hat sich gelohnt: Ihr Vorgänger Andreas Löw habe vor wenigen Monaten gefragt, ob sie seinen Posten übernehmen möchte. Er wurde zum Schuldekan für Ludwigsburg und Besigheim berufen. Letztendlich habe sie auch die Sicherheit einer Anstellung dazu bewogen, das Angebot anzunehmen.

Industriemechanikerin, Theologin und Psychologin

Ihre Selbstständigkeit gibt Schäfer damit nicht auf. Als Leiterin arbeitet sie in 50 Prozent bei der Familienpflegeschule, weitere 50 Prozent bleibt sie als Beraterin tätig. „Es hat mich gereizt, wieder in einer Führungsposition zu arbeiten, da ich beruflich auch viele Führungskräfte betreue.“ Zuvor hat Schäfer als Redakteurin bei einem Tübinger Verlag gearbeitet und das theologische Lexikon „Religion in Geschichte und Gegenwart“ herausgebracht. Doch es habe sie wieder in die Praxis gezogen, zum Kontakt und zur Arbeit mit Menschen.

Dass sie nicht als Pastorin arbeiten wolle, sei ihr beim Studium schnell klar geworden. „Ich bin lesbisch und wollte den Kampf in der Kirche nicht führen“, sagt sie. Daher habe sie während ihrer Tübinger Studienzeit angefangen, Psychologie zu studieren. Für ihre neue Position ist ihr theologischer Hintergrund jedoch ein Vorteil.

Schäfer kennt sich auch mit Maschinen aus: Die aus Eningen unter Achalm (Kreis Reutlingen) stammende Psychologin hat vor ihrer akademischen Laufbahn eine Ausbildung zur Industriemechnikerin abgeschlossen. „Mein Lebenslauf ist sehr bunt“, sagt sie.

Gehalt statt Schulgeld

In ihre Rolle als Leiterin der Schule muss sich Schäfer noch einfinden. „Hier mache ich mehr Gestaltung und Organisation, entwickle Ideen und treibe Themen voran.“ Vorrangig sei, überhaupt Schüler für die Einrichtung zu gewinnen.

Daher hat die Familienpflegeschule ihren Unterricht auf eine praxisintegrierte Ausbildung umgestellt. Dadurch erhalten die Schüler nun einen Ausbildungsplatz samt monatlichem Gehalt. Davor zahlten die Schüler Schulgeld, den Praxisteil absolvierten sie in mehrwöchigen Praktika.

„Ich habe das Gefühl, dass das neue System sehr gut angelaufen ist“, sagt Schäfer. „Die Ausbildung ist attraktiver geworden. Die Azubis wissen besser, worauf sie sich einlassen und was es bedeutet, in der Familienpflege zu arbeiten.“ Zwischen acht und zwölf Teilnehmer haben die Ausbildung bis dato absolviert. Der neueste Jahrgang besteht aus 14 Schülerinnen. Fürs kommende Jahr haben sich 16 Schüler angemeldet, darunter ein Mann.

Die Bewerbungsfrist laufe noch bis August. „16 ist aufgrund der Größe unserer Ausbildungsküchen eine optimale Zahl. Wenn es mehr Azubis werden sollten, dann finde ich dafür eine Lösung.“

Notfalls müsse das Schulgebäude angepasst werden

Auch die Zusammenarbeit mit den Ausbildungsstellen, respektive den Sozialstationen laufe inzwischen gut. Auch für sie sei es von Vorteil, ihre Nachwuchskräfte selbst auszubilden. nicht zuletzt: „Familienpfleger werden gebraucht“, weiß Schäfer. Praktisch jede Sozialstation sei auf der Suche nach derartigen Fachkräften, viele Anfragen müssten vertröstet werden.

„Und ich ahne, dass der Bedarf nicht kleiner wird“, sagt Schäfer. „Ich glaube, dass der Markt eine noch größere Zahl an Auszubildenden ermöglicht.“ Wenn es so käme, wäre es für Schäfer kein Problem: „Dann liegt es an uns, das zu ermöglichen. Im Zweifel müssen wir eben das Schulgebäude anpassen“, sagt sie schlagfertig.