Die Regierungskoalition will in Stuttgart an vielen Stellen die Luft messen – um letztlich die Spitzenwerte streichen zu können. Nun sollen 16 neue Stationen aufgestellt werden.

Stuttgart - Fünfzig Stationen messen besser als fünf“ – diese Forderung nach einer großen Zahl weiterer Messanlagen für Stickstoffdioxid hat Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) vor zwei Wochen im Interview mit dieser Zeitung aufgestellt. Bekommen wird Strobl in Stuttgart 16 weitere Messstellen. 15 davon sind technisch einfachere Passivsammler, außerdem soll ein Messcontainer von Leonberg nach Stuttgart umgesetzt und an der Hauptstätter Straße bei der Hausnummer 119 (Internationaler Bund, IB) aufgestellt werden.

 

Die genaue Liste bespricht an diesem Dienstag der Koalitionsausschuss der Landesregierung. Sie könnte das Klima zwischen CDU und Grünen entgiften. Mit der Massenmessung soll das gerichtlich verhängte und von der Regierung für 2020 angekündigte Euro-5-Dieselverbot – und letztlich auch ein Bruch der Koalition – vermieden werden.

Rechtsrahmen ausnutzen

In der Vorlage für die Spitzenkräfte von CDU und Grünen heißt es, dass „eine Erhöhung bestehender Probenahmen nur bedingt begründet werden kann und in der Kommunikation nach außen schwierig ist“.

Der Wunsch nach der „Ausnutzung des Rechtsrahmens“sei der Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW), die für diese Arbeit zuständig ist, „kommuniziert“ worden. Im Vorjahr sah sich die LUBW mit vielen Anfragen aus Kommunen konfrontiert, die Aufschluss über ihre Schadstoffbelastung verlangten. Mit 39 beschlossenen verkehrsnahen Sondermessungen – zwei davon in Stuttgart – konnten nicht alle Anfragen befriedigt werden.

Bund bringt neuen Wert

Wer erwartet, dass das Neckartor künftig von Messanlagen umzingelt wird, dürfte enttäuscht werden. Am bundesweiten Stickstoffdioxid-Hotspot hängen bis zu maximal 100 Meter von der Dauermessstelle entfernt bereits seit Jahren fünf Passivsammler. Ihre Jahresmittelwerte reichten 2018 von 51 (am Schlossgarten) bis 62 Mikrogramm. Maßgebend für das Fahrverbots-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts waren aber die Daten Dauermessstelle vor dem Amtsgericht (Am Neckartor 22, 2018: 71 Mikrogramm) . Der EU-Grenzwert von 40 wurde klar gerissen, der künftige Verhältnismäßigkeitswert von 50 Mikrogramm im Bundesimmissionsschutzgesetz auch. Da die Dauermessung 2018 stark von den Daten der Messstellen im Umfeld abwich, soll sie in diesem Jahr als nicht mehr repräsentativ aus dem Raster fallen.

Wirkung der Filter ungewiss

Diese und weitere Maßnahmen sollen helfen, bis Ende 2019 nahe an die 50 Mikrogramm heranzukommen. Sind sie für 2020 absehbar, kann das Fahrverbot für Euro 5 als unverhältnismäßig deklariert werden und entfallen. Neben dem Neckartor hat die Regierung die Hohenheimer Straße im Blick. Dort wurden 65 Mikrogramm im Jahresschnitt gemessen. Vorgesehen ist, drei neue Passivsammler um den bekannten Messcontainer (vor Haus 64) zur gruppieren. Die Hoffnung: sie sollen bessere Daten erbringen, sodass der hohe Wert der bisherigen Referenzmessstelle gestrichen werden kann. Der Schwerpunkt der weiteren Messungen liegt an der Hauptstätter Straße und entlang der Pragstraße sowie in Zuffenhausen an der Ludwigsburger Straße.

Niedrigere Werte am Neckartor soll zudem ein Busfahrstreifen bringen. Das Land hat ihn vor Gericht zugesagt. Vom 8. Juni an soll es ihn stadtauswärts vom Wulle-Steg bis zur Kreuzung Heilmannstraße geben. Dafür entfällt eine der drei Autospuren. Würde das Verkehrsaufkommen so um 25 Prozent sinken, könne der Jahreswert an der Wohnbebauung um bis zu zehn, an der Messstelle um 2,5 Mikrogramm sinken, heißt es im Papier für die Koalition. Auch Filtersäulen sind geplant. Es sei jedoch „unklar, wie und ob überhaupt sich das System auf die Immissionssituation auswirkt“.