Nicht überall im Altkreis glänzt das Radverleihsystem mit hohen Nutzerzahlen. Die Einstellung der Kommunen ist jedoch oft ähnlich: Erst mit einem großen Angebot komme die Nachfrage.

Altkreis Leonberg - Weniger Auto, weniger Bus oder Bahn, stattdessen häufiger mal der Drahtesel: Das Fahrrad boomt. 77 Prozent der Deutschen fahren inzwischen mit dem Rad, rund ein Viertel nehmen laut dem Bundesverkehrsministerium heute häufiger das Rad als vor der Coronapandemie. Etwa zwölf Prozent nutzen mindest einmal im Jahr ein sogenanntes Bike-Sharing-Angebot.

 

Großer Anbieter im Raum Stuttgart ist in puncto Bike-Sharing das Verleihsystem Regiorad der Deutschen Bahn Connect GmbH. Knapp 33 000 Kunden hat Regiorad aktuell. Von Januar bis Ende September dieses Jahres wurden 71 200 Fahrten registriert – ein Plus von immerhin siebeneinhalb Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

In Ditzingen läuft es nicht rund bei den Leihrädern

Zufrieden mit dem Angebot ist man aber nicht überall: Erst vor wenigen Wochen hatten etwa die Ditzinger Stadträte ihren Unmut über die schlechten Ausleihzahlen und die mangelnde Pflege der Stationen kundgetan. Auch der versprochene Service, etwa das Einsammeln der Räder mit einem Bus, klappe nicht richtig. 211 registrierte Regiorad-Nutzer gibt es in Ditzingen. An der zentral gelegenen Station in Ditzingen am Bahnhof gab es 2021 insgesamt 195 Ausleihen bis September. Man habe sich verbessert, aber sei noch weit entfernt vom Idealzustand, sagte Bürgermeister Ulrich Bahmer.

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Die Unzufriedenheit in Ditzingen wurde kürzlich auch als ein Argument aufgeführt, als es im Weissacher Gemeinderat um eine eventuelle Einrichtung von Regiorad-Stationen ging. Die Unabhängige Liste hatte sich dort Stationen für die Gemeinde gewünscht, der Tenor aus der Verwaltung war jedoch ganz eindeutig: Das lohnt sich nicht.

Zwar wurde gelobt, dass Regiorad ein gutes und sinnvolles Angebot ist – jedoch nur an geeigneten Standorten. Und das sei Weissach, so betont es auch Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU), nicht. Denn: Keine andere Kommune in der Region, die ebenso wie Weissach keinen Bahnanschluss hat, habe eine entsprechende Station, mit dem Rutesheimer Ortsteil Perouse als Ausnahme. Mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ sei deshalb zu erwarten, dass „das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht ausgewogen ausfallen wird“.

Ausleih-Zahlen könnten besser sein

Als positives Beispiel können die Zahlen aus Rutesheim tatsächlich nicht herangezogen werden: Lediglich 52 registrierte Nutzer gibt es in der Stadt. Die Station in Perouse liegt mit 23 Ausleihen zwischen dem Start im Mai und September 2021 auf einem der hintersten Plätze in der Statistik von Regiorad. Für den Ersten Beigeordneten der Stadt, Martin Killinger, ist das Angebot trotzdem ein wichtiger Baustein der Verkehrswende. „Zu einer guten Radinfrastruktur gehört auch ein Leihsystem“, sagt er. „Deshalb war es für uns von Anfang an klar, dass wir schon bei der Einführung der Regioräder mitgemacht haben und kein weißer Fleck sein wollten.“

Als großen Vorteil des Leihsystems nennt Killinger zudem das inzwischen „sehr ansehnliche Netz“ mit über 200 Stationen in der Region. „Wir sehen das regional, und insofern zählen auch nicht nur die Kunden mit Wohnsitz in Rutesheim.“ Natürlich wünsche man sich, dass möglichst viele das Angebot nutzen. Aber: „Ohne Angebot keine Nutzung, und zudem brauchst das wie bei allem Neuen seine Zeit.“

Die Vernetzung der Verleihstationen macht’s

Ein Tenor, den auch andere Altkreis-Kommunen mit Regiorad-Stationen teilen: Die Zahlen in Gerlingen, wo aktuell rund 234 Nutzer registriert sind, seien zufriedenstellend, bestätigt Sofie Neumann, Sprecherin der Stadt. „Wir erwarten für die Zukunft noch höhere Ausleihzahlen, insbesondere, wenn es in benachbarten Kommunen weitere Stationen gibt und eine noch bessere Vernetzung möglich ist.“

Auch in Leonberg gibt es 234 Nutzer, neben den zwei bereits existierenden Stationen am Bahnhof und am Leo-Center sind hier sogar drei weitere geplant. Man sehe viel Potenzial im Bereich des Bike-Sharings, berichtet Pressesprecher Sebastian Küster. „Es ist zu erwarten, dass mit mehr Stationen die Aufmerksamkeit, Akzeptanz und auch die Nutzungszahlen steigen werden.“

Regiorad-Stationen haben mehr einen ideellen Wert

Luft nach oben, insbesondere nach einem coronabedingten Einbruch der Nutzerzahlen, sieht Alicia Paulus aus der Stadtverwaltung Renningen. Sie steht jedoch wie ihre Kollegen aus den anderen Kommunen hinter dem Angebot. Man möchte in Zukunft noch verstärkt Werbung für das Verleihsystem machen, sie kann sich etwa vorstellen, gezielt Unternehmen anzusprechen. Denn Regiorad, so sagt Paulus, sei „für Pendler prädestiniert“.

Das Angebot von Regiorad hat für die meisten Kommunen also einen besonders hohen ideellen Wert – auch, wenn die Anschaffung erst einmal kostet und die Zahlen auf dem Papier nicht glänzen. Diese Einstellung teilt unterdes auch ein Teil der Weissacher Gemeinderäte. In einer knappen Abstimmung beauftragten sie die Verwaltung jüngst, einen Förderantrag für zwei Regiorad-Stationen zu stellen. Ob diese wirklich kommen werden, steht aber noch nicht fest.