Die Verwaltung diskutiert mit Bürgern ihr Radkonzept.

Weil der Stadt - Seit 30 Jahren schon fährt Wolfgang Wyrwal von Schafhausen nach Sindelfingen zur Arbeit – und zwar mit dem Fahrrad. „Ja, damals wurde ich noch belächelt“, erinnert er sich und fügt schmunzelnd hinzu: „Dann hab ich immer ironisch gesagt, dass ich noch zu viel Alkohol im Blut habe.“

 

Diese Zeiten sind zum Glück lange vorbei. Mit dem Rad zur Arbeit pendeln oder in der Freizeit aufs Rad zu steigen, gehört längst zum Standard. Was indes noch fehlt, ist die entsprechende Infrastruktur. Das wissen die Verantwortlichen im Land, beim Kreis Böblingen und auch bei der Weil der Städter Stadtverwaltung. Überall werden Konzepte erarbeitet. Das Land feilt an Radschnellwegen wie jenem, der Ende Mai zwischen Böblingen und Stuttgart-Rohr eröffnet wurde. Auch das Landratsamt erarbeitet derzeit einen solchen Plan.

„Diese Konzepte hören allerdings an der Stadtgrenze auf“, sagt Malte Novak. Der Ingenieur hat im Auftrag der Stadtverwaltung untersucht, wie auch Weil der Stadt optimiert werden kann. „Unser Ziel ist es, sichere und zügige Wege für die Radler durch unsere Stadt zu schaffen“, erklärt der Beigeordnete Jürgen Katz.

Bürger als „Experten des Alltags“

Dabei seien die Bürger die „Experten des Alltags“, deren Erfahrung man in das Konzept einarbeiten wolle. Am Montagabend durften daher alle Interessierten im Klösterle ihre Meinung abgeben und Vorschläge unterbreiten. Gekommen ist auch der Schafhausener Wolfgang Wyrwal. „Es hat sich schon viel getan“, berichtet er. „Durch Döffingen muss ich mit dem Rad nicht mehr durch.“ In die andere Richtung aber, nach Weil der Stadt, gibt es schon noch Verbesserungsbedarf.

Zusammen mit Philipp Heinz, einem weiteren Schafhausener, steht er vor einer Stadtkarte dieses Ortsteils. Die beiden suchen nach den Problemstellen für Radler. „Die Döffinger Straße ist immer voll mit Autos, man hat keine Übersicht“, nennt Heinz ein Beispiel. „Gerade für Kinder ist es schwierig, dort zu fahren.“ Dabei ist die Döffinger Straße für Radler wichtig, Heinz und Wyrwal nennen sie den „Daimler-Highway“, auch im Konzept der Experten ist sie als Querverbindung zwischen Weil der Stadt und Böblingen/Sindelfingen ausgewiesen.

Möglichkeiten, die Infrastruktur für den Radverkehr zu verbessern, gibt es einige. Das hatte Malte Novak vom Stuttgarter Büro Brenner-Plan den Weil der Städtern im Klösterle zuvor erklärt. Weiße Schutzstreifen kann man auf die Straße malen. Das schlägt er zum Beispiel für die Josef-Beyerle-Straße im Industriegebiet, für ein Stück auf der Leonberger Straße beim Friedhof oder für die Max-Caspar-Straße zum Gymnasium vor. Möglich sind auch Querungshilfen, also Verkehrsinseln oder Ampeln, die Menschen helfen, hoch frequentierte Straßen zu kreuzen. Bedarf hierfür sieht der Experte rund um den Bahnhof. „Wir müssen aber realistisch bleiben“, schränkt er ein. „Wir können nicht einfach irgendwo auf Tempo 30 reduzieren oder einen Radweg bauen.“ Für viele Straßen ist der Landkreis oder das Land zuständig, zum Beispiel für die Ortsdurchfahrt Merklingen. Dort Tempo 30 zu fordern, sei unrealistisch.

Aber jetzt geht es ohnehin erst mal um Ideen. Philipp Heinz ist Ingenieur bei Porsche und fährt jeden Morgen mit dem E-Bike nach Weissach. Also einmal quer durch Weil der Stadt. „Es wäre schon nicht schlecht, gut vom Friedhof ins Merklinger Ried zu kommen“, sagt er.

Die beiden gefährlichsten Punkte

Damit befasst sich im Klösterle eine andere Arbeitsgruppe. Siegfried Netzband nennt die beiden gefährlichsten Punkte: Die Kreuzung beim Lidl und die Kreuzung bei der Heilig-Kreuz-Kapelle. „Dort als Fahrradfahrer links abzubiegen, ist kriminell“, berichtet er. Nicht nur einmal ist er in Konflikt mit Autofahrern gekommen, einmal ist er auch schon auf einer Motorhaube gelandet. Weil bei der Lidl-Kreuzung fast alle Autos links abbiegen, habe er als Radler kaum eine Chance, unbeschadet geradeaus zu fahren.

Siegfried Netzband hat aber auch einen Verbesserungsvorschlag mitgebracht, den er aufschreibt. „Die Stoppstreifen für die Autos müsste man weiter hinten anlegen“, sagt er. Dann könnten die Radler sich bei einer roten Ampel vor die Autos stellen und als erstes starten, wenn es grün wird.

Fast alle, die in der Kernstadt unterwegs sind, müssen die Heilig-Kreuz-Kapellen-Kreuzung überwinden, denn die Eisenbahnschienen teilen die Stadt einmal quer durch. Darauf weist Roland Müller hin. „Das sind gemeingefährliche Punkte“, sagt der Radler. Ihm schwebt aber die größere Lösung vor: Nämlich eine Brücke für Fußgänger und Radler über die Schienen, und zwar vom Netto-Markt rüber zur Poststraße. Er weiß, dass das Gelder im Millionenbereich erfordern würde. „Die Stadt erschließt jetzt das Neubaugebiet Häugern“, sagt er aber. „Und dann hat sie auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Schüler sicher in die Schule kommen.“

Eine andere Fahrradbrücke indes würde er gern für den Radverkehr einschränken. Die Brücke über die Würm, zwischen Friedhof und Brühlweg, ist nämlich ausdrücklich für Radler freigegeben – eines der ganz wenigen blauen Schilder in der Stadt. „Das ist aber sehr gefährlich, gerade weil bei dem dortigen Spielplatz viele Kinder spielen.“

Malte Novak hat bei allen Vorschlägen genau zugehört. Der Verkehrsingenieur trägt jetzt alles zusammen. Dann muss der Gemeinderat entscheiden, welche der Vorschläge verwirklicht werden sollen – und vor allem, wie viel Geld er dafür zur Verfügung stellt.