Frühere Sanierungen, Witterung und Schädlinge im Holz haben deutliche Spuren im Fachwerk in Münchingen hinterlassen. Das hat nun gravierende Folgen.

Die Aussicht, die Patrick Pressel auf dem Dach des Münchinger Rathauses hat, ist fabelhaft. Weniger fabelhaft ist der Grund, warum er sich auf über 20 Metern Höhe aufhält, jedenfalls für die Stadt: Patrick Pressel ist der Chef der Kornwestheimer Firma Muny Holzbau und Schreinerei und saniert das Fachwerk aus dem Jahr 1687 – an dem er größere Schäden feststellt als angenommen. Die Sanierung der Fassade und des Dachs dauert daher länger und kostet mehr als geplant. Ursprünglich sollten die rund 1,2 Millionen Euro teuren Arbeiten im Herbst beendet sein und dann auch das Gerüst sowie die Ampel auf der Hauptstraße weg.

 

Drei Farben für drei Ausmaße

Noch immer ist das komplette Ausmaß der Schäden unklar. Der Zustand des Holzgebälks im Dach und im gesamten Fachwerk ist sehr unterschiedlich, weshalb eine aufwendige Analyse aller Holzelemente nötig ist. Patrick Pressel und sein Team arbeiten sich Schicht für Schicht voran. Parallel sanieren sie – während das Verwaltungspersonal arbeitet. Dabei entdeckt Patrick Pressel immer neue Überraschungen, sprich: Schäden. Das sind die Abschnitte, die auf der stark vereinfachten Zeichnung für die Kartierung des Gebäudes blau markiert sind, am Rathaus selbst mit einer Blende versehen. Gelb kennzeichnet oberflächliche, Rot umfangreiche Schäden. Unten am Fachwerk ist auf der Zeichnung viel blau, oben dominiert rot, weil das Gebäude exponiert ist.

Schäden sind versteckt

„Man sieht nicht alles sofort“, sagt Patrick Pressel, auch Experte für Dekontamination, Holzschutz und Restaurierung. Er spricht von einem Prozess über Jahre, Jahrzehnte. Und zeigt auf ein Stück Holz aus einem Deckenbalken, das mit anderem Holz zwischen Rathaus und Absperrung liegt: Außen schaut es unauffällig aus, doch innen wütet die Kernfäule. Der Bauamtsleiter der Stadt, Alexander Bagnewski, sagt, viele Schäden waren auch durch Bodendielen überdeckt.

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Überall im Holz hat sich ein Pilz breitgemacht, der Schädlingen den Weg ebnet. Die Ursache ist Wasser. Mal hat es sich drinnen gebildet, mal kam es von draußen rein – so bei Regen –, konnte dann aber nicht mehr raus. An der Fassade, auf der Wetterseite, entfernt Patrick Pressel, was da nicht hingehört, weil es Wasser, Feuchtigkeit von außen quasi einsperrt: Acrylfarbe, Zementputz, spezielle Spachtelmasse und Harze. „Holz arbeitet, und Baustoffe müssen harmonieren“, sagt Patrick Pressel. Das ist beim Rathaus nicht der Fall. Zuletzt wurde die Fassade in den 1990er-Jahren saniert, „und was damals richtig war, ist aus heutiger Sicht ein Fehler“. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1990er habe es ein „Nicht-Wissen“, ein „verlorenes Wissen“ gegeben.

Experte richtete schon Schlimmeres

Zwischen Oktober 2018 und Mai 2019 wurden bei der rund 1,4 Millionen Euro teuren Sanierung Brandschutz und Technik im Rathaus auf den neuesten Stand gebracht. Damals habe man entschieden, das Fachwerk auch außen aufzuhübschen, sagt der Bauamtsleiter Bagnewski. Es stellte sich heraus, dass unterm Dach, wo das Archiv untergebracht war, ein giftiges Holzschutzmittel verwendet wurde. Der Dachstuhl wurde dekontaminiert, als Vorbereitung für die weitere Sanierung, die jetzige.

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Patrick Pressel, der auch schon das Ludwigsburger Schloss und das Besigheimer Steinhaus mit saniert und mit restauriert hat, kann mit Blick auf die Schäden am historischen Rathaus beruhigen. Er habe schon Schlimmeres richten müssen. „Wir werden die Sanierung durchziehen“, betont Alexander Bagnewski. Aus Sicherheitsgründen, weil Menschen darin arbeiten, aber auch, weil das Rathaus das Wahrzeichen von Münchingen sei und der Erhalt von Denkmälern unbestritten.