Mit einem offenen Brief wenden sich die Elternbeiräte der Kindertageseinrichtungen an die Verwaltung. Das wirkt: Eltern und Verwaltung berichten nun von einem Austausch auf Augenhöhe.

Wer dieser Tage in den Supermärkten der Region die Ohren spitzt, hört wahrscheinlich eine Werbung der Gemeinde Weissach: Fachkräfte für Kindertageseinrichtungen werden gesucht. Die Porsche-Gemeinde hat, wie so einige Kommunen in der Region, aktuell mit einem enormen Personalmangel zu kämpfen. Der Schuh drückte offenbar so sehr, dass sich die Elternbeiräte der sechs gemeindeeigenen Weissacher Kitas jüngst mit einem offenen Brief an die Verwaltung wandten.

 

Verschobenes Treffen verursacht Frust

Darin schildern sie nicht nur, welche enorme Flexibilität verkürzte Betreuungszeiten von den Eltern fordert. Auch das Einführen eines neuen Modellprojekts mit einzeln buchbaren Stunden stieß bei einigen Eltern angesichts der kritischen Gesamtlage auf Unverständnis. Frust bei den Elternbeiräten hatte außerdem ausgelöst, dass die Verwaltung ein gemeinsames Treffen scheinbar lange aufgeschoben hatte.

Im offenen Brief berichteten die Elternbeiräte von mehrfacher Verschiebung eines Treffens, als Grund hatte die Verwaltung den Aufwand der Organisation der Bürgermeisterwahl genannt. Auch eine Weissacher Familie, die sich in einem Schreiben an zwei Bundestagsabgeordnete und den Landrat wandte, kritisierte, dass zwei Gesprächstermine mit Bürgermeister Daniel Töpfer und der Verwaltung ersatzlos abgesagt wurden. „Man kann als Bürger den Eindruck gewinnen, dass das Thema Kinderbetreuung keine Priorität in der Gemeinde Weissach hat.“

Die personellen Einspannungen für die Bürgermeisterwahl nennt auch Lisa Rill, Leiterin des Amtes für Jugend und Soziales, als Grund für die Verzögerung des Termins mit dem Elternbeirat. Davor habe eine Elternbeiratssitzung, welche ansonsten fester Bestandteil eines jeden Kindergartenjahres ist, aufgrund von Corona nicht stattgefunden. Auch lange Krankheitsausfälle in der Verwaltung nennt Rill als Grund.

Verwaltung hat zugehört

Gewirkt zu haben scheint das Schreiben der Elternbeiräte allemal. Erst jüngst fand die Gesamtelternbeiratssitzung mit der Verwaltung doch noch statt, mit durchaus positivem Ergebnis, berichten die Elternbeiräte Daniela Endele von der Ferry-Porsche-Kita und Rudolf Schober von der Kita Wehrbereich. Nach einer langen Zeit der „negativen Eindrücke“ – Schober nennt etwa, dass man Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt und sich nicht mit ihnen abgestimmt habe – lässt das die Eltern nun hoffen. „Das war das erste Gespräch, seit meine Kinder in der Kita sind, bei dem die Verwaltung aufgehört hat zu informieren, sondern in den Dialog gegangen ist“, lobt Schober. „Das war aus unserer Sicht ein klares Signal.“

Auch Daniela Endele freut sich über den Ausgang des Treffens. „Es tat so gut, einfach mal zusammenzusitzen“, sagt sie. „Man hat uns wirklich zugehört.“ Lisa Rill lobt den gelungenen Abend ebenso. „Durch den konstruktiven Austausch mit den Elternbeiratsvorsitzenden sind zusätzliche Ideen entstanden, welche meiner Meinung nach in einem gewissen Rahmen zeitnah umzusetzen sind.“

Werbung an Berufsschulen und im Blättle

Einen „bunten Strauß“ solcher Ideen zur Personalgewinnung hatte der Elternbeirat mitgebracht, berichtet Endele – auch, wenn einige davon zwecks des monetären Aufwands erst einmal von der Verwaltung bearbeitet und dem Gemeinderat abgenickt werden müssten. Andere Dinge würden sich da schon leichter umsetzen lassen.

So hatte der Elternbeirat der Verwaltung vorgeschlagen, sich bei Berufsschulen persönlich als Arbeitgeber vorzustellen. „Da bieten sich auch Eltern an mitzukommen“, so Endele. „Unsere Gemeinde hat so viele Chancen und Möglichkeiten, so viele engagierte Menschen, die willens sind. Wir stellen uns auch an den Straßenrand und machen Werbung.“

Dass Weissach als Kommune für junge Arbeitnehmer nicht immer attraktiv ist, wissen alle Beteiligte, besonders mit Blick auf den überstrapazierten Immobilienmarkt. Im Blättle könne man Aufrufe für Wohnraum veröffentlichen und ältere Menschen ansprechen, die viel leeren Wohnraum zur Verfügung haben. „Die freuen sich im Gegenzug, wenn vielleicht jemand im Haushalt hilft“, so Endele. Aufrufe im Mitteilungsblatt oder zusätzliche Aushänge an Fachhochschulen will nun auch die Verwaltung mittragen. „Das sind Ideen, die realistisch umsetzbar sind“, so Lisa Rill. „Zusätzlich werden wir an einer Maßnahme teilnehmen, um ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland in unseren Einrichtungen zu integrieren.“

Auch mit ihren Pluspunkten sollte die Gemeinde mehr werben, finden die Elternbeiräte. „Wir haben hier sechs unterschiedliche Einrichtungen mit sechs unterschiedlichen Modellen“, sagt Rudolf Schober. „Diese Vielfaltskarte muss man ziehen.“ Das sieht auch Lisa Rill so. „Das ist eine Bereicherung für unsere Kindertageseinrichtungen und wird positiv von unseren pädagogischen Fachkräften zurückgemeldet.“ Die Elternbeiräte können unterdes wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. „Es wird sich einiges zum Positiven ändern“, ist sich Endele sicher. „Die Zeichen deuten darauf hin, dass man uns jetzt mit ins Boot lässt.“ Und noch etwas Gutes hatte diese Krisenzeit. „Es gibt inzwischen einen Gesamtelternbeirat mit Struktur“, so Schober. „Das beruhigt auch die Lage auf Elternseite.“

Hoffnung liegt in neuem Bürgermeister

Gespannt warten die Elternbeiräte nun auf die Ankunft des neu gewählten Bürgermeisters Jens Millow, der sein Amt im Herbst antreten wird. Im Wahlkampf hatte er das Thema Kinderbetreuung immer wieder auf dem Tisch gehabt. „Wir haben große Hoffnung“, sagt Endele. „Er bringt viel Erfahrung mit und scheint auch bereit, unkonventionelle Wege zu gehen.“ Wie es dann läuft, bleibt abzuwarten. „Aber er wird auf eine Elternschaft treffen, die mehr als glücklich ist, mit ihm gemeinsam zu arbeiten.“

Trotzdem: Ad-hoc-Lösungen wird man auch nicht mit einem Wechsel an der Rathausspitze aus dem Boden stampfen können, das wissen auch die Elternbeiräte. „Es wird keine Wunderheilung geben“, so Schober. Und auch ein Bürgermeister könne an der gesamtpolitischen Situation nicht viele Veränderungen bewirken. „Schreibt an eure Vertreter bei Land und Bund“, rät Daniela Endele deshalb. „Verfasst einen Brief, schildert eure Lage.“ Denn mit dem Personalmangel habe bei Weitem nicht nur Weissach zu kämpfen. „Nur wenn die Basis laut ist, verändert sich etwas.“