Polen hatte seinen Aufbauplan bereits im Mai 2021 eingereicht. Um Geld aus der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) zu erhalten, müssen Mitgliedstaaten einen Plan mit Investitions- und Reformvorhaben vorlegen, der eigentlich innerhalb von zwei Monaten von der Kommission beurteilt werden sollte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte jedoch, dass Polen entscheidende Justiz-Reformen zurücknimmt, um die Unabhängigkeit der Richter wieder herzustellen.
Polen verstößt gegen europäisches Recht
Einer der Knackpunkte war die Disziplinarkammer, die jeden Richter und Staatsanwalt bestrafen und entlassen konnte. Davon hat Polen sich Mitte Juni verabschiedet. Die 2018 eingeführte Kammer am Obersten Gerichtshof war ein Herzstück der Justizreform der nationalkonservativen PiS-Regierung. Im Juli vergangenen Jahres hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Polen damit gegen europäisches Recht verstößt. Weil Warschau sich weigerte, die damalige EuGH-Anordnung zur Disziplinarkammer umzusetzen, verhängte der Gerichtshof schließlich ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von einer Million Euro. Auch am Dienstag ging es in einer mündlichen Verhandlung vor dem EuGH unter anderem um die Disziplinarkammer.
Die Disziplinarkammer wird nun durch eine neue "Kammer für berufliche Verantwortung" ersetzt. Richter, die bisher in der Disziplinarkammer tätig waren, werden in andere Positionen am Obersten Gerichtshof versetzt oder können in den Ruhestand wechseln. Unter allen Richtern des Obersten Gerichtshofs, mit Ausnahme der Präsidenten der Kammern des Obersten Gerichtshofs, werden 33 Personen ausgelost, von denen der Staatspräsident 11 Richter für die Zusammensetzung der neuen "Kammer für berufliche Verantwortung" für eine Amtszeit von fünf Jahren auswählen soll.
Die Einigung auf den polnischen Aufbauplan von Anfang Juni sieht vor, dass Polen nur dann Geld erhält, wenn es verschiedene Zwischenziele umsetzt. "Erst müssen die Meilensteine erreicht werden, dann folgt die Auszahlung der Gelder", sagte von der Leyen. Neben der Abschaffung der Disziplinarkammer sieht der polnische Corona-Aufbauplan vor, dass Richter nicht mehr disziplinarisch belangt werden dürfen, wenn sie den Europäischen Gerichtshof um Auslegung von EU-Recht bitten. Zudem müssen Richter, die bereits von Entscheidungen der Disziplinarkammer betroffen sind, diese Entscheidungen von einem unabhängigen Gericht überprüfen lassen dürfen.