Hildegard und Waldemar Bäuerle sind seit 65 Jahren verheiratet. Das geht nicht ohne Kompromisse.

Leonberg - Wie schafft man es, 65 Jahre glücklich verheiratet zu bleiben? Das Rezept ist ganz einfach: „Liebe. Und Kompromisse. Ohne diese beiden geht es nicht.“ Hildegard Bäuerle, 86 Jahre alt, sitzt am großzügigen runden Tisch, den sie sich für ihre große Familie gewünscht hat, im gemütlichen Wohnzimmer in Höfingen. Gegenüber hat ihr 89 Jahre alter Mann Waldemar Platz genommen. Sie ist der Ruhepol, er ist stets in Bewegung. Beide sind gesundheitlich angeschlagen, aber trotzdem voller Elan und Lebensmut. Ein Paar, das sich nicht hat unterkriegen lassen, obgleich auch schwere Zeiten hinter ihnen liegen.

 

„Ich war 15, als wir uns kennengelernt haben“, erzählt Hildegard Bäuerle, ein feines Lächeln liegt auf ihrem Gesicht. Sie ist 1948 zusammen mit ihrer Familie als Heimatvertriebene aus dem Egerland nach Höfingen gekommen. „Ja“, erzählt ihr Mann weiter, „Hildegard war mit zwei anderen Mädle unterwegs, und wir waren drei junge Kerle. Ich habe sie spontan gefragt, wohin sie denn wollten.“ Ins Kino wollten die Mädle, und die Jungen sind einfach mitgegangen. Die Jubilarin lacht: „Im Kino hat er gleich meine Hand genommen. Aber das ging mir zu schnell.“ Sie haben sich eine Weile aus den Augen verloren, aber nie so ganz, im Dorf begegnete man sich ja immer wieder. Irgendwann gingen die beiden jeden Sonntag nach Ditzingen zum Tanz, und als sie 18 und er 21 Jahre alt waren, konnte der Jubilar über einen Kunden, für den er gebaut hatte, eine Wohnung mieten. Ein großes Glück in jener Zeit, als die Wohnungsnot so groß war wie heute.

Gegen den Willen des Vaters

„Mein Vater wollte mir verbieten, ein Flüchtlingsmädchen zu heiraten. Aber ich habe ihm gleich gesagt, ich heirate, wen ich will!“ Waldemar Bäuerle wird immer noch ein bisschen wütend, wenn er daran denkt. Doch dann lacht er polternd: „Um die Wohnung zu bekommen, mussten wir heiraten, denn ohne Trauschein wollte sie nicht mit mir zusammenleben.“ Auch Hildegard Bäuerle lacht, dieses Ansinnen habe sie entrüstet abgelehnt, stellt sie gleich klar. Also ging es auf den Hochzeitsmarsch, vom Haus der Braut bis zur Kirche, einen Kilometer durch das Dorf. Gefeiert wurde im alten Schweizerhaus.

„Das erste Essen, das ich meinem Mann gekocht habe, war Sauerkraut. Und das ist mir angebrannt. Ich kannte ja die schwäbische Küche nicht“, sagt Hildegard Bäuerle schmunzelnd, und so habe man sich geeinigt: Einen Tag schwäbische, einen Tag egerländische Küche. „Bei Waldemar geht die Liebe schon durch den Magen“, meint die Seniorin liebevoll. Und bemerkt zufrieden, dass die Zwetschgenknödel, die ihr Mann bis dahin nicht gekannt habe, ein Schlager am heimischen Esstisch wurden.

Ehrenamt und Zusammenhalt

Waldemar Bäuerle ist das jüngste von neun Kindern einer alteingesessenen Höfinger Familie und hat mit unermüdlicher Arbeit sein Bauunternehmen aufgebaut. Daneben hat er sich ehrenamtlich und engagiert für das Gemeinwohl eingesetzt, er war viele Jahre im Höfinger Gemeinderat und aktiv im Musik- und im Gesangverein. Er war Kommandant der freiwilligen Feuerwehr, im Vorstand der Kreissparkasse und ist ein Urgestein der Kreisjägervereinigung. Seine Frau Hildegard hat ihm durch das ganze gemeinsame Leben hindurch stets den Rücken freigehalten. „Das Geld verdiene ich, und du schaust nach dem Rest“, hatte Waldemar vor der Hochzeit gesagt, und so haben sie es gehalten. Sie hat die Buchhaltung für das Geschäft übernommen, den Haushalt versorgt, die vier Söhne großgezogen und ist immer für die Enkel und Urenkel da gewesen.

Heute stärkt sich das Paar gemeinsam den Rücken: „Wir helfen uns gegenseitig, so ertragen wir unsere Wehwehchen.“ Wo die beiden alleine nicht weiterkommen, ist die Familie da und hilft. Sie blicken sich an und lachen beide. „Wir lieben uns, so ist es eben!“