Sigrid Hotzy, die Inhaberin von „Sigis Modetreff“, hört auf – nach mehr als 50 Berufsjahren.

Renningen - Mit einem Bauwagen auf dem eigenen Hof, gleich am Ernst-Bauer-Platz, hat alles angefangen. 36 Jahre lang hat Sigrid „Sigi“ Hotzy als Inhaberin eines Kleidungsgeschäfts in Renningen ihre Kunden nicht nur bekleidet, sondern auch begleitet. „Es gibt einige, die kommen seit 20 oder schon seit 35 Jahren zu mir“, erzählt die 75-Jährige. „Sie sagen immer wieder: Das hier ist wie eine große Familie für sie.“ Doch nun ist endgültig Schluss. Am 30. März öffnete „Sigis Modetreff“ am Ernst-Bauer-Platz zum letzten Mal seine Pforten unter Sigrid Hotzys Leitung. Ein Nachfolger ist bereits gefunden.

 

Als Sigrid Hotzy 1983 erstmals in Renningen Kleider verkauft, ist sie schon fast ein alter Hase in dem Geschäft. Zwischen 1967 und 1983 führt die gelernte Einzelhandelskauffrau eine eigene Boutique in Bad Cannstatt. Bereits mit Anfang 20 wagt sie den risikoreichen Schritt in die Unabhängigkeit.

„Der erste Weg führte mich zur Bank“, berichtet sie. 25 000 DM braucht sie damals als Darlehen von der Volksbank, um den Cannstatter Laden zu übernehmen. Dort ist man erst mal skeptisch. „,Glauben Sie, Sie werden das schaffen?’ haben sie mich gefragt.“ Für Sigrid Hotzy ist das gar keine Frage. „Als ich danach draußen vor die Tür trat, da habe ich regelrecht meine Hände geballt und zu mir gesagt: Euch werde ich’s zeigen.“ Und so kommt es dann auch. „Von da an ging es immer bergauf.“

Nach 16 Jahren geht es von Bad Cannstatt nach Renningen

16 Jahre führt sie ihre Boutique in Bad Cannstatt, als irgendwann der Wunsch in ihr aufkommt, in ihrer Heimatstadt Renningen Fuß zu fassen. „Mich hatten auch schon oft Renninger angesprochen, die gesagt haben: Mach doch hier auch ein Geschäft auf, von so etwas gibt es hier viel zu wenig.“ Fast zufällig kommen sie und ihr Mann Gerhard Hotzy eines Tages an einer Baustelle vorbei, auf der ein Bauwagen abgestellt ist. „Da hatten wir die Idee, ob man nicht versuchen könnte, von einem Bauwagen aus zu verkaufen, den wir bei uns im Hof abstellen.“ Gesagt, getan.

Auf dem Gelände der Hotzys startet Sigrid Hotzy Ende 1983 mit einem Kleiderverkauf in einem Bauwagen. Mehr als 80 Kunden kommen zur Eröffnung, erinnert sich Gerhard Hotzy. So manches ist damals noch improvisiert. „Es gab zum Beispiel eine einmal ein Meter große Umkleidekabine, die wir aus Brettern zusammengebaut hatten“, so Gerhard Hotzy. Die Heizung ist über ein Kabel zur Garage angeschlossen. „Da war auch eine Katze, die immer wieder vorbeigeschaut hat, weil es am Ofen so schön warm war“, ergänzt er schmunzelnd.

„Wenn du aufhörst, was sollen wir denn dann machen?“

Erst soll es nur ein Versuch sein, vielleicht für einen Monat, denkt sich Sigrid Hotzy. Aus dem einen Monat aber werden 15. Im April 1985 schließlich eröffnet sie „Sigis Modetreff“ an seinem heutigen Standort. Mittlerweile hat und hatte sie mehr als 1000 Stammkunden, erzählt sie. „Einige haben schon gesagt: Wenn du aufhörst, was sollen wir denn dann machen?“

Von Anfang an, schon in Bad Cannstatt, ist bei Sigrid Hotzy alles ein bisschen anders. „Mein Slogan war immer: Mein Geschäft ist mein Hobby.“ In ihren mehr als 50 Berufsjahren gestaltet sie 56 Modenschauen für ihre Kunden. Dafür deckt sie sich bei einem Besuch in Mailand schon mal mit einem ganzen Haufen an Kleidern ein, die sie dann bei einer ihrer Schauen in Renningen auf dem Laufsteg präsentiert. Und bei einer Schau in Bad Cannstatt, als die Boutique den Standort wechselt, setzt sich ihre Mitarbeiterin als lebensgroße Werbung mit einem Schirm auf ein Pony. „Dafür gab es sogar Polizeischutz, das werde ich nie vergessen“, erzählt Sigrid Hotzy und lacht. Für neue Ideen nimmt sie selbst an Modemessen in ganz Deutschland teil. „Ich wollte nie die gängigen Marken, sondern immer etwas Besonderes.“

Der Sohn tritt in ihre Fußstapfen

Sichtlich stolz ist die 75-Jährige auf ihren Sohn, der als Einzelhandelskaufmann in die Fußstapfen seiner Mutter getreten ist. Schon als kleiner Steppke verbringt er so manche Zeit im Modegeschäft seiner Mama. „Mein Mann arbeitete ja bei Energit, ich war tagsüber also mit Marcel alleine.“ Dank ihrer Mitarbeiterinnen sei das aber kein Problem gewesen, erzählt sie. „Er war dann eben bei uns im Laden.“

Wer Sigrid Hotzy so zuhört, dem wird schnell klar: Leicht fällt ihr der Abschied nicht. Im Gegenteil. „Ich hatte nie einen Moment, in dem ich dachte: Ich will aufhören.“ Die Kunden sind weiterhin da, von 30 bis 80 Jahre ist alles dabei. Die Konkurrenz durch das Internet habe sie nie so stark gespürt. „Die Kundinnen, die zu mir kommen, die wollen bedient werden“, sagt sie und ergänzt: „Ich bin ja hier gegenüber der Post und sehe täglich, was über Amazon geliefert wird – und wie viel wieder zurückgeht.“ Aber mittlerweile sei die Zeit einfach gekommen, zumal sie einen Nachfolger für das Geschäft gefunden habe. Das findet vor allem ihr Mann, den ihr Entschluss einiges an Geduld und Überredungskunst gekostet hat, wie beide schmunzelnd zugeben. „Das wird schon eine große Umstellung“, weiß Sigrid Hotzy. Doch wie ihr Mann nimmt sie es mit Humor und sagt zum Abschied nur: „Ich bin mal kurz weg.“