Eine Mutter macht bei der Einschulung ihres Kindes in der Leonberger Spitalschule ein Foto davon, wie die Erstklässler in gekennzeichneten Vierecken sitzen. Dabei täuscht der erste Eindruck gewaltig.

Altkreis - Am Tag der Einschulung ihres Kindes in der Leonberger Spitalschule kamen Anina Weber (Name geändert) die Tränen, wie sie erzählt – vor Traurigkeit, Wut, Entsetzen. Sie bemerkte, dass auf dem Boden im Theatersaal, wo sich die Erstklässler mit den Schultüten hinsetzten, rot-weiße Markierungen in Form von Vierecken klebten. Ein paar Kinder hatten in jeweils einem Viereck Platz genommen.

 

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Anina Weber ging davon aus, dass wegen Corona die Markierungen für die Abc-Schützen angebracht wurden. Auf Anfrage unserer Zeitung, der ein Foto vorliegt, berichtet sie zunächst: „Das Bild rührt einen zu Tränen. Es hat nur noch der Käfig gefehlt. Für die Kinder hat mir das so leid getan.“ Zumal sie mitbekommen habe, dass dahingehend andere Schulen mit den Erstklässlern „liebevoller“ umgegangen seien. Erst am Abend habe sie wieder über alles nachgedacht. Deswegen sei sie vor Ort nicht aktiv geworden. „Der Tag war aufregend und sollte für mein Kind so schön wie möglich sein.“

Foto landet in einschlägigen Foren

Sie schickte Freunden die im Bild festgehaltene Erinnerung. Prompt landete das Foto im sozialen Netzwerk Facebook. Es wurde mehrfach geteilt, auch in Foren von Corona-Leugnern, Kritikern und Gegnern der Corona-Regeln und -Impfung. Doch es stellt sich heraus: Der Schein trügt. Es ist alles anders, als es auf den ersten Blick aussieht.

Der Schulleiter, der Elternbeirat und die Stadt Leonberg als Träger haben nun klargestellt, dass die Markierungen nicht für die Kinder gedacht waren: Zu Beginn der Pandemie wurden Elternabende und Sitzungen des Elternbeirats in den Theatersaal verlegt. Die Markierungen durch den Hausmeister dienten dem nötigen Abstand zwischen Tischen und Stühlen. „Das war der einzige Anlass für die Markierungen und keine böse Absicht“, betont der Rektor Walter Klisa. Man habe sie gelassen, weil man nicht wisse, ob man sie nochmals brauche.

Kleiner Ausschnitt der gesamten Situation

Die Erstklässler hätten sich von selbst in die Vierecke gesetzt, was sich aber schnell geändert habe, berichtet Walter Klisa weiter. Bei der Einschulung habe sich keiner an den Markierungen gestört, das „Aufbauschen“ im Nachgang überrasche. Das bestätigt ein Vertreter des Elternbeirats, der nach dem Auftauchen des Fotos mit einigen Eltern gesprochen hat. Auch bei der Einschulung im vorigen Jahr seien die Markierungen weder ein Thema noch ein Problem gewesen.

Der Leonberger Rathaussprecher Sebastian Küster nennt es „Quatsch, dass wir Kinder in Vierecke oder Käfige stecken.“ Das Bild sei nur ein kleiner Ausschnitt der gesamten Situation. Hätte man von einer anderen Perspektive fotografiert, hätte es sich völlig anders dargestellt. Das Beispiel zeige, dass man mit Bildern ganz viel anrichten könne, sagt Sebastian Küster. Man werde vorerst weiterhin beobachten, wie sich die Situation entwickele.

„Keine unsinnigen Regeln“

Mit den Informationen konfrontiert sagt Anina Weber auf erneute Anfrage unserer Zeitung, sie habe von den Hintergründen nichts gewusst. Das Foto habe sie gleich am Anfang gemacht. Von der Empore, wo die Eltern saßen, habe sie nicht den direkten Blick nach unten gehabt. Nun sei sie erleichtert.

Auch wenn die Einschulungsfeiern wieder im Zeichen der Pandemie standen, hier deshalb die Bewirtung wegfiel, dort die Aufführung der höheren Klassen, die ersten Klassen nacheinander dran waren und meist nur die Eltern und Geschwister dabei sein durften – in einem sind sich die Schulleitungen einig: „Die Einschulung muss trotz allem ein schöner Tag sein, ohne unsinnige Regeln“, sagt Sascha Annette Sauter von der Heinrich-Steinhöwel-Schule in Weil der Stadt. Bei aller Vorsicht wolle man nicht, dass sich die Kinder einmal daran erinnern, was alles schrecklich war.

Die Schule pflegt mit dem Paten-Modell eine schöne Tradition: Bei der Einschulungsfeier nehmen in den jahrgangsübergreifenden Klassen die Zweitklässler die Neulinge in Empfang. In den homogenen Klassen sind die Viertklässler die Paten. „Die Großen können den Kleinen Halt geben.“

Noch höherer Aufwand und Kraftakt

Konstanze Aßmann sieht sogar Vorteile in zumindest einer pandemiebedingten Änderung: Wird jede Klasse für sich gefeiert, komme man weg von einer Massenveranstaltung, und das einzelne Kind erhalte mehr Raum, sagt die Hemminger Rektorin. In der Gemeinde gibt es die Einschulung in drei Teilen: Am Tag nach dem Elternabend haben die Erstklässler Schnupperunterricht, ehe am Samstag der große Tag ist.

„Bei uns ist die Einschulung ein Fest“, sagt Konstanze Aßmann. Wegen Corona sei der „Marathon“ ein noch höherer Aufwand und Kraftakt. Auch die Eltern würden Wert darauf legen, dass die Regeln beachtet werden. So frage man schon nach, wenn jemand ohne Maske erscheint.