Der Gebersheimer Eberhard Heckeler hat nach der Wende fünf Jahre lang in der Partnerstadt Bad Lobenstein geholfen, eine effiziente Verwaltung aufzubauen.

Leonberg/Bad Lobenstein - Eberhard Heckeler hat sich gestern auf den Weg nach Bad Lobenstein gemacht. An und für sich nichts besonderes, dass ein 80-Jähriger aus Gebersheim die thüringische Partnerstadt besucht. Aber Eberhard Heckeler tut das, weil er beim dortigen Bäcker Christian Höhne die „besten Christstollen, die es gibt“ bestellt hat. Ganz nebenbei ist der ehemalige Gebersheimer Bürgermeister auch Ehrenbürger von Lobenstein, als Anerkennung, weil er hier bereits kurz nach dem Mauerfall Aufbauhilfe geleistet hat.

 

Doch wie ist der pensionierte Leiter des Leonberger Schul-, Kultur- und Sportamtes dazu gekommen und was hat er geleistet? 2006 hat der damalige Bürgermeister Peter Oppel es bei der Verleihung der Ehrenbürger-Würde anschaulich gesagt: „Der Mitwirkung von Eberhard Heckeler in den ersten Jahren nach der Wende ist es zu verdanken, dass bei der Planung der Infrastruktur und beim Aufbau einer effizienten Verwaltung wenig Fehler gemacht wurden, was im Nachhinein gesehen, von unschätzbarem Wert ist.“

Zwischen den evangelischen Kirchengemeinden in Leonberg und in Lobenstein gibt es seit Jahrzehnten intensive partnerschaftliche Beziehungen. „Das auch in den schwierigsten Zeiten, obwohl die Besuche ja nur in die eine Richtung gingen“, erzählt Eberhard Heckeler. So war schon 1985 versucht worden, von Leonberg aus über diese kirchlichen Beziehungen eine formelle Städtepartnerschaft mit Lobenstein einzugehen. Doch der Versuch scheiterte. Lobenstein lag nur wenige Kilometer hinter der Grenze im Sperrgebiet – da galten besondere Sicherheitsvorschriften. „Die Stasi legte den Beteiligten in Lobenstein nahe, davon abzusehen, sonst würde auch die kirchliche Partnerschaft gestoppt“, hat Heckeler später erfahren.

Demonstration Ende 1989 auf dem Lobensteiner Markt. Foto: Archiv
„Da steht es nun, das hässliche Ding im Stadtpark, wir gehen gedankenverloren vorbei, viele Jüngere wissen wahrscheinlich nicht, was der Betonklotz da soll“, sagt Eberhard Heckeler beim Fototermin am Berliner Mauerstück. Dabei sei sie buchstäblich das wahrgewordene Böse und all die menschenfressenden Monster und Ungeheuer aus den Märchen der Kindheit. „Sie ist zum Trauma für Millionen Menschen geworden“, sagt der 80-Jährige. Das sei ihm bei einem Besuch in den 80ern in der Partnerstadt Neukölln nur allzu deutlich geworden, als er, neugierig, einige Schritte zu weit nach vorne gegangen war und die Gastgeber ihn voller Entsetzen gewarnt haben, erinnert sich Heckeler.

Doch die Geschichte wollte es anders. So fragte sein Leonberger Amtsnachfolger, Ekkehard Wulf, Anfang 1990 bei dem 1987 in Pension gegangenen Heckeler nach, ob er sich denn vorstellen könnte, ein wenig in Lobenstein behilflich zu sein. Im Mai 1990 hatte sich dort ein „Runder Tisch“ gebildet, der sich als Bürgerliste für die Kommunalwahl aufstellen wollte. „Es war zwar klar, dass sie die Wahl gewinnen werden – es gab ja sonst keinen – , aber keiner hatte Erfahrungen mit Verwaltung, und keiner war vorher im Rathaus tätig“, erzählt Heckeler im Rückblick.

Fragen über Fragen

Als die Bürgerliste dann die Wahlen gewonnen hatte, sei die Arbeit erst losgegangen. „Es gab Fragen über Fragen“, berichtet Heckeler. Wer wird als Bürgermeister, wer als Stellvertreter aufgestellt? An welchen Kommunal-Verfassungen soll man sich orientieren, um eine neue Verwaltung aufzubauen? Der Verwaltungsfachmann Heckeler bekam im Rathaus ein Zimmer. Hier arbeitete er für die Stadt eine Hauptsatzung und für den Gemeinderat eine Geschäftsordnung aus. Dieser wählte dann den Bürgermeister – nicht die Bürger durch direkte Wahl, wie es in Baden-Württemberg üblich ist. Rudi Tröger wurde in Lobenstein zum Bürgermeister gewählt, das Amt des Stellvertreters trat Peter Oppel an. Das Rathaus verlassen musste aus der alten Verwaltung nur, wer sich zu stark mit dem alten Regime identifiziert hatte. „Die Devise war damals, wer für die Stadt Gutes tun will, mit dem reden wir“, erinnert sich Heckeler.

Erinnerungen an Bad Lobenstein

Fast fünf Jahre lang ist Heckeler Woche für Woche nach Lobenstein gependelt, von Montag bis Freitag war er da. „Um zuhause anzurufen, musste ich 15 Kilometer nach Nordhalben in Franken fahren, wo vor der Bäckerei eine Telefonzelle stand, denn in Lobenstein gab es – selbst im Rathaus – so gut wie kein Telefon“, erinnert sich Heckeler. Durch Zufall ist er vor einigen Jahren dem Bäcker aus Nordhalben begegnet und so kam das Gespräch auch auf die Christstollen. „Er hat mir gesagt, dass er selbst keine mehr bäckt, denn gegen die von Höhne in Lobenstein komme er nicht an“, fühlt sich Eberhard Heckeler darin bestätigt, dass es sich lohnt, jedes Jahr die winterliche Fahrt nach Thüringen zu unternehmen.

„Ich habe nur beraten und im Gemeinderat immer im Publikum gesessen“, sagt Heckeler. Und das wusste man zu schätzen. Auf die „Ostzulage“, die ihm für eine solche Tätigkeit zugestanden hätte, habe er gerne verzichtet, so Heckeler. Die höchste Belohnung sei das entgegengebrachte Vertrauen gewesen. „Den Menschen wurde unser System übergestülpt und sie hatten großes Vertrauen, dass nur Gutes kommt. Aber leider wurden sie von vielen nicht zu knapp enttäuscht“, weiß Heckeler um die Zeit nach der Wende.

Die Bracke ist das Wappentier der Stadt Bad Lobenstein Foto: Archiv
Schön sei es gewesen, wie die kommunale Selbstverwaltung und das Selbstvertrauen gewachsen sei, meint Heckeler im Rückblick. Etwa als Investoren, die den Handel auf der grünen Wiese ansiedeln wollten, habe es ihn mit Stolz erfüllt, als der Bürgermeister ihnen klar machte, dass die Gemeinderäte „keine Knechte sind und das Landratsamt nur eine Aufsichtsbehörde“, erzählt Heckeler. „Das hat die alte Lobensteiner Innenstadt und den Handel hier gerettet.“

Das Beglückende an der Zeit des Aufbaus in Lobenstein seien auch die vielen persönlichen Kontakte gewesen. Sie dauern bis heute an und so trifft sich Heckeler unter anderem mit dem ehemaligen Bürgermeister Peter Oppel, der jetzt unter anderem auch stellvertretender Landrat ist. „Auch wenn ich heute vorbeikomme, kommen die Menschen auf mich zu und sprechen mich an. Wahrscheinlich war mein Umgang der richtige und ich werde noch gern gesehen. Ich bin wohl nicht der Besserwessi gewesen, sondern der Freund, der dazu gehört“, sagt Eberhard Heckeler.