Belgien gilt als Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel. Nun sollte offensichtlich sogar der Justizminister entführt werden.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Niemand glaubt an einen Zufall. Die Polizei hat in Antwerpen mit einem Großaufgebot mehrere Häuser durchsucht. Bei einem Schusswechsel kam dabei offenbar ein Mensch ums Leben. Nach Informationen des belgischen Fernsehsenders RTBF gebe es Verbindungen zu einem kurz zuvor vereitelten Entführungsversuch des belgischen Justizministers Vincent Van Quickenborne. Der Politiker ist in Belgien überaus populär, auch weil er der ausufernden Drogenkriminalität den Kampf angesagt hat. Er stattete etwa die Behörden mit mehr Personal aus, schuf eine neue Ermittlungsbehörde für den Hafen und schloss einen Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ab. Dafür sollte er offenbar büßen.

 

Versuchte Entführung eines Ministers

Die belgische Staatsanwaltschaft gibt sich in der Sache zugeknöpft. Sie gibt nur so viel Preis, dass sie Mitte vergangener Woche „über eine mögliche Bedrohung“ Van Quickenbornes informiert worden sei. „Die ersten Ermittlungen zeigten schnell, dass diese Bedrohung ernst genommen werden musste,“ heißt es weiter. Bei einer Kontrolle wurde schließlich nahe des Wohnhauses des Ministers ein Auto mit niederländischem Kennzeichen durchsucht. Im Kofferraum wurden Kalaschnikows und Benzinflaschen entdeckt. Überraschend schnell kamen die Ermittler auf die Spur der Verdächtigen, die in den Niederlanden festgenommen werden konnten.

Die Männer haben nach Angaben der Polizei Verbindungen ins Drogenmilieu, was für die Ermittler keine Überraschung war. Belgien mit seinen knapp über elf Millionen Einwohnern ist zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Drogen in Europa geworden. Diese kommen am Hafen von Antwerpen an und werden von dort aus über den Kontinent, nach Asien, in den Nahen Osten oder auch nach Australien verteilt. Der zweitgrößte Einfuhrhafen für Kokain ist Rotterdam.

Drogenbanden nutzen Häfen als Drehscheibe

Die Häfen in Belgien und den Niederlanden sind für die internationalen Drogenbanden sehr attraktiv, immer wieder wird die Polizei dort bei Razzien fündig. Die Ermittler wissen allerdings, dass ihnen lediglich die kleinen Fische ins Netz gehen und das Geschäft mit Drogen weiter floriert.

Die Polizei beklagt immer häufiger, dass ihnen die Bandenmitglieder regelrecht auf der Nase herumtanzen würden. Die agieren längst nicht mehr im Verborgenen und in manchen Vierteln von Antwerpen werden die Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Gruppen auf offener Straße ausgetragen. Immer wieder kommt es zu Schießereien, Sprengsätze explodieren, Beobachter sprechen von einem regelrechten Drogenkrieg.

Die Kriminellen werden immer brutaler

Doch nicht nur die immer brutaler agierenden Banden bereiten den Sicherheitsbehörden Probleme. Die kriminellen Netzwerke sind längst grenzüberschreitend verwoben, was die Ermittlungen häufig erschwert. Auch die vier Hauptverdächtigen für die vereitelte Entführung des belgischen Justizministers sind Niederländer. Sie wurden in der Region Den Haag festgenommen und sollen ausgeliefert werden.

Vincent Van Quickenborne, der immer wieder die öffentlichen Auftritte gesucht hat, ist vorerst untergetaucht. Zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern steht der Politiker an einem unbekannten Ort unter Polizeischutz. „In unserem Rechtsstaat werden wir uns niemals der Gewalt beugen, niemals“, sagte er aus seinem Versteck heraus.