Doris Schmidt-Welker aus Weissach hat ihr Leben dem Naturschutz verschrieben. Nicht nur den Kampf gegen Zement-Multis hat sie mit Mitstreitern einst gewonnen.

Weissach - Vor einem mächtigen Walnussbaum verharrt Doris Schmidt-Welker für einen Augenblick: „Erst sollte hier eine Verladerampe hin, später ein Golfhotel mit Parkplätzen.“ Es ist Mittwochvormittag, ein kalt-nasser Dezembertag. Über der Landschaft hängt ein bleierner Himmel – grau in grau. Und doch verströmen die Wiesen und Äcker, die hier strukturreich durch Hecken und Streuobstbäume unterbrochen sind, in diesem Moment ein harmonisches Bild. „Da leben, je nach Jahreszeit, Neuntöter, Baumfalken und Dorngrasmücke“, sagt die Weissacher Naturschützerin.

 

Als sie ein paar Schritte später die Eisenbahnlinie der Strohgäubahn erreicht, die hier die Felder kreuzt, beschreibt der ausgestreckte Arm der 74-Jährigen einen Halbkreis: „Die Gewanne Bonlanden, Hoher Acker und Winterrain. In den 80er Jahren wollte Heidelberger Zement das alles zuerst in einen Steinbruch zum Schotterabbau verwandeln. Und als das verhindert wurde, einen mehr als 60 Hektar großen Golfplatz bauen.“ Kurz zuvor, 1987, hatte Doris Schmidt-Welker und einige Mitstreiter die „BUND“-Ortsgruppe Weissach gegründet und war deren langjährige Vorsitzende. Auch die Gründung der Unabhängige Liste, für die sie im Gemeinderat saß, geht auf dieses Ereignis zurück. Den Kampf gegen den Zement-Multi haben Doris Schmidt Welker und andere engagierte Bürger schließlich gewonnen.

Mit zwölf das erste Buch von Albert Schweitzer gelesen

Doch anders, als die Aktivisten es forderten, ist die Fläche am Rand zur Heimerdinger Gemarkung nie zum Naturschutzgebiet erklärt worden. „In meiner Kindheit standen entlang des Schlupfbachs, wo heute Äcker sind, noch uralte Weiden“, erinnert sich die streitbare Rentnerin, die in der Nachbargemeinde aufgewachsen ist. „Damals sei die Oma immer mit einem Ochsengespann herübergefahren, um hier Heu zu machen.“ Da sei sie oft dabei gewesen. „Mit zwölf habe ich dann mein erstes Buch von Albert Schweitzer gelesen“, erzählt sie. Damals, in jungen Jahren, sei unter der Lektüre von Schweitzers Schriften ihre „Ehrfurcht vor jedem Leben“ – ein Leitsatz des Philosophen – gewachsen. Sie war so beeindruckt von den Lehren des „Urwaldarztes“, dass sie ihm sogar schrieb und zwei Briefe aus Lambaréné als Antwort erhielt. Für Doris Schmidt-Welker, die als junge Frau in Norddeutschland eine Ausbildung zur Gemeindediakonin absolviert hat, ist seitdem jedes Leben auf dieser Erde heilig. Die Frage, ob diese Liebe zur Natur auch aus ihrem Glauben erwuchs, lässt Doris Schmidt-Welker kurz zögern. Dann sagt sie: „Ja, sicher. Wenn Jesus gesagt hat ‚Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan‘, dann sage ich, die geringsten Brüder, das ist die Natur – und wir kasteien sie.“ Das Schwein im Stall, das Huhn, die Biene oder der Baum – all das sei ihr heilig. „Und all das ist inzwischen fragil.“

Dass Weissach heute von vielen kleinen Naturdenkmalen umgeben ist, ist dem Engagement der BUND-Ortsgruppe zu verdanken, zu der Doris Schmidt-Welker von Anfang an gehörte. So viel Engagement für die Natur habe aber auch zu Anfeindungen geführt, erzählt sie. Auch, dass sie sich einst gegen den Bau einer Ortsumfahrung ausgesprochen hat, gefiel nicht jedem. „Jetzt soll auf der Gemarkung von Weissach wieder ein Neubaugebiet ausgewiesen werden“, sagt sie und fügt hinzu: „Auf diese Weise frisst man die Zukunft der Kinder.“ Dieser weit verbreitete Umgang mit der Natur, der die Landschaft einem Nutzendiktat unterordnet, war es auch, der sie bereits in jungen Jahren schockiert hat.

In den 70ern wurde alles gnadenlos gefällt

„Damals war Heimerdingen eine der ersten Gemeinden, in denen die Flurbereinigung der 70er Jahre umgesetzt wurde“, erinnert sich die Weissacherin, die 1976 in die Heckengäugemeinde zog. Der Kahlschlag geschah während ihrer Ausbildung in Norddeutschland. „Damals wurde gnadenlos alles gefällt, alle Hecken, alle Bäume.“ Als sie zurückgekommen sei, war die alte Heimat weg. Im Rückblick sagt sie heute noch: „Das war ein einschneidendes Erlebnis.“

Die Führung der Ortsgruppe des BUND hat sie längst abgegeben. Der Natur „zu ihrem Recht zu verhelfen“, das macht sie inzwischen vor allem in ihrem großen Garten in Heimerdingen. Damit sich dort Vögel und andere tierische Gartenbewohner wohlfühlen, ist der zwar wilder, als es manchem Nachbarn lieb ist. Doch für Doris Schmidt-Welker ist er so, wie er ist, genau richtig: „Ich habe Eidechsen, Blindschleichen, den Igel und meine Vögel: Ich kann nicht leben ohne. Das sind meine bedürftigen Brüder.“