Der Ditzinger Laserspezialist packt angesichts der weltweiten Lieferkettenprobleme die Seefracht selbst an. Er chartert ein eigenes Containerschiff, das zurzeit in die USA fährt.

Das Hochsee-Containerschiff, das momentan Richtung New Jersey schippert, heißt „Arneborg“. An Bord: 49 Laserschneidmaschinen und Produktionsteile im zweistelligen Millionenbetrag des Ditzinger Laserspezialisten Trumpf. Das Hochsee-Containerschiff ist 122 Meter lang und hätte auch Platz für 480 Lastwagen.

 

Dass Fracht über das weite Meer von A nach B gelangt, ist üblich. Besonders in diesem Fall ist allerdings, dass der Maschinenbauer als eines der ersten Industrieunternehmen Deutschlands über ein Logistikunternehmen ein eigenes Hochsee-Containerschiff gechartert hat. Nachdem Schwerlastkräne die „Arneborg“ im Hamburger Hafen beladen haben, ging am Mittwoch vor einer Woche ihre lange Fahrt los. Laut dem Ditzinger Unternehmenssprecher Manuel Thomä sind aus dem Strohgäu vier Laseranlagen auf dem Schiff. „Diese Anlagen sind mit dem Lkw nach Hamburg gekommen.“

Voraussichtlich am 2. August erreicht die „Arneborg“ New Jersey. Nach den Niederlanden und vor Deutschland sind die USA für Trumpf mit 655 Millionen Euro Umsatz der zweitgrößte Absatzmarkt – und trotz aller Widrigkeiten boomt die US-Wirtschaft. Auch zählt Trumpf als Hersteller von Laseranlagen in Deutschland zu den größten Beförderern übergroßer Ladungen in die USA.

Lieferzeiten als zunehmender Wettbewerbsfaktor

Vor dem Hintergrund brüchiger Lieferketten, des Kriegs in der Ukraine und dichter Häfen in China wegen Corona sei es derzeit schwer, Güter auf den Seeweg zu bringen – was auch für die USA gelte. Die Logistikkosten würden steigen, Schiffe wochenlang vor den Häfen warten, um be- und entladen zu werden. Dem entgeht das Familienunternehmen Trumpf nun, indem es die Seefracht in die USA selbst in die Hand nimmt.

So entscheidet es zum Beispiel selbst über die Route des Frachtschiffs, weshalb es nicht die klassischen Terminals anläuft, sondern Nebenterminals, und vor den Häfen lange Wartezeiten entfallen. Die Maschinen erreichen dadurch um bis zu vier Wochen schneller ihr Ziel. „Die Lieferketten auf der ganzen Welt sind seit mittlerweile rund zwei Jahren angespannt, Lieferzeiten entwickeln sich mehr und mehr zum Wettbewerbsfaktor“, sagt Frank Nesselberger, bei Trumpf in Ditzingen für die globale Maschinenlogistik verantwortlich. Die aktuelle Situation erfordere daher kreative Lösungen. „Es klang zunächst abwegig, als Hochtechnologieunternehmen ein eigenes Hochsee-Containerschiff zu chartern.“ Doch die Logistikkosten würden sich für den Mittelständler rechnen. Zahlen nennt er keine.

Vor Ort am Hafen die Verladung überwacht

Nesselberger sagt, seit dem Beginn der weltweiten Lieferkettenprobleme würden die Logistiker am Firmensitz und in den betroffenen Ländergesellschaften vor allem in Übersee permanent die Folgen für aktuelle Lieferungen prüfen und passende Lösungen suchen. Kleinere Produkte oder Komponenten ließen sich auch mal per Flugzeug transportieren. „Mit unseren großen Produkten geht das aber leider oft nicht.“ Die Charter-Lösung biete eine gewisse Freiheit, gehe aber auch mit einer höheren Komplexität in der Abwicklung der Fracht einher. „Unterschiedliche Maschinen, Anlagen und Komponenten aus dem gesamten europäischen Produktionsnetzwerk von Trumpf mussten zu einem bestimmten Termin im Hafen bereitstehen“, sagt Frank Nesselberger. Das habe man nur durch einen „erheblichen“ Koordinationsaufwand des Teams auffangen können. „Wir waren sogar persönlich zur Überwachung der Verladung vor Ort.“

Bis zu 90 Prozent der Schiffe unpünktlich

Ob sich die Lage zeitnah entspannt? Frank Nesselberger befürchtet: nein. Stark betroffen von Kapazitätseinschränkungen und steigenden Preisen seien die interkontinentalen See- und Luftfrachtverbindungen. „Ausgehend von den pandemiebedingten Einbrüchen in China trafen die Auswirkungen davon zunächst Amerika und jetzt Europa.“ Fahrpläne würden nicht mehr gelten, bis zu 90 Prozent der Schiffe unpünktlich ankommen, kurzfristig Transportmöglichkeiten gestrichen. Container flössen weder see- noch landseitig ab, Leergut werde knapp. „Das Ergebnis ist eine aktuelle Überlastung der Containerterminals in Deutschland und Europa.“

Im vergangenen Jahr hatten in den USA bereits Konzerne wie Coca-Cola, Walmart und Ikea eigene Frachtschiffe gemietet.

Trumpfs Auftragsbücher sind voll

Zugelegt I
 Nach vorläufigen Zahlen setzte der Ditzinger Laserspezialist Trumpf im vergangenen Geschäftsjahr 4,2 Milliarden Euro um – ein Plus von 20 Prozent. Trumpf hat damit nach der Corona-Flaute wieder zugelegt. Im vorherigen Geschäftsjahr stagnierte der Umsatz noch bei 3,5 Milliarden Euro. Zuvor war dieser unter dem Einfluss des ersten Corona-Jahres leicht gesunken.

Zugelegt II
Der Auftragseingang stieg nach Angaben des Familienunternehmens um 42 Prozent auf rund 5,6 Milliarden Euro, nach 3,9 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Damit blieb Trumpf etwas unterhalb der eigenen Erwartungen. Im Januar hatte das Unternehmen noch mit einem Plus von 50 Prozent gerechnet. Insgesamt hat Trumpf 16 500 Mitarbeitende, am Ditzinger Stammsitz sind es 4800 Beschäftigte. Mit mehr als 70 Tochtergesellschaften ist die Gruppe in fast allen europäischen Ländern, in Nord- und Südamerika sowie in Asien vertreten. Produktionsstandorte befinden sich in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und der Schweiz, in Polen, Tschechien, den USA, Mexiko und China.