In der Korntaler Christuskirche diskutieren Vertreter beider Richtungen bei einer Podiumsdiskussion der SportRegion Stuttgart über die Chancen einer verstärkten Zusammenarbeit. Denn die Problemfelder sind teilweise die gleichen.

Korntal-Münchingen - Samuel Hartmann hat das Problem gleich zu Beginn auf den Punkt gebracht: „Das Thema Sport kommt in der Kirche zu kurz.“ Der Pfarrer aus Pleidelsheim war am Mittwochabend in der Evangelischen Christuskirche in Korntal einer von vier Gästen beim 17. Sport Talk der SportRegion Stuttgart. Die von der NDR-Fernsehmoderatorin Valeska Homburg geleitete Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „Kirche und Sport – Hand in Hand gemeinsam in die Zukunft?“.

 

Rund eine Stunde lang diskutierte Homburg mit Hartmann, dem Bürgermeister aus Korntal-Münchingen und Vorstandsmitglied der SportRegion, Joachim Wolf, dem evangelischen Oberkirchenrat Dan Peter und dem Landesjugendreferenten des evangelischen Jugendwerks Württemberg, dem Malmsheimer Henrik Struve, über Möglichkeiten, den Sport und die Kirche effektiver zu verbinden.

Die Moderatorin Valeska Homburg eröffnete die Diskussion mit einer Statistik, die die zurückgehenden Mitgliederzahlen der Kirche, das ansteigende Durchschnittsalter und vor allem die Probleme, Jugendlichen einzubinden, aufzeigte. Ähnliche Sorgen haben auch die Vereine. Das hänge, da waren sich die Teilnehmer einig, nicht nur mit dem demografischen Wandel sondern auch mit der zunehmenden Individualisierung zusammen. „Die Jugendlichen von heute wollen sich zeitlich nicht mehr binden. Aus diesem Grund erfreuen sich beispielsweise Fitnessstudios immer größerer Beliebtheit“, so Peter. Durch Terminkollisionen nehmen sich Kirche und Sport mögliche Mitglieder gegenseitig weg. „Viele Jugendliche entscheiden sich sonntagmorgens eher für den Sportplatz als für den Gottesdienst“, sagte der amtierende Indiaca -Weltmeister Struve.

Keine Zeit für eine Bindung an Kirche oder Verein

Auch die steigende berufliche Fluktuation steht laut Wolf der Identifikation mit einer Kirchengemeinde oder einem Verein im Weg. „Familien wohnen heutzutage oft nur zwei oder drei Jahre an einem Ort. So entsteht keine Bindung, denn die braucht Zeit.“ Der Kirche und den Clubs ist gemein, dass sie von Kindern durch die Taufe beziehungsweise den Eintritt in einen Verein großen Zuwachs erfahren, diese als Jugendliche aber zunehmend abspringen.

Um diesen Ursachen entgegenzuwirken, hat die Kirche stärker den Kontakt zum Sport gesucht. Seit Jahren findet bei den großen Fußballturnieren ein von der Kirche veranstaltetes Public Viewing in der Stuttgarter Innenstadt statt. „Menschen suchen Erlebnisse und das Gemeinschaftsgefühl, sie wollen unter Leuten sein und gemeinsam jubeln. Dabei kommen wir in Kontakt mit Leuten und diese kommen in Berührung mit der Kirche“, sagte Peter und ergänzte, dass davon beide Seiten profitieren können. „Vor allem bei sportethischen Themen macht eine Zusammenarbeit Sinn, weil das beide Parteien betrifft. Die Kirche kann auch von der integrativen Wirkung und dem Gemeinschaftsgefühl des Fußballs profitieren.“

Im Gegenzug könnten Sportler auch von der Kirche profitieren. „Aus dem Glauben kann man die Kraft ziehen, um Niederlagen oder Rückschläge besser zu verkraften“, meinte Wolf und bekam dafür Zustimmung von Hartmann. Dieser hat sich die integrative Wirkung des Sports zunutze gemacht und in Pleidelsheim die Fußballmannschaft FC Doppelpass gegründet, die sich um die Integration von Flüchtlingen kümmert.

Sport als Plattform für gesellschaftliche Probleme

Doch die Kooperation zwischen Kirche und Sport hat auch ihre Grenzen. Die Teilnehmer sind sich einig, dass gesellschaftliche Probleme nicht auf diese Weise gelöst werden können. Auch die zunehmende Gewaltbereitschaft auf Sportplätzen hat andere Ursachen. „Der Sport wird zunehmend als Plattform für gesellschaftliche Probleme benutzt. Die Bekämpfung muss früher ansetzen, das ist Aufgabe der Eltern und der Schulen, die ein gewisses Wertesystem vermitteln müssen“, sagte Wolf.

Laut Peter könnten Kinder und Jugendliche im Verein dennoch lernen, Gewalt zu kanalisieren. Dazu trügen das Gemeinschaftsgefühl, die klaren Regeln und die Gebote der Fairness einen gewissen Teil bei. Auch die Werte, die die Kirche vermittelt, könnten positiven Einfluss darauf nehmen. Gelöst würde dieses Problem dadurch allerdings nicht.

Die Kooperation zwischen Sport und Kirche steckt noch in den Kinderschuhen. Die Entwicklung zeigt aber in Richtung verstärkter Zusammenarbeit. Das Potenzial, das haben die Diskussionsteilnehmer in der Korntaler Christuskirche deutlich gemacht, ist groß.