Wie Gerlingen müssen viele Kommunen in Sachen Digitalisierung derzeit eine echte Doppelbelastung meistern.

Mitten im Prozess der Digitalisierung der Schulen will das Land die zentrale Internet-Infrastruktur abschalten. Das Landeshochschulnetz BelWü (Baden-Württemberg extended LAN) hat diesen Service bislang auch für die Schulen bereitgestellt. Vom 1. August an haben sie keinen Zugang mehr zu den Dienstleistungen. Der Fall Gerlingen zeigt: Die Auswirkungen für die Kommunen sind gravierend.

 

In der Strohgäu-Stadt arbeitet die Verwaltung aktuell mit Hochdruck an der weiteren digitalen Ausstattung der Bildungseinrichtungen. Doch nicht weniger groß ist in Gerlingen derzeit die Baustelle, die der absehbare Verlust der digitalen Dienste des Landes verursacht.

Es sind denn auch leuchtend gelbe Baustellen-Schilder, die Daniel Greuter, der zuständige IT-Fachmann in der Gerlinger Stadtverwaltung, plakativ unter das Stichwort „BelWü“ setzt. Ob Breitwiesen-, Pestalozzi-, Wald-, Realschule oder Robert-Bosch-Gymnasium – die Präsentation, mit der die Stadtverwaltung nun den Gemeinderat über den Stand der Umsetzung der Digitalisierungsoffensive an Gerlinger Schulen informiert, macht eines deutlich: Noch längst sind nicht für alle IT-Dienstleitungen, die bislang das Landeshochschulnetz BelWü zur Verfügung stellt, geeignete Alternativen gefunden. BelWü steht für „Baden-Württembergs extended LAN“ und ist das Datennetz der wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes Baden-Württemberg.

Überall Baustellen

Doch die Zeit drängt. „Wir haben da in jeder Schule noch Baustellen“, räumt Greuter ein. So zum Beispiel bei der Frage, wie künftig der Jugendschutzfilter gewährleistet sein soll. Spätestens, wenn dieser von BelWü abgeschaltet wird, müssen neue Lösungen her. Das Problem: Nicht nur hierfür liegt der Stadt noch kein entsprechendes Angebot des beauftragten IT-Dienstleisters vor.

Kein Einzelfall: So warnte die Bildungsgewerkschaft GEW kürzlich explizit davor, dass der Zwang der Schulen, neue Internetprovider zu suchen, dazu führen könnte, „einen gleichwertigen Ersatz für den bislang bereitgestellten Jugendschutzfilter zu bekommen“. Die bereits im vergangenen Jahr angekündigte Abschaltung der Landes-Dienste für Schulen hatte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst unter anderem mit „veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen“ begründet. Zudem sollte das Wissenschaftsnetz auf die Anforderungen der Wissenschaft optimiert werden. Seitdem laufen nicht nur die Bildungs- und Lehrerverbände Sturm.

Fristen einhalten

Aktuell steht nun Ende Juli, so BelWü, neben der „Einstellung Unterstützung E-Mailserver im lokalen Netz der Schule“ auch die „Einstellung Anbindung pädagogisches Netz beziehungsweise Schulverwaltungsnetz über DSL/Kabel“ bevor. „Wir müssen die von BelWü gesetzten Fristen einhalten“, erklärt Greuter. Ansonsten, so versichert der zuständige Experte in der Gerlinger Stadtverwaltung, würden die Schulen bald ohne Homepage, E-Mail-Adresse oder Datenablage dastehen.

Gleichzeitig müssen in Gerlingen bis Ende Juni auch die Schulkarteien auf die sogenannte Amtliche Schulverwaltung Baden-Württemberg (ASV-BW) umgestellt werden. Hiermit können Lehrer zukünftig beispielsweise datenschutzkonform Noten von Zuhause direkt in das System übertragen.

Anbindung ans Glasfasernetz

Meistern muss Gerlingen im Rahmen des Digitalpakts auch die Anbindung der Schulen ans Glasfasernetz, den Aufbau eines internen Schulverwaltungsnetzes und die Versorgung der Schulgebäude mit WLAN. Glasfaser fehlt bislang in drei von fünf Gerlinger Schulgebäuden. Ausgestattet werden die Schulen außerdem mit digitalen Tafelsystemen und weiteren neuen mobilen Endgeräten. Auch die Erarbeitung eines eigenen Supportkonzepts für digitale Geräte steht aus.

Insgesamt werden in Gerlingen für die Umsetzung des Digitalpakts sowie der Zusatzprogramme, die schnelle Lösungen liefern sollen, mehr als 1,1 Millionen Euro veranschlagt. Rund 80 Prozent davon übernimmt der Bund. Obwohl die Anträge bereits im März versendet wurden, wartet Gerlingen noch auf den Förderbescheid.

Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos) betonte derweil, dass der Umfang der anstehenden Aufgaben gewaltig sei: Gerlingen werde am Ende an den Schulen eine IT-Struktur betreiben, die drei Mal so groß ist wie die der Stadtverwaltung.