Vor 90 Jahren ist auf dem Engelberg ein Turm gebaut worden, der heute Wahrzeichen der Stadt ist.

Leonberg - Immer wieder taucht die Bezeichnung alter Golfplatz am Engelberg auf. Doch einen Golfplatz gibt es hier schon lange nicht mehr. Doch dafür steht hier noch etwas, das die Ansiedlung des damaligen Stuttgarter Golfclubs Solitude erst möglich machte: Der Engelbergturm.

 

Er ist das Wahrzeichen der Stadt und trennt im offiziellen Logo das „Leon“ und das „berg“ mittendurch. Der Engelbergturm thront nun seit 90 Jahren über den Dächern von Leonberg. 1928 wurde er als Wasserspeicher gebaut. Seit 1953 ist er ein reiner Aussichtsturm.

Hoher Bedarf an Wasser

Der Leonberger Hausberg, der Engelberg, ist schon seit dem 19. Jahrhundert ein beliebtes Ausflugsziel für die Bürger der Stadt. In einer kleinen Hütte betreibt Bäcker Gottlob Mundinger bereits 1904 eine kleine Sommerwirtschaft und versorgt die Wanderer mit Speis und Trank. In der Nähe liegt die Forchenrainsiedlung. Oben auf der Heide hat auch der neu gegründete Stuttgarter Golfclub Solitude mit seinem ersten Präsidenten Georg von Doertenbach ein Domizil gefunden, wo die Club-Mitglieder die ersten Bälle auf dem neuen Neun-Loch-Platz abschlagen.

Um die Versorgung der Forchenrainsiedlung und den erheblichen Wasserverbrauch der Golfanlage zu gewährleisten, hat der Gemeinderat bereits 1927 darüber nachgedacht, auf dem höchsten Punkt der Stadt einen Wasserturm zu bauen. In einer Gemeinderatssitzung schlug der Oberbaurat Groß vor, den geplanten Wasserturm für zusätzliche 6000 Mark gleichzeitig als Aussichtsturm auszubauen. Die Räte stimmten diesem 32 000 Reichsmark teuren Projekt zu – die Kosten waren am Ende allerdings mit 42 000 Reichsmark höher als geplant. Der erste Spatenstich war im Oktober 1927.

Der Turm wurde mit Backsteinen gemauert. Deshalb suchte die beauftragte Stuttgarter Firma Richard Albrecht auch noch dringend sechs bis acht Maurer und gab im „Leonberger Tagblatt“ eine Anzeige auf. Im Februar 1928 war bereits der Rohbau fertig. Ein beeindruckendes Werk: Im Durchmesser misst der Turm sieben Meter, vom Boden bis zur Spitze 34,7 Meter. Er zählt sechs Stockwerke, wobei im fünften der Wasserbehälter mit einem Volumen von 72 000 Litern untergebracht ist.

Ein Redakteur des „Leonberger Tagblatts“ durfte vor der offiziellen Eröffnung einen Blick von der Plattform werfen und schwärmte über die grandiose Aussicht, die sich ihm aus 506 Meter Höhe bot: „Vom Schwarzwald sehen wir in leichten Konturen noch die Höhen um den 988 Meter hohen Hohlohkopf. Im Norden reicht der Blick bis zum Odenwald, von dem man den Katzenbuckel erkennen kann.“ Weiter erkannte er Löwensteiner- und Murrhardter Waldberge, Hohenrechberg, Hohenstaufen sowie die Kette der Schwäbischen Alb.

Großes Interesse bei der Eröffnung

An Ostern war es dann so weit: Großer Andrang bei der Eröffnung. 648 Erwachsene und 149 Kinder mühten sich die 123 Stufen hinauf und wurden mit einer herrlichen Aussicht belohnt. Kostenlos war dieses Vergnügen nicht: Erwachsene zahlten 20 Pfennige, Kinder die Hälfte. Das Interesse nahm in den folgenden Monaten keineswegs ab. Im Gegenteil. Im ersten Jahr lockte die neue Attraktion gut 7500 Menschen nach Leonberg. Der Hüttenbetreiber witterte gar seine große Chance und wollte ein Wirtschaftsgebäude errichten. Nach langen Diskussionen verschwanden diese Pläne jedoch wieder in der Schublade.

Der Wasserbedarf der Menschen ist mit den Jahren gestiegen. Der Behälter im Turm reichte nicht mehr aus. Deshalb wurde 1953 ein neuer und größerer unterirdischer Behälter in der Nähe gebaut. Der herrliche Blick von der Aussichtsplattform ist geblieben, doch ist es ruhiger geworden um den einstigen Publikumsmagneten.

Führung

Geschichten
Am Sonntag, 8. April, steht der Engelbergturm im Blickpunkt der Veranstaltungsreihe „Kennen Sie Leonberg?“. Denn genau vor 90 Jahren, am 8. April 1928, wurde der Aussichtsturm erstmals für Besucher geöffnet. Die Hobbyhistorikerin Ingeborg Hertig erzählt auf ihrem Rundgang Geschichte(n) zum Engelberg, zum Festplatz und zu beiden Türmen. Der Treffpunkt ist um 14.30 Uhr am Engelbergturm.

Geschichte
Der Engelberg spielte in der Landesgeschichte eine bedeutende Rolle. 1514 haben sich hier unzufriedene Bauern aus der Region im Aufstand des „Armen Konrad“ versammelt. Viele Feste wurden auf dem Engelberg gefeiert, mehr als 150 Jahre lang auch das Kinderfest. Der kleine Engelbergturm, ehemals Hochwacht, verschwindet fast neben seinem großen Bruder. Auch er war einmal Wahrzeichen der „Stadt unter dem Engelberg“.