Ein neues Gutachten stellt den Dichter als glühenden Nazi-Verehrer dar. Der Gemeinderat beschließt die Umbenennung der Schule. Die beiden Straßennamen bleiben, werden aber mit Informationstafeln versehen.

Leonberg - Die August-Lämmle-Schule in Leonberg bekommt einen neuen Namen. Die beiden Straßen, die nach dem wegen seiner Nähe zum Naziregime umstrittenen schwäbischen Mundartdichter benannt sind, werden nicht umbenannt. Doch der August-Lämmle-Weg im Ramtel und die Lämmle-Straße in Warmbronn erhalten Informationstafeln, auf denen der historische Hintergrund des Literaten erläutert wird. Aus der Liste der Leonberger Ehrenbürger wird August Lämmle gestrichen, ohne dass dabei verschwiegen wird, dass er diesen besonderen Titel zu Lebzeiten inne hatte.

 

Das sind die Ergebnisse, die der Gemeinderat am Donnerstagabend nach einer sachlichen Debatte mit großer Mehrheit beschlossen hat. Grundlage für das Votum ist ein aktuelles Gutachten des Münchener Historikers Peter Poguntke, das die Stadt in Auftrag gegeben hatte. Über den neuen Namen der Ganztagsschule wird die Schulkonferenz befinden, der Lehrer, Eltern und Schüler angehören.

Was bisher geschah

Der Dichter und Volkskundler kam 1944 nach Leonberg, nachdem er seine Wohnung in Bad Cannstatt bei einem Bombenangriff verloren hatte. Ihm wurde ein Grundstück am Golfplatz zugewiesen, das der Vorbesitzer, ein jüdischer Industrieller, auf Druck der Nazis verkaufen musste. Der Gutachter betont, dass Lämmle den Zuschlag „nicht als treuer Parteigänger, sondern als prominenter Dichter“ erhielt.

1947 wurde Lämmle im Entnazifizierungsverfahren von der Leonberger Spruchkammer III als Mitläufer eingestuft und zu einem „Sühnegeld“ von 2000 Mark verurteilt. Eine Einschätzung, die für den Historiker Poguntke „aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbar ist“.

August Lämmle Foto: LKZ-Archiv

1951 erhielt Lämmle aufgrund seiner literarischen und wissenschaftlichen Verdienste den Titel Professor und wurde vom Leonberger Gemeinderat zum Ehrenbürger ernannt.

Die Leonberger KZ-Gedenkstätten-Initiative setzte sich stets kritisch mit Lämmles Rolle in der Nazizeit auseinander. Vor einem Jahr forderte sie Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) schriftlich auf, die Ehrenbürgerschaft und die Namensgebung zu überprüfen.

Der OB brachte dieses Ansinnen in den Kultusausschuss des Gemeinderates ein, wo der Auftrag für ein wissenschaftliches Gutachten beschlossen wurde – jenes von Peter Poguntke, das jetzt vorliegt.

Die aktuelle Diskussion

Im Gemeinderat stellt der Historiker die wichtigsten Eckpunkte seiner Forschungen am Donnerstag persönlich vor und stößt damit auf große Anerkennung und weitgehend auf inhaltliche Zustimmung.

„Ein klares und abgewogenes Gutachten“, lobt Gudrun Sach von den Grünen, die die Umbenennung der Schule für ausreichend hält und die Straßennamen belassen will: „Wir sollten nicht alle Steine des Anstoßes aus dem Weg räumen.“ Ottmar Pfitzenmaier (SPD) sieht es genau so: „Nur absolut integere Persönlichkeiten verdienen die Ehrenbürgerwürde.“

Elke Staubach merkt an, dass der heutige Gemeinderat sich nicht in die Vorstellungen des Gremiums vor fast 70 Jahren hineinversetzen könnte: „In der damaligen Situation hat man es für richtig gehalten.“ Ähnlich sieht es Axel Röckle: „Wir können uns glücklich schätzen, in einer anderen Zeit zu leben“, sagt der Fraktionschef der Freien Wähler. „Aber Lämmles Verhalten hat unsere Altvorderen nicht daran gehindert, ihm die Ehrenbürgerwürde zu verleihen.“ Röckles Fraktionskollege Jörg Langer hält die Debatte für überflüssig: „Haben wir keine anderen Probleme?“ Eine Haltung, der der OB mit Vehemenz widerspricht: „Es ist unsere Pflicht, uns mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.“

Karl Heinz Wetterauer, der Rektor der August-Lämmle-Schule, will nun mit Schülern, Eltern und Kollegen zügig Namensvorschläge erarbeiten: „Ich habe mit dieser Entwicklung gerechnet.“