Der Bürgermeister von Weissach, Daniel Töpfer (CDU), spricht über seinen vorläufigen Rückzug aus der Politik, die Situation im Ort und harte Entscheidungen.

Daniel Töpfer (CDU) will nicht mit dem Image des gefühllosen Vollstreckers und Finanzjongleurs aus dem Bürgermeisteramt in Weissach scheiden.

 

Herr Töpfer, nach acht Jahren treten Sie nicht erneut an. Warum?

Eigentlich wäre es für mich entspannter gewesen, erneut zu kandidieren. Wahrscheinlich wäre es kein Top-Ergebnis geworden, da bin ich realistisch. Ich wurde 2014 mit rund 60 Prozent gewählt und schätze, das Ergebnis wäre heute ähnlich. Aber ich werde etwas Anderes machen. So schön und erfüllend das Amt ist und so viel man auch gestalten kann, in der großen weiten Welt gibt es viele spannende Aufgaben.

Streben Sie einen neuen Bürgermeisterposten an?

Nein. Ich möchte bewusst etwas ganz Anderes machen. Ich habe immer offen gesagt, dass ich nur dort kandidiere, wo ich hinpasse. Das war hier der Fall, und das war in Esslingen der Fall.

Auch, wenn es in Esslingen nicht zum Sieg gereicht hat, war die Wahl durchaus ein Erfolg. Hätte das nicht motiviert, in einer Position mit politischem Wettbewerb zu bleiben?

Nein, ich hätte dazu das passende Pendant gebraucht. Ich möchte nicht drei Jahre warten, bis irgendwo eine passende Wahl stattfindet. Und ich bin auch nicht der Typ, der aus einem falsch verstandenen Willen heraus unbedingt weitermachen muss. Hop oder top.

Aber Sie wissen schon, wie es weitergeht?

Ja, das behalte ich aber für mich. Ich beende ganz bewusst meine Amtsperiode in Weissach. Der Posten ist mit sehr viel Entbehrung verbunden, Sie haben sehr wenig Privatsphäre und große Einschränkungen in der Familie. Ich freue mich darauf, in Zukunft wieder einkaufen gehen zu können, ohne mich für den Inhalt meines Korbes rechtfertigen zu müssen.

Das Rathaus war ein Scherbenhaufen

Im Amtsblatt sprachen Sie jüngst von einem Scherbenhaufen, den man Ihnen 2014 bei Amtsantritt hinterlassen hatte. Wie blicken Sie heute auf die Situation?

Eigentlich noch verschärft. Hätte ich gewusst, was hier in Weissach auf mich zukommt, hätte ich niemals freiwillig in einer Gemeinde kandidiert, in der das Rathaus nicht mehr arbeitsfähig ist, wo es bekanntermaßen größere Verwerfungen im Gemeinderat gibt und auch haushälterisch vieles dermaßen in Schieflage ist. Blickt man jetzt zurück, sieht man, dass wir sechs, sieben Jahre gebraucht haben, bis wir alles auf einem Stand hatten, mit dem normales Arbeiten möglich ist.

Bedauern Sie es, dass Sie eine Zeit des normalen Arbeitens jetzt nicht mehr voll ausschöpfen werden können?

Nein, gar nicht. Da darf sich ab dem Herbst gerne jemand anderes austoben. Meine Nachfolge bekommt ein organisatorisch gut bestelltes Haus übergeben. Ich werde dann mit etwas Abstand entspannt beobachten, was sich in Weissach entwickelt. Gleichermaßen wird man immer nachvollziehen können, wer welche Fußstapfen hinterlassen hat.

Was war aus heutiger Sicht Ihre größte Baustelle?

Die größte tatsächliche Baustelle war die Ortsdurchfahrt Flacht, gemessen an Zeit und Kosten. Die größte Baustelle im übertragenen Sinne war das vollständige Reorganisieren des Rathauses, gepaart mit der Aufarbeitung der Wohnungsbaugesellschaft (damals KommBau), des Haushaltes mit zeitgleicher Haushaltskonsolidierung und dem Anstoßen zahlreicher neuer Projekte – wohlgemerkt alles parallel und unter Vollgas.

Problemfeld Weissach?

Sie haben mehrfach Teile des Personals ausgetauscht, Ihre Kritiker sprechen von einer Schreckensherrschaft. Muss man in so einer Situation besonders hart sein?

Am Anfang auf jeden Fall. Rückblickend würde ich sogar sagen, ich war teilweise zu zögerlich. Mit einer Schreckensherrschaft hat das überhaupt nichts zu tun, das bleibt ein Märchen. Ich fordere sicherlich viel ein, fördere aber mindestens genau so sehr. Und ich stehe absolut hinter meinen getroffenen Entscheidungen. Als ich übernommen habe, hatte die Verwaltung sieben Ämter. Ich habe sie auf drei reduziert. In der Folge mussten vier Leitungskräfte in die zweite Reihe treten. Von den damaligen Führungskräften ist heute niemand mehr übrig. Und das halte ich persönlich für goldrichtig. Diejenigen, die es der Gemeinde seinerzeit eingebrockt haben, hätten die Suppe niemals auslöffeln können.

Ihnen war klar, dass man damit keine Freunde gewinnt?

Das war mir vollkommen klar. Aber ich wusste auch, wenn ich das nicht tue, komme ich sehr schnell in riesige Schwierigkeiten.

Sind Sie mit der Mannschaft, die Sie jetzt haben, zufrieden?

Ja, absolut. Wir haben ein sehr junges und engagiertes Rathausteam und stehen damit gut da.

Dass auch die Kämmerin Karin Richter geht, ist eine auffällige Parallele.

Das hängt aber nicht mit meiner Entscheidung zusammen. Frau Richter geht den nächsten Karriereschritt und tritt eine Stelle im höheren Dienst an. Die gibt es bei uns in Weissach nicht, da ist im gehobenen Dienst Schluss. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats hat sie außerdem sehr deutlich geschildert, dass für sie die Rahmenbedingungen im Ort nicht mehr passen und sie sich mit ihrem Wertesystem nicht mehr an der richtigen Stelle fühlt. Das kann ich gut nachvollziehen.

Gemeinderat hat „unglaublich hohe Anspruchshaltung“

Dass Weissach ein Problemfeld ist, hört man immer wieder. Woran liegt das?

Es ist tatsächlich so, dass hier wiederkehrend nach einer Amtsperiode immer wieder dieselben Themen auftauchen. Woran das liegt, kann ich nicht genau sagen. Ich habe festgestellt, dass wir in der Gemeinde eine unglaublich hohe Anspruchs- und Erwartungshaltung haben, die ich sonst noch nirgends erlebt habe. Das gilt sowohl für die Bevölkerung gegenüber dem Rathaus, als auch für den Gemeinderat gegenüber dem Bürgermeister. Man wünscht sich einen Bürgermeister, der mehr ausführt, weniger eigene Impulse setzt, sehr gefällig ist. Den hat man mit mir natürlich überhaupt nicht gefunden.

Woher kommt diese Erwartungshaltung?

Weissach hat jahrelang aus den Vollen geschöpft. Ein paar Jahre lang hat es hier gesprudelt wie aus einer unermüdlichen Quelle. An diese finanziellen Rahmenbedingungen hat man sich sehr schnell angepasst, obwohl die Gemeinde das gar nicht langfristig halten konnte. Man hat sich gegönnt und teure Gebäude gebaut, aber nicht bedacht, dass die Folgekosten extrem hoch sind. Seit 2010 sprudelt es nicht mehr. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Weissach noch viel Gewerbesteuer zurückzahlen muss. Das ist vielen, ebenso wie daraus resultierenden Folgen, denke ich, überhaupt nicht bewusst.

Auch dem Gemeinderat nicht?

Der Gemeinderat hat klare Vorstellungen, und die werden in weiten Teilen, so schildern es zumindest die Grünen und die Unabhängige Liste, nicht erfüllt. Ich vermute aber, dass die auch niemand anderes erfüllen kann. So ging es nicht nur mir. Die größte Kritik an meiner Amtsvorgängerin 2014 war, dass sie den Wünschen des Gemeinderats nicht entsprechen konnte und dadurch zu viele Konflikte entstanden sind. Jetzt gibt es interessanterweise eine ähnliche Konstellation.

Woran liegt das?

Ein Problem ist, dass wir kommunalpolitisch ständig in ideologischen Fragestellungen umherirren anstatt uns mit den wichtigen Themen zu beschäftigen. Wir brauchen extrem lange und drehen viele Runden durch die Gremien. Beim Thema Greensill zum Beispiel. Im Mai, mehr als ein Jahr nach der Insolvenz, wird nun die Sondersitzung zum Abschluss des Themas stattfinden. Das Gutachten der Wirtschaftsprüfer und das Ergebnis der Anwaltskanzlei liegen schon eine ganze Weile lang vor. Für jeden mit der Bearbeitung betrauten Mitarbeiter wurde ganz eindeutig festgestellt, dass kein Fehlverhalten vorliegt. Die Einzige, bei der ein Funken von möglicher Fahrlässigkeit bleibt, ist Frau Richter, für die ich jederzeit meine Hand ins Feuer legen würde.

„Keinerlei Anlass“ für Greensill-Ermittlungen gegen Töpfer

Warum verzögert sich die Durchführung der Sondersitzung so?

Unser Gemeinderat ist noch nicht soweit und wir haben viele Sitzungen gebraucht, bis es einen konkreten Handlungsauftrag für die Verwaltung gab, etwa zur Überarbeitung der Anlagerichtlinie. Gerade versuchen unsere vier Fraktionen eine Stellungnahme zu erarbeiten, die alle teilen können. Das begrüße ich sehr. Außerdem wollten unsere Fraktionen eine schriftliche Stellungnahme vom Landrat haben, die Mitte dieser Woche eingegangen ist und deutlich macht, dass es keinerlei Anlass gibt, gegen mich Ermittlungen anzustreben, geschweige denn Schadensersatzansprüche geltend zu machen, weil es dafür keinerlei Grundlage gibt.

Ihre Ausführungen klingen, als wäre das Verhältnis zwischen Ihnen auf der einen und den Grünen und der UL auf der anderen Seite sehr belastet.

Welches Verhältnis? Es gibt keines. Beide Fraktionen haben sehr früh deutlich gemacht, dass sie kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit mir haben. Bis heute läuft die Kommunikation nur formell und per E-Mail. Seit acht Jahren beziehungsweise seit der letzten Kommunalwahl hat es von den vorgenannten niemand geschafft, mich ein einziges Mal anzurufen. Im Ältestenrat werden Informationen entgegengenommen, anstatt direkt darüber zu sprechen oder Kritik zu äußern. Im Nachgang kommen dann formelle Anträge oder wie zuletzt Pressemitteilungen. Das spricht doch Bände.

Wie sieht es bei den Freien Wählern und der Bürgerliste aus?

Da läuft die Zusammenarbeit. Mit meinem ersten Stellvertreter Andreas Pröllochs gibt es durchaus immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten. Das liegt aber auch daran, dass er seine Rolle ganz bewusst lebt und ich ebenso. Da ecken wir manchmal schon an. Aber trotzdem hat es über die letzten acht Jahre immer gut funktioniert und ich konnte mich auf ihn verlassen.

Empathie ist fehl am Platz

Stellt man sich nicht irgendwann die Frage, ob man im ein oder anderen Punkt nicht doch falsch liegt?

Natürlich. Bei einigen Dingen lag ich bei der ersten Einschätzung mit Sicherheit falsch und musste dann im Laufe der Entwicklung noch mal korrigieren. Aber mir war auch schnell klar, dass das Ergebnis bei vielen Entscheidungen, die ich treffe, identisch sein wird. Weil wir auf beiden Seiten des Gremiums Gruppen haben, die unmittelbar von den Entscheidungen profitieren oder sich auf den Schlips getreten fühlen. Das sieht man bis heute bei der Causa Kreutel. Da wird auch völlig verkannt, dass der Initiator nicht Daniel Töpfer heißt.

Zum Thema Kreutel: Wäre es nicht ein Zeichen menschlicher Größe gewesen, die vom Gemeinderat beschlossene Ermäßigung des Strafmaßes auf 50 000 Euro zuzulassen?

Nein, da ist meine Haltung sehr klar. Selbst wenn ich es wöllte, dürfte ich es nicht. Ein Erlass ist rechtlich unmöglich. Wenn man die Summe reduzieren möchte, müsste der Gemeinderat seine eigenen Beschlüsse zum Erlass aufheben und danach eine Art „Vergleich“ konstruieren. Das halte ich ebenso für grundlegend falsch, denn das Ziel ist dasselbe. Besonders, weil das Verwaltungsgericht die Schuldfrage geklärt und unmissverständlich bestätigt hat, dass hier bedingt vorsätzlich und grob fahrlässig gehandelt wurde. Das ist für mich ein Thema, bei dem Empathie völlig fehl am Platz ist. Da nehme ich in Kauf, dass nach außen der Eindruck entsteht, ich wäre kalt. Das gehört zum Job.

Sind solche Zustände auf Dauer belastend und vielleicht ein Grund, warum Sie jetzt etwas Anderes machen wollen?

Es ist auf jeden Fall belastend, ja. Aber wäre es maßgeblich, hätte ich schon vor vier Jahren aufhören müssen. Am Ende ist es völlig egal, wer was gemacht hat. Das Bild, das in der Öffentlichkeit entsteht, ist entscheidend. Und das ist oft verzerrt.

Verstehen das die Fraktionen, mit denen Sie im Dialog sind?

Ja, definitiv. Auch innerhalb des Gremiums herrscht oft nicht eitel Sonnenschein. Dieses Jahr wird sicherlich spannend für Weissach und noch manche Überraschung bereithalten.

Wird es schwierig, gute Bewerber zu bekommen?

Ihre Prognose für die Gemeinde klingt nicht sonderlich rosig.

Ich lege es jedem, der kandidieren möchte, ans Herz, sich genau über die Rahmenbedingungen in Weissach kundig zu machen. Damit eben nicht das passiert, was mir 2014 passiert ist. Jemand, der sich auf ein solches Amt bewirbt, entscheidet das ja nicht über Nacht. Und viele haben damit gerechnet, dass ich noch mal antrete. Das schränkt den Bewerberkreis vermutlich schon stark ein. Auch eine schnelle Google-Suche könnte abschrecken. Dann wird es schwierig, richtig gute Bewerbungen zu bekommen. Man muss bloß in Nachbarkommunen schauen. Das ist leider landauf, landab nicht anders. Ich wünsche mir für die Gemeinde, dass sich geeignete und hoch engagierte Bewerber für dieses wichtige Amt finden.

Bleiben Sie politisch aktiv?

Mein Leben lang. Ich bin ein politischer Mensch und werde das auch immer bleiben. Beruflich wird es diese Komponente aber nicht mehr in der bisherigen Intensität geben. Aber sag niemals nie. Ich bin jetzt 33 Jahre alt, da ist noch viel Zeit.

Zieht es Sie in eine andere Ecke Deutschlands?

Nein, ich bleibe in der Region. Aber nicht in Weissach. Der Job eines Bürgermeisters ist ja nicht nur ein Beruf, den man sich später einfach in den Lebenslauf schreibt. Man ist mit der Gemeinde eng verbunden. Ich habe hier acht Jahre lang wirklich restlos alles investiert, was ich habe. Und das wird immer bleiben. Ich gehe nicht im Groll. Ganz im Gegenteil. Ich komme gerne wieder, dann allerdings als Besucher.

Zur Person

Aufräumer
 Als jüngster Bürgermeister in der Region Stuttgart tritt Daniel Töpfer im Alter von 25 Jahren am 29. September 2014 seinen Dienst im Weissacher Rathaus an. Zuvor hatte er in der Stichwahl mit 58,46 Prozent gegen die bisherige Amtsinhaberin Ursula Kreutel gewonnen. Beide eint in der Folge eine regelrechte Feindschaft. Mit einem kompromisslosen Umbau der Verwaltung macht sich Töpfer nicht nur Freunde.

Hochs und Tiefs
 Unter Druck gerät der CDU-Mann, als im März 2021 der Verlust einer Geldanlage bei der pleite gegangenen Greensill-Bank bekannt wird. Ob die 16 Millionen Euro komplett verloren sind, ist ungewiss. Bei der OB-Wahl in Esslingen unterliegt Töpfer mit 48,1 Prozent nur hauchdünn.