Ein Leonberger erkrankt so schwer an Corona, dass er ins Koma versetzt wird. Nun dankt er Ärzten und Pflegern für ihren Einsatz.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Wie ein endlos erscheinender Albtraum, ein Gefühl des Ertrinkens – so beschreibt ein Leonberger, wie sich ein schwerer Verlauf einer Infektion mit dem Coronavirus anfühlen kann. Mit Anfang 40 musste er ins Koma versetzt und künstlich beamtet werden. Ein Jahr ist seine schwere Erkrankung her. Jetzt kehrte er zurück ins Krankenhaus in Leonberg, um sich bei den Ärzten und Pflegern, die sein Leben gerettet haben, zu bedanken.

 

„Es war damals haarscharf“, sagt Nicolas W., der seinen wirklichen Namen aus Angst vor aggressiven Coronaleugnern nicht in der Zeitung lesen will. Es sei ein komisches Gefühl, wieder die Intensivstation zu betreten. Der Vater eines kleines Sohnes weiß, dass er längere Zeit in der Leonberger Klinik gelegen hat. An viele Details kann er sich aber nicht mehr erinnern. Als er nun mit Barbara John, der Chefärztin der Inneren Klinik, ein Patientenzimmer betritt, kommt ihm der Raum nicht mehr bekannt vor. Fotos auf seinem Smartphone beweisen zwar, dass er mit Schläuchen im Intensivbett lag. Dass er die Bilder selbst geschossen hat, diese Erinnerung fehlt dem Leonberger allerdings.

Das schlimmste Wochenende seines Lebens

Mit hohem Fieber suchte er kurz vor Ostern 2021 die Ambulanz in der Leonberger Klinik auf. W. war damals noch nicht geimpft, weil es noch nicht genügend Impfstoff für alle gab. Nach einer Infusion durfte er wieder nach Hause. Doch was dann folgte, war das schlimmste Wochenende seines Lebens, sagt Nicolas W. Über die Ostertage stieg sein Fieber auf 40,2 Grad an. Sein Zustand verschlimmerte sich immer weiter. Ein Notarzt und sein Team mussten den Patienten daher am Ostermontag abholen und stationär in der Leonberger Klinik aufnehmen.

Drei Tage später wurde Nicolas W. intubiert. Doch es ging ihm weiterhin immer schlechter, sodass sich seine Ärzte dazu entschieden, den Patienten in eine Tübinger Klinik verlegen zu lassen. Dort konnte ihm eine Ecmo-Maschine als externe Lunge das Atmen abnehmen. Zehn Tage lag er im künstlichen Koma. Im Anschluss wurde er zurück in das Krankenhaus in Leonberg gebracht, wo er von Barbara John, weiteren Ärzten, Therapeuten und einigen Pflegekräften so weiterbehandelt wurde, dass er schließlich entlassen werden konnte.

Nach dem Aufwachen aus dem Koma fühlte sich Nicolas W. „wie eine Ofenkartoffel“. Seine Muskulatur hatte sich stark reduziert. „Ich konnte nicht mehr trinken. Ich konnte nicht mehr an der Bettkante sitzen“, erinnert er sich. Die ersten Schritte empfand er wie einen Marathon.

Noch heute spürt er die körperlichen Auswirkungen jeden Tag

Der Leonberger weiß nicht, wo er sich im März 2021 angesteckt hat. Auch seine Partnerin infizierte sich in dieser Zeit. Zunächst glichen seine Symptome nur einer leichten Grippe. Dann aber erlebte er den „vollen Horror“, wie er sagt. Er hatte Todesangst, den Eindruck, zu ersticken. Mehrfach beobachtete er, dass andere Patienten nicht überlebten. „An einem Tag habe ich mitbekommen, dass acht Leute gestorben sind.“ Weil die Pathologie in Tübingen zeitweise komplett überfüllt war, musste ein Toter stundenlang auf der Intensivstation im Bett nebenan liegen bleiben.

Solche Eindrücke wirken bei Nicolas W. immer noch sehr stark nach. Psychisch habe er diese Erfahrungen insgesamt ganz gut weggesteckt. Körperlich merkt er die Auswirkungen seiner Infektionen noch jeden Tag, vor allem bei Belastungen. Ein Bein und eine Stelle am Kopf sind zudem nach wie vor etwas taub. Bei dem Leonberger überwiegt jedoch die Freude, überlebt zu haben. „Ich genieße jetzt alles viel mehr“, betont er. Und: Er ist den Ärzten und Pflegekräften in Leonberger Krankenhaus sehr dankbar. Sie hätten alles richtig und einen guten Job gemacht, meint er.

Mitbekommen hat Nicolas W. aber auch, wie viel Stress, Frust und Arbeit die Pandemie den Ärzten und Pflegern in den Kliniken bereitet hat. „Alle sind auf dem Zahnfleisch gegangen.“

Beim Personal fühlen sich viele von der Politik im Stich gelassen

Das kann Barbara John bestätigen, die selbst einen schweren Coronaverlauf mit einem dreimonatigen stationären Aufenthalt durchgemacht hat. „Alle Kollegen haben das letzte Hemd gegeben und sich aufgeopfert“, sagt sie. Nach wie vor sei Covid eine tägliche Belastung für die Mitarbeiter von Kliniken, Praxen und Pflegeheimen. Das Virus werde bleiben. „Ich liebe meinen Beruf, aber es ist schwierig, die Stimmung auf Dauer hochzuhalten“, sagt die Ärztin. Für einige Kollegen sei das Fass mittlerweile voll. Sie hätten aufgegeben. Viele fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Ein weiteres Problem ist, dass sich etliche Klinikmitarbeiter in der jüngsten Corona-Welle angesteckt haben. Die hohen Personalausfälle erschweren den Arbeitsalltag zusätzlich.

Zahlen und Fakten Seit dem Beginn der Pandemie wurden im Klinikverbund Südwest, zu dem auch das Leonberger Krankenhaus gehört, mehr als 5800 Covid-Patienten behandelt, davon rund 750 in Leonberg. 999 Personen mussten intensivmedizinisch betreut werden. 718 Patienten, also rund zwölf Prozent, verstarben dennoch. Der jüngste Todesfall in Leonberg war ein 25-jähriger Mann. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt jedoch bei 67 Jahren. Derzeit werden 56 Covid-Patienten im Verbund behandelt, davon zwölf im Leonberger Krankenhaus.