Philipp Kratschmer hat Anfang des Jahres das Spielzelt eröffnet. Der Indoor-Spielplatz für Kinder hat von Tag eins an viele Besucher angezogen. Bis zur Corona-Pandemie.

Leonberg - Lotti stapelt die großen weißen, grünen und violetten Plastikbausteine zu einer Mauer, während ihr Bruder Freddy auf einem kleinen Laufrad in Form einer Vespa durch die Halle düst. In der Mitte steht der Kletterturm, auf den man auf verschiedenen Wegen nach oben klettern und dann wieder nach unten rutschen kann. Drum herum laden Tische, Stühle sowie große und kleine Plüschsessel zum Verweilen ein.

 

Zum Jahresbeginn hat sich eine Seite des Frei-Otto-Pavillons ins „Spielzelt Leonberg“ verwandelt. Nach mehreren Jahren, in denen sich kein Mieter – sei es ein Immobilienbüro oder ein Bekleidungsgeschäft – dort halten konnte, ist mit dem Indoor-Spielplatz für Kinder bis sechs Jahre eine vielversprechende Neugründung unterm Zeltdach eingezogen. Der doppelte Zeltpavillon ist das einzige Gebäude, dass der weltbekannte Architekt in seiner Wahlheimat Leonberg erbaut hat. „Das Frei-Otto-Zelt ist definitiv keine 0815-Immobilie“, sagt Philipp Kratschmer, der Chef des Spielzelts. „Es hat eine tolle Atmosphäre. Von außen unterschätzt man leicht, wie groß es hier drinnen ist.“ Auch wenn er den Vermieter erst von seiner Idee überzeugen musste. „Er wollte sicher gehen, dass etwas reinkommt, das lange Bestand hat.“

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Tatsächlich ist der Indoor-Spielplatz an der Neuen Ramtelstraße sehr gut gestartet. Gleich in den ersten Öffnungstagen zwischen Neujahr und Dreikönigstag war der Andrang teilweise so groß, dass Neuankömmlinge ohne Reservierung keinen Platz mehr fanden. Bis Anfang Februar waren bereits 300 Kindergeburtstage gebucht gewesen. Besser hätte es nicht laufen können.

Doch dann kam die Corona-Pandemie. Philipp Kratschmer musste das Spielzelt schließen, wie andere Freizeiteinrichtungen – Kinos, Zoos oder Fitnessstudios – auch. Das ist jetzt mehr als vier Wochen her. Das einzige Kindergeschrei, das durchs Zelt hallt, ist das seiner Kinder Lotti und Freddy. „Wir sind gesund und das Wetter ist gut. Der Rest ist eine Katastrophe“, sagt der 37-Jährige. Seine 450-Euro-Kräfte musste er entlassen, nur zwei Mitarbeiter sind geblieben, für die er Kurzarbeit beantragt hat. „Sie hatten alle Verständnis und wären auch wieder mit an Bord, wenn wir wieder aufmachen dürfen“, sagt der Jungunternehmer. Mit dem Vermieter führe er gute Gespräche. Für das Spielzelt hat er Soforthilfe beim Staat beantragt. „Das muss ich ausdrücklich loben. Das ging schnell und war sehr unbürokratisch“, sagt Kratschmer.

Die Finanzhilfe sei gut, um den Anfang der Krise zu überstehen. „Aber es kann gar nicht genug Geld sein“, ist er sich bewusst. Wenn die Corona-Krise noch länger andauere, werde der Staat den stark betroffenen Betrieben etwa in der Gastronomie oder Freizeitwirtschaft mehr Hilfen anbieten müssen. Bei letztgenannten geht er davon aus, dass diese auch als eine der letzten Branchen wieder öffnen dürfen. Wofür er durchaus Verständnis hat. Aber er habe seine Miete und auch noch Handwerkerrechnungen von der Eröffnung zu bezahlen.

„Aufgeben ist keine Lösung“

Und dann steht das Spielzelt noch vor einer zusätzlichen Herausforderung. Denn egal, ob es im Juni, Juli, August oder gar erst September wieder öffnen darf – dann ist Sommer, teilweise sind auch Ferien. Ein Indoor-Spielplatz hat dann maximal an regnerischen Tagen Konjunktur. Zumal es im Zelt im Sommer auch recht warm werden kann. Trotz einer äußerst cleveren Lüftung an der Zeltspitze, die geöffnet tatsächlich an ein Zirkuszelt erinnert. Die sommerliche finanzielle Durststrecke hat der Gründer zwar eingeplant. Die angepeilten starken Frühjahrsmonate sind durch Corona nun aber weggebrochen.

„Aufgeben ist keine Lösung. Dafür steckt viel zu viel hier drin“, bekräftigt Philipp Kratschmer. „Wir gehen davon aus, dass es spätestens ab Herbst wieder genauso gut laufen wird wie in den ersten zweieinhalb Monaten.“ In dieser Überzeugung bestärkt habe ihn auch die Reaktion seiner Gäste. Denn die haben fleißig Gutscheine gekauft, ihre Stammkunden-Karten aufgeladen oder „Lotti Lama“, die Plüschversion des Spielzelt-Maskottchens, gekauft. Auch viele aufmunternde Nachrichten gab es. „Die Leute waren wirklich sehr süß und herzig“, erzählt der Leonberger.

Wie süß: Lamas on the road. Foto: privat

Mit seiner Idee zum Indoor-Spielplatz für die Kleinsten hat er in Leonberg und Umgebung eine Marktlücke geschlossen. Spiel- und Sprunghallen für größere Kinder gibt es mittlerweile einige. Für etwas Vergleichbares für die ganz Kleinen mussten Eltern bislang ein ganzes Stück fahren. „Die Idee dazu kam mir über meine eigenen Kinder“, sagt Philipp Kratschmer. Nicht zu groß, liebevoll gestaltet und auch für Eltern gemütlich – so lautete seine Vision, die zum Ende des Jahres 2018 Gestalt angenommen hatte. Mehr als ein halbes Jahr bastelte er an der Idee weiter, allerdings mit einer anderen Immobilie in Leonberg als Lokalität. „Leonberg ist der perfekte Standort dafür“, sagt Kratschmer. Durch Zufall stieß er dann auf den Frei-Otto-Pavillon. „Ich wusste, dass es ihn gibt. Aber so richtig im Hinterkopf hatte ich den dafür nicht“, erzählt er.

Doch einmal gefunden, war die Idee zum Spielzelt geboren. Freddy Frechdachs und Lotti Lama, benannt nach seinen Kindern als Maskottchen, die den Kindern alles erklären, dazu ein Zirkuszelt als Logo. „Das Frei-Otto-Zelt hat so einen Wiedererkennungswert. Und ein Zirkuszelt verbindet man immer mit Kindern“, sagt der 37-Jährige. Der Familienvater verbringt die Corona-Zwangspause derzeit mit seinen Kindern. Daheim, draußen in der Natur. Und natürlich auch im Spielzelt. „Ich will nicht jammern. Jemand mit Kindern in einer kleinen Wohnung hat es ungleich schwerer“, weiß er. Freddy und Lotti dagegen haben einen ganzen Indoor-Spielplatz nur für sich.