Vorzeitiges Impfen? Das lehnen Bürgermeister im Altkreis Leonberg und der Böblinger Landrat ab.

Altkreis - Dass es so schnell gehen würde, damit hatte der Renninger Franz Pitzal nicht gerechnet. Der katholische Pfarrer, der erst vor wenigen Tagen 85 Jahre alt geworden ist, hatte am vergangenen Freitag seinen ersten Impftermin gegen das Coronavirus. „20 Minuten, bevor mein Termin eigentlich gewesen wäre, war ich schon wieder zu Hause.“ Für die Mitarbeiter im Impfzentrum findet er viele Worte des Lobes.

 

Gegen das Impfen selbst hatte er von Anfang an keine Bedenken, ließ sich sogar für das Kreisimpfzentrum (KIZ) in Sindelfingen als Impfbefürworter für ein Foto ablichten, das dort aufgehängt wurde. Zu Gesicht bekam er das Bild zu seinem Bedauern allerdings nicht – denn Pitzal bekam seinen Termin nicht im KIZ in Sindelfingen, sondern in der Stuttgarter Liederhalle. „Ich war für 14.50 Uhr dort angemeldet, wir waren aber schon etwa eine Stunde früher da“, erzählt Franz Pitzal. „Als wir angekommen sind, war da erst mal eine 30 Meter lange Schlange, da war ich schon ziemlich niedergeschlagen.“ Besonders heimelig waren die Temperaturen immerhin nicht. „Aber schon nach fünf Minuten hatte sich das aufgelöst.“

Lesen Sie hier: Alle News zur Corona-Pandemie

Vom Personal und den vielen Helfern hat er einen sehr positiven Eindruck gewonnen. „Die waren sehr zuvorkommend und haben den Leuten gleich Hilfestellung gegeben.“ Im Inneren lief alles wie ein Uhrwerk. „Die ganze Organisation dahinter, allein das Anlegen der Kabinen, das Einweisen der Leute, dafür meine Hochachtung.“ Auf den vielen Papierkram hätte er gut und gerne verzichten können, sagt der Renninger Pfarrer schmunzelnd. Dafür ging das Impfen umso schneller. „Um 14.30 Uhr war ich schon wieder daheim.“

Als Senior mit 85 Jahren zählt der Pfarrer zur Gruppe mit der höchsten Impfpriorität. Auch Pflegekräfte, Mitarbeiter in Notaufnahmen und Intensivstationen und ähnliche Berufsgruppen gehören dazu. Doch immer wieder schlagen Nachrichten über Arztgattinnen, Verwaltungschefs oder sonstige Behördenmitarbeiter auf, die sich gegen das Coronavirus haben impfen lassen, obwohl sie noch nicht dran gewesen wären. Der Bürgermeister von Hennef in Nordrhein-Westfalen, Mario Dahm, und sein Kollege in Wachtberg, Jörg Schmidt (CDU), haben als Impfdrängler Schlagzeilen gemacht.

Sanktionen gibt es bislang noch nicht

In Baden-Württemberg habe es bisher keine „größeren Fälle“ gegeben, in denen sich Mandatsträger oder andere Personen, die in der Öffentlichkeit stünden, einen Impftermin erschlichen hätten, erklärt Pascal Murrmann, der Sprecher des Sozialministeriums. Eine rechtliche Grundlage, um Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die entgegen der Impfreihenfolge schon geimpft wurden, gibt es derzeit nicht. Eine entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes soll aber mit dem Bundestag geprüft werden. Eine Chance zum Abstauben eines Pieks mit dem Serum gibt es, wenn in den Kreiszentren abends noch Impfstoff übrig ist. Denn der darf, so die Anweisung aus dem Ministerium für Soziales und Integration, nicht weggeworfen werden. „Der Impfstoff ist ein knappes und aufgrund der Kühlkette komplexes Gut.“

Im Kreisimpfzentrum des Landkreises Böblingen wird daher versucht, nur so viele Fläschchen zu öffnen, wie es der Impfmenge für die einbestellten Personen entspricht. Wenn es am Ende des Tages nicht aufgeht, also noch geöffnete Fläschchen da sind, weil jemand nicht zu seinem Termin erschienen ist, liegt der Fokus auf der Zweitimpfung von Personen, die bereits vor Ort sind oder in der Nähe wohnen und die sich bereit erklärt haben, dass man sie kurzfristig für einen Termin anrufen und herbestellen kann. „Selbstverständlich in der richtigen Altersgruppe beziehungsweise mit Impfberechtigung“, betont Sabine Hotz, die Sprecherin des Kreises Böblingen. Der Fokus auf den Zweitimpfungen hat den Grund, dass die Betreffenden ohnehin schon einen Termin haben oder benötigen und insofern nicht bevorzugt werden. „Geschlossene Fläschchen bleiben im Kühlschrank und werden an den nächsten Tagen verwendet. Der Astrazeneca-Impfstoff ist bis zu einem halben Jahr haltbar und damit sehr langlebig.“

Anfragen auf vorzeitige Impfungen

Trotzdem kommen auch beim KIZ im Kreis Böblingen öfter mal Anfragen für vorzeitige Impfungen an. „Aber wir folgen in unserem Kreisimpfzentrum von Beginn an klar den jeweiligen Vorgaben, wer impfberechtigt ist“, so Hotz. „Auch in der Arbeit der mobilen Teams haben wir davon noch keine Ausnahmen gemacht.“ Die gibt es auch nicht für Mitarbeiter des Landratsamts oder den Landrat selbst.

„Wenn ich an der Reihe bin, werde ich mich natürlich sofort impfen lassen“, sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard. „Und auch mit jedem Impfstoff, der dann bereitsteht.“ Für Impfdrängler hat er nichts übrig. „Solch ein Verhalten lehne ich rundweg ab. Gerade in dieser Phase, in der der Impfstoff knapp ist, muss es fair zugehen. Und die Impfreihenfolge, die der Bund in Abstimmung mit der Impfkommission festgelegt hat, hat ja ihren Sinn.“

Bürgermeister haben kein Verständnis

Ähnlich sehen es der Bürgermeister von Wimsheim, Mario Weisbrich, und der Bürgermeister von Hemmingen, Thomas Schäfer, die für Impfdrängler kein Verständnis haben. „Wir haben eine Verordnung, nach der Bürgermeister in die Kategorie drei fallen, und daran sollte man sich halten“, findet Schäfer. Dass bei der Verordnung auch mal nachjustiert werde, zum Beispiel Erzieherinnen höhergestuft würden, sei durchaus sinnvoll. Solange dies aber nicht für ihn gelte, warte er. „Wir sind Recht und Gesetz unterworfen. Selbst wenn irgendwo abends mal Impfstoff übrig bleibt, gibt es immer noch genügend andere Menschen, die ihn dringend benötigen.“ Beide Bürgermeister wollen sich erst impfen lassen, wenn sie tatsächlich an der Reihe sind.

Skepsis gegenüber dem Impfen kann Mario Weisbrich in seiner Gemeinde nicht feststellen. „In meinem Umfeld habe ich nur sehr wenige Rückmeldungen bekommen, in denen Vorbehalte gegen eine Impfung geäußert werden, eher im Gegenteil.“ Stattdessen habe er aus der aktuell impfberechtigten Personengruppe schon mehrere Rückmeldungen erhalten, „dass die Termine sowohl online als auch telefonisch nur sehr schwer zu bekommen sind. Besser hat es aktuell beim Personal der Kita und Schule und der Verfügbarkeit von Astrazeneca geklappt.“