Vor sechs Monaten trat der Shutdown in Kraft. Wie hat sich das Leben der Menschen dadurch verändert? Der Wirt und Fußballtrainer Lothar Mattner empfindet diese Zeit trotz aller Widrigkeiten als bereichernd.

Leonberg - Ich habe nicht wirklich damit gerechnet“, sagt Lothar Mattner heute. Am 17. März dieses Jahres wurden in Baden-Württemberg Schulen und Kindertagesstätten geschlossen. Einen Tag später waren auch Spiel- und Bolzplätze, Discos und Clubs sowie ein Großteil des Einzelhandels betroffen. Gaststättenbetriebe wie Mattners Bistro Domizil am Leonberger Marktplatz mussten schon um 18 Uhr wieder schließen. Doch nur eine Woche später war es auch damit vorbei. „Für mich war es schon überraschend. Innerhalb von einer Woche ging es von ‚nur Mittagstisch’ zu ‚Wir dürfen gar nicht mehr öffnen’“, sagt er. Als kleines Unternehmen habe man schon Angst um seine Existenz gehabt.

 

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Dabei ist Mattner nicht nur Wirt, sondern auch Familienvater und Fußballtrainer. Plötzlich war an allen drei Fronten nichts mehr so, wie es war. Drei Monate blieb das Domizil zu. Die zwei älteren Kinder konnten nicht in Grundschule und Kindergarten. Der jüngste Spross war da noch nicht ganz vier Monate alt, seine Frau Marie, im Hauptberuf Lehrerin, in Elternzeit. Und auch der Spielbetrieb beim FC Esslingen, Mattners aktuellem Verein, war erst einmal ausgesetzt.

„Trotzdem war das eine glückliche Zeit für mich. Seitdem ich arbeite, habe ich noch nie so viel Zeit für meine Familie gehabt. Aber auch für Dinge, zu denen man sonst nicht kommt“, sagt er heute. Während er mehr Zeit daheim mit seiner Familie verbringen konnte, lief recht schnell das Training virtuell wieder an. „Wir haben zum Beispiel Challenges gemacht. Läufe gegeneinander oder miteinander Kilometer sammeln zum Beispiel. Ich habe mich auch mit meinen Spielern zu Spaziergängen zu zweit getroffen, und wir haben viel geredet“, erinnert er sich an die Zeit im Frühjahr. Darin sieht er auch den Grund, warum er alle Spieler für eine weitere Spielzeit gewinnen konnte.

Große Hilfe von Gästen und der Dehoga

Dass sein Betrieb die fast dreimonatige Schließzeit sowie die Einbußen in der Folgezeit finanziell bislang gut verkraftet hat, dafür sieht er mehrere Gründe. Zum einen sei das vergangene Jahr sehr gut gelaufen, auch die Weihnachtszeit mit Glühweinhütte und der Pferdemarkt sorgten für sehr gute Umsätze. „Meine Frau Marie hat sich auch viele tolle Sachen einfallen lassen“, sagt Mattner. So wurden etwa „Retter-T-Shirts“ bedruckt und verkauft, und gegen eine Gebühr wurde der Name in den Boden eines Glases graviert. „Wer dann ein Getränk bestellt und das Glas mit seinem Namen erwischt, der bekommt das Getränk gratis“, erklärt Marie Mattner. Auch Gutscheine wurden zahlreich gekauft. „Die Dinge, die unsere Gäste für uns getan haben, waren eine große Hilfe für uns“, sagt Lothar Mattner. Dazu habe man die Soforthilfe für kleine Unternehmen beantragt. „Die Dehoga war uns eine große Hilfe, es gab quasi täglich Newsletter mit allen Information“, lobt er den Hotel- und Gaststättenverband.

Er lobt zudem das Engagement der Stadt für die Wirte, die ihre Außengastronomie abends eine Stunde länger öffnen dürfen. „Das kostet die Stadt ja nichts und uns hilft es.“ Denn gerade in der Anfangszeit hätten viele noch ein Problem damit gehabt, sich ins Lokal reinzusetzen. Mittlerweile habe sich das gegeben. Das schöne Wetter hat dabei geholfen, dass viele Gäste gekommen sind. Der neue Mittagstisch komme gut an. Doch auch das kann nicht alle Einbußen wettmachen. „Uns sind alle Veranstaltungen weggebrochen. Dabei rede ich nicht von der Langen Kunstnacht oder der Musiknacht. Das sind Dinge, die die Stadt attraktiv machen. Aber wir haben normalerweise mindestens eine private Feier pro Woche in unserem Keller“, berichtet der Wirt.

„Es wird sicher einen Pferdemarkt geben“

Den historischen Gewölbekeller zu sanieren, hat Lothar Mattner zu seinem Corona-Projekt gemacht. Das wird auch noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Mit Blick auf Herbst und Winter seien Ideen und Lösungen gefragt, „die uns hinretten, bis es einen Impfstoff gibt“. Den Einsatz von Heizpilzen zählt er nicht dazu. „Das unterstütze ich nicht. Das wäre ein Rückschritt in die Steinzeit“, findet Mattner, der vergangenes Jahr für die Grünen bei der Gemeinderatswahl kandidiert hat. Ob bis zum Pferdemarkt im Februar dann wieder alles normal läuft? „Ich bin mir sicher, dass es einen Pferdemarkt geben wird. Aber er wird anders sein, als wir ihn kennen.“