Klinikseelsorger stecken zur Zeit in einem großen Dilemma. Sie dürfen nicht zu den Patienten in den Krankenhäusern. Deswegen überlegen sie sich andere Methoden, mit ihnen in Kontakt zu bleiben.

Gerlingen - Sie sollen da sein für Menschen in großer Not; für Menschen, die im Krankenhaus Angst um ihr Leben haben; für Menschen, die gegen den Tod kämpfen – und eigentlich Beistand bräuchten. Doch die Corona-Krise verbannt die beiden Gerlinger Klinikseelsorger Anna-Lena Frey und

 

vor die Zimmer. Sie können mit Kranken derzeit nur am Telefon reden – nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern von Büro zu Bett. Für die evangelische Pfarrerin und den katholischen Priester sind es auch persönlich ganz neue Erfahrungen. Frey erlebt die letzten Wochen vor dem Ruhestand, Bischoff die ersten Arbeitstage nach einer freiwilligen Quarantäne.

Die Türen zu den Patienten bleiben den beiden Seelsorgern in der Klinik Schillerhöhe und der Rehaklinik Schmieder verschlossen – strenges Kontaktverbot. Die Klinikleitungen und die Arbeitgeber der Theologen wollen es so. Nur mit den Pflegerinnen und Pflegern, den Ärztinnen und Ärzten dürfen sie im direkten Kontakt reden. Die Vorsicht gebietet das. Die beiden machen das Beste draus – und sind sich doch gewiss: „Wir müssen das Infektionsrisiko ernst nehmen“, sagt Anna-Lena Frey, „aufsuchende Seelsorge kann gerade nicht stattfinden. Wir sind zur Telefon- und Internetseelsorge geworden.“

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Und sie sind sich eines weiteren Dilemmas bewusst: Sie bieten ihre Hilfe schon immer auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an – die aber haben derzeit genug zu tun für ihre Patienten. Anna-Lena Frey widmet sich seit 2011 den Mitarbeitern wie den Patienten. Die 63-Jährige hat sich in viele Behandlungsteams integriert. „Was ich in der Seelsorge mit den Patienten und ihren Angehörigen mache, hat Relevanz für die gesamte Behandlung. Ich bin als Kollegin akzeptiert.“

Über die Patienten sagt sie: „Ich begegne meistens Menschen, die massiv erschüttert sind in ihren Lebensfesten. Sie wissen nicht, wie es weitergeht.“ Da sind Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen: Lungenkrebs oder gefährliche Störungen der Atemwege, Mukoviszidose, Schlaganfall, Gehirnblutung. Sie bemüht einen Vergleich: „Die Menschen sitzen auf der Bank und hoffen, wieder ins Spiel geholt zu werden.“ Da helfe so manches Gespräch – nicht immer, und auch nicht zuerst, über den Glauben. „Man kann mit mir über ganz normale Dinge reden. Nicht nur über den lieben Gott.“

Und wenn das Ende des Weges in Sicht ist, sind Klinikseelsorger zur Stelle. Zu normalen Zeiten. Aktuell sind die Zeiten aber nicht normal. Auch wenn der Tod anklopft, müssen Pfarrerin oder Pfarrer draußen bleiben. Dann müssen Pflegende die Sterbebegleitung übernehmen. Wenigstens gebe es Schriften und Gebetsblätter der Kirchen für sie, meint Hans Peter Bischoff. Er sieht es mit gemischten Gefühlen, dass er zur Zeit nicht zu den Patienten kann. „Es ist für mich ein großer Schmerz, dass wir die Menschen nicht besuchen können, für die wir da sein sollten.“ Mit Angehörigen könne er telefonieren. Viele Patienten, ergänzt seine Kollegin, könnten dies nicht – oft aus dem einfachen Grund, weil sie nicht oder nur schwer reden können. Ein Besuch ist da Zuwendung, ein Telefonat fast unmöglich.

Andere Formen finden, um Nähe zu bringen

Man merkt dem 62-Jährigen und seinen Worten an, dass das Telefon als Medium für Trost und Zuspruch für ihn nur der zweitbeste Weg ist. Andererseits ist er dazu gezwungen, denn er muss auch auf sich selbst aufpassen. Er suche noch nach Methoden, mit denen er derzeit seinen Auftrag erfüllen könne, sagt er. Vielleicht sei eine tägliche Botschaft oder kurze Andacht auf die Bildschirme in den Krankenzimmern eine Möglichkeit. In der Kapelle der Klinik stehe die Videotechnik dafür zur Verfügung. Wie seine Kollegin Frey hat Bischoff erkannt, dass die Präsenz auf den Stationen die Mitarbeiter stärken kann. „Wir dürfen aber nicht im Weg stehen“, ist er sich bewusst, „wir müssen andere Formen finden, um Nähe zu geben.“ Denn die Klinikseelsorger dürften nicht noch mehr Probleme schaffen – sondern sie sollten helfen, diese zu bewältigen. Für ein Lächeln, eine stärkende Geste, einen Satz aber ist Zeit.

„Wir nehmen unseren Auftrag nach wie vor sehr ernst“, betont Bischoff – und macht Angehörigen, die zur Zeit nicht zum Ehemann, zur Mutter oder dem Opa dürfen, ausdrücklich das Angebot, ihn anzurufen. Das gelte nicht nur für Katholiken, sondern für alle, die mit ihm reden wollen. Und dann seien er und seine Kollegin gefordert, wenn die Corona-Krise einmal überstanden ist. „Unsere Stunde wird schlagen, wenn das Gröbste rum ist, der Stress abfällt und man Zeit hat zum Nachdenken – auch die Mitarbeiter.“