Um die Situation zu entspannen, fördert das Land zusätzliche Fahrten. Der Kreis Böblingen beantragt dies für Rutesheim, aber nicht für Weil der Stadt.

Kreis Böblingen - Die Corona-Pandemie rückt so manches Problem, das schon länger existiert, verstärkt in den Vordergrund. Jüngstes Beispiel: Überfüllte Schulbusse in den Stoßzeiten. Gerade angesichts der neuerlichen Beschränkungen des Teil-Lockdowns, der seit diesem Montag gilt, stellen sich viele die Frage: Wie kann es sein, dass sich die Schulkinder in die Busse quetschen müssen, während sonst auf einen Mindestabstand von anderthalb Metern gepocht wird?

 

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Zunächst gilt: Die Abstandsregel von 1,5 Meter im öffentlichen Raum wird im Nahverkehr nicht angewendet. Stattdessen gilt dann die Maskenpflicht.

Das macht das Land

Das Kultusministerium hat dazu im September ein Förderprogramm in Höhe von zehn Millionen Euro aufgelegt, vorerst befristet bis Ende des Jahres. Damit sollen zusätzliche Verbindungen auf Schulbuslinien finanziert werden. 80 Prozent der Kosten für diese Verstärkerfahrten trägt das Land Baden-Württemberg. 20 Prozent muss der jeweilige Landkreis zahlen, der sie beantragt. In einigen Teilen des Altkreis Leonberg gibt es die Zusatzverbindungen erst seit dieser Woche, etwa zur Ludwig-Uhland-Schule in Heimsheim. In anderen Bereichen, wie etwa in Rutesheim, sind die Busse auch schon vor den Herbstferien unterwegs gewesen.

Wer profitiert davon, wer nicht?

Das Rutesheimer Schulzentrum profitiert dabei von mehr Schulbussen auf den Strecken Leonberg-Weissach, Renningen-Weissach und aus dem Enzkreis (beide über Perouse). Diese zusätzlichen Busse kosten bis Ende des Jahres 17 500 Euro, von denen der Kreis etwa 3500 Euro trägt. In Weil der Stadt gibt es dagegen nur eine zusätzliche Fahrt morgens und nachmittags auf der Linie 670 – die allerdings hat der Landkreis Calw beantragt und bezuschusst.

Die Schulzentren in Renningen oder Leonberg können sich nicht über weitere Fahrten freuen. In Leonberg sei das aber noch in der Prüfung. Im gesamten Kreisgebiet seien 17 Verstärkerleistungen bei den Busunternehmen beauftragt und die Fördermittel dafür beim Land beantragt worden. Die entsprechende Drucksache hat der Umwelt- und Verkehrsausschuss im Oktober bereits vorberaten. Mitte November wird dies auch Thema im Böblinger Kreistag sein.

Warum Rutesheim und Weil der Stadt nicht?

Welche Kriterien gelten?

Nach eigenen Angaben hat das Landratsamt Böblingen vor der Beantragung von Verstärkerfahrten mehrere Kriterien zugrunde gelegt. Kann eine Optimierung durch Umplanung der Strecke erfolgen? Wie sind die einzelnen Verbindungen ausgelastet? Kann alternativ zum Schulbus die reguläre Linie genutzt werden? Als voll besetzt gilt ein Bus übrigens dann, wenn alle Sitzplätze sowie 40 Prozent der Stehplätze belegt sind.

Beim Vergleich von Rutesheim und Weil der Stadt kommen vor allem diese zwei Kriterien zum Tragen: Haben die Schulen bereits die Schulzeiten gestaffelt? In Rutesheim ist das der Fall. Und handelt es sich bei den überfüllten Bussen tatsächlich um ein Kapazitäts- oder ein Verteilungsproblem? Also ballt es sich besonders zu einer Uhrzeit, und die anderen Verbindungen davor und danach sind leer? In Weil der Stadt, erklärt das Landratsamt, handele es sich um ein Verteilungsproblem. Aber selbst wenn gerechtfertigter Bedarf bestehe, heiße das nicht, dass er auch erfüllt werden könne, bremst Landrat Roland Bernhard die Erwartungen. „Die Ressourcen der Verkehrsunternehmen sind stark beschränkt“, schreibt er in einem Brief an die Schulleiter im Kreis.

Landrat schreibt an die Schulleiter

In dem Brief vom vergangenen Freitag würdigt Bernhard zwar die Anstrengungen der vergangenen Monate. Er mahnt aber auch verschiedene Maßnahmen an, um die Schülerströme zu entzerren und damit die Schulbusse zu entlasten. Einiges richtet sich an die Rektoren, anderes an die Eltern und Schüler. „Es wird der Mitwirkung und Kompromissbereitschaft aller bedürfen“, sagt Roland Bernhard. Es zeige sich, dass in den emotional geführten Diskussionen oftmals die Abstandsregelung auch für den Nahverkehr eingefordert werde. „Das ist jedoch gesetzlich nicht vorgeschrieben und angesichts der verfügbaren Ressourcen – Busse und Fahrer – auch nicht darstellbar“, erklärt der Landrat in dem Schreiben.

Was schlägt der Landrat vor?

Schüler sollten auch weniger volle Verbindungen nutzen, die früher oder später fahren, längere Wege zu Fuß in Kauf nehmen oder auch Alternativverbindungen wählen. Die Schulen sollten dafür ihre Gebäude früher öffnen. An Standorten mit mehreren Schulen sollten die Einrichtungen sich untereinander koordinieren. Nachmittagsunterricht sollte nicht immer am gleichen Wochentag stattfinden. Der wohl wichtigste Punkt sind aber gestaffelte Schulzeiten. Dies betrifft sowohl den Beginn morgens als auch das Unterrichtsende mittags und am Nachmittag.

Die Schulleiter wehren sich

„Wir haben natürlich entzerrt“, sagt Jürgen Schwarz, der Leiter des Rutesheimer Gymnasiums. Manche Klassen beginnen zur ersten, manche zur dritten Stunde, die Oberstufe gar erst zur fünften. „Schulschluss für die Oberstufe ist dann um 17.30 Uhr“, berichtet Schwarz. 60 Prozent der Gymnasiasten, also etwa 800 Jugendliche, kämen mit dem Bus. Man habe sich intensiv Gedanken gemacht, aber auch bei der Menge an Schülern habe alles seine Grenzen. Er könne verstehen, dass sich Eltern sorgten. „Sie wollen, dass ihre Kinder sicher in der Schule ankommen.“

An der Theodor-Heuss-Schule nehmen etwa 50 Kinder den Bus, die meisten Grundschüler. Von den 88 Werkrealschülern seien die meisten aus dem Ort. „Wir haben an den Zeiten nichts verändert“, sagt Konrektorin Franziska Schimo-Lott.

Lage erschwert Unterrichtsverschiebung

Die Einschätzung des Landratsamtes bezüglich der Weil der Städter Situation teilt der Rektor des Johannes-Kepler-Gymnasiums nicht. „In der Theorie hören sich die Maßnahmen oft einfach an, sind es in der Praxis aber nicht“, sagt Rolf Bayer. Anders als die Real- und Gemeinschaftsschule liegt sein Gymnasium oben auf dem Berg. Rund 400 Schüler kommen täglich mit dem Bus, aus den Teilorten sowie dem Kreis Calw.

„Ein zeitversetzter Unterrichtsbeginn wäre nur möglich, wenn die Schulbusse auch doppelt fahren würden“, sagt er. Einen Bus früher zu nehmen, wie vom Landrat vorgeschlagen, bedeute, mit dem regulären Bus zu fahren. Und der hält am Bahnhof Weil der Stadt, nicht am Gymnasium. „Laut Rechtsverordnung ist der Fußweg zumutbar. Aber der Berg hat es in sich“, meint Bayer.

Frühere Schulöffnung widerspricht Hygienekonzept

Zudem müssten die Schüler ohnehin draußen warten. „Das sieht unser Corona-Schutzkonzept so vor“, erklärt er. Die Schüler finden sich in speziell vorgesehenen Zonen in ihren Klassenverbänden zusammen und gehen dann gemeinsam rein in ihre Klassen. „Wenn ich das Schulhaus früher aufmache, wer übernimmt dann die Aufsicht? Wer achtet darauf, dass der Abstand eingehalten wird? Und wer lüftet alle 20 Minuten wie vorgeschrieben?“, nennt Bayer die Schwierigkeiten. „Wir haben uns wirklich den Kopf zerbrochen. Aber unter den gegebenen Umständen haben wir keine bessere Lösung“, sagt der JKG-Leiter.