Bei Lebensmittelhändlern brechen Umsätze ein. Um sich vor dem Virus zu schützen, tragen sie nun Masken.

Weil der Stadt - Zwischen Mundschutz und Haarbedeckung sind nur noch seine Augen zu sehen. Dabei ist Harald Haagen kein Chemiker in einem Hochsicherheitslabor, sondern Metzgermeister. Während Büros und Behörden zurzeit überall schließen, müssen seine Mitarbeiter und er nach wie vor in Kontakt mit vielen Kunden treten.

 

Wie kann man sich da schützen? Das beantwortet der Chef der Landmetzgerei Eberhard in Merklingen durchaus kreativ. „Ich habe erst versucht, Masken für meine Mitarbeiter zu bekommen“, sagt er. „Die gab es natürlich nicht.“ Seine Frau arbeitet aber in einer Zahnarztpraxis. Gemeinsam kam ihnen die Idee: Wie wär’s mit einem Gesichtsschutzschild, den normalerweise Zahnärzte tragen? Tief hat Haagen dafür in die Tasche gegriffen, 500 Euro für neun Schilde. „Aber das war es mir wert“, sagt er.

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Höhere Ausgaben hat Harald Haagen damit – und das bei massiv sinkenden Einnahmen. Während in Supermärkten die Schlange der Kunden lange ist, ist das bei Lebensmitteleinzelhändlern nur bedingt der Fall. Der Mittagsimbiss und der Partyservice – zwei existenziell wichtige Bereiche für die Merklinger Metzgerei – sind fast komplett weggebrochen. 1200 Essen hatte Haagen eigentlich in seinem Partyservice-Auftragsbuch für das nächste halbe Jahr. „Ich muss froh sein, dass ich überhaupt noch was verkaufe“, sagt er mit Blick auf das Thekengeschäft, von dem allein er nicht leben kann. „Wir müssen jetzt Küchenhilfen in Kurzarbeit schicken und können auch Aushilfen nicht weiter beschäftigen“, beschreibt der Metzgermeister die wirtschaftlichen Folgen. 50 Mittagessen verkauft er normalerweise.

Weil Arbeitnehmer auch in Merklingen oft im Homeoffice sind, und weil der Vorort-Verzehr verboten ist, sei auch dieser Bereich auf 20 Essen eingebrochen. Unterm Strich hat Haagen zurzeit rund ein Drittel weniger Umsatz in der Kasse.

Großer Zusammenhalt unter den Mitarbeitern

Goldene Zeiten für Lebensmittelhändler, wenn so viele Hamsterkäufer unterwegs sind? Auch der Leonberger Bäckermeister Rainer Zachert schüttelt mit dem Kopf. „Klar, beim Brot verkaufen wir zurzeit etwas mehr“, sagt er. Dafür kann er aber an Hotels, an Restaurants und an Schulen nichts mehr liefern. Insgesamt spricht Zachert von einem Umsatzrückgang von 15 Prozent.

Dennoch sucht Rainer Zachert nach den positiven Seiten der Krise. „Der Zusammenhalt bei meinen Mitarbeitern ist groß“, sagt er. „Wir achten aufeinander und sind füreinander da.“ Denn auch der Leonberger Bäcker musste die Abläufe in seinen Läden umstrukturieren, musste Spuckschutz auf die Theken stellen, Barrieren aufbauen und seine Mitarbeiter in Teams aufteilen, die sich jeweils abwechseln, um sich im Infektionsfall nicht gegenseitig anzustecken. Die Kunden verstehen all das. „Ich beobachte eine Rückbesinnung aufs Regionale“, sagt Rainer Zachert. Gerade in Zeiten, wenn manch eine Lieferkette zusammenbricht, würden die Menschen erkennen, wie wichtig regionale Bauern, Mühlen und Bäcker seien.

Da ist Kreativität gefragt

Kreativ muss auch Kevin Biebach sein, um den Betrieb seines Feinkostgeschäfts „Fruchtkörble“ in Weil der Stadt aufrechtzuerhalten. Einen Lieferservice hatten die Biebachs zwar schon immer. „Dieser Bereich nimmt jetzt zu“, sagt der Juniorchef. „Familien in Quarantäne, aber auch viele Ältere, die das Haus nicht mehr verlassen wollen, nutzen den Lieferservice“, sagt er.

Auch im Fruchtkörble gelten jetzt Abstandsregeln, die Kunden bekommen Plätze zugewiesen, wo sie beim Einkauf stehen sollen. Der Barbetrieb ist eingestellt. „Die Kunden haben Geduld und sind dankbar, dass wir überhaupt noch offen haben“, beobachtet Kevin Biebach. Auch Produkte bekommt er zum großen Teil, nur Ware aus Frankreich und Italien nehme beim Großhändler ab, berichtet er: „Wir müssen jetzt schauen, wie es beim Spargel und den Erdbeeren weitergeht, wenn die Erntehelfer fehlen.“

Der Merklinger Metzger Harald Haagen betont derweil, wie groß der Zusammenhalt in diesen schwierigen Zeiten ist. In einer Nacht- und Nebelaktion hat er vergangene Woche eine Plexiglas-Trennscheibe über die Theke gebaut. „Handwerker und Freunde haben uns ganz klasse unterstützt“, freut sich der 43-Jährige.

Kunden schauen jetzt zwar manchmal komisch – da fällt dann schon mal die Bemerkung, ob man jetzt im Zoo gelandet sei. Aber es muss sein. „Bis nachts um eins haben wir die Trennscheiben eingebaut – diese Aktion fand ich richtig toll.“