Rund 1,3 Millionen fehlen den Kliniken in den Kreisen Böblingen und Calw wegen abgesagter OPs – jede Woche.

Böblingen/Calw - Einen Rettungsschirm für Kliniken fordern die Landräte Roland Bernhard (Böblingen) und Helmut Riegger (Calw) vom Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Beide Kreise betreiben zusammen den Klinikverbund Südwest mit Häusern von Leonberg bis Nagold. Und diese fahren seit dieser Woche erhebliche Verluste ein, weil alle planbaren Operationen abgesagt wurden. Dabei geht es um siebenstellige Beträge. Jede Woche verliert der Klinikverbund dadurch rund 1,3 Millionen Euro. „Das ist richtig und wichtig angesichts der dynamischen Entwicklung“, schreiben die Landräte an den Minister. Dennoch brauche man dringend Geld, weil die Liquidität der Kliniken massiv bedroht sei.

 

Welche Operationen konkret ausfallen, entscheiden immer Ärzte, sagt der Kliniksprecher Ingo Matheus auf Nachfrage. Als Beispiel werde zwar immer der Austausch der Hüfte genannt – aber auch das könne man so nicht pauschal sagen. „Wenn überprüft werden muss, ob sich in dem Gelenk ein Tumor befindet, werden wir das selbstverständlich weiterhin operieren“, stellt Matheus klar.

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Deshalb finden auch weiterhin – anders als im Frühjahr – alle Sprechstunden statt. „Wir wollen auf keinen Fall, dass Patienten selbst entscheiden, dass sie ja nicht wichtig seien und nicht kommen“, erklärt der Pressesprecher. Stand Mittwoch wurden in den Krankenhäusern im Kreis Böblingen 65 mit Corona infizierte Patienten behandelt. Zehn davon liegen auf der Intensivstation, neun müssen beatmet werden. Im Gebiet des Klinikverbunds, also auch im Kreis Calw, sind derzeit 16 Covid-Patienten auf der Intensivstation. Momentan verfügt der Klinikverbund Südwest über 70 Intensivbetten, die aktuell jedoch aus Personalmangel nicht vollständig betrieben werden können. Ein Ausbau auf 85 Beatmungsplätze wäre noch möglich.

Allerdings ist Corona nicht die einzige Krankheit, denn Patienten müssen nach wie vor auch aus anderen Gründen auf die Intensivstation. Zum Vergleich: Stand Mittwoch, 11 Uhr, lagen im Gebiet des Klinikverbunds insgesamt 44 Menschen auf der Intensivstation.

Die Landräte fordern vom Bundesgesundheitsminister zudem, die starren „Pflegepersonaluntergrenzen“ auszusetzen. Dabei wird vorgeschrieben, wie viele Pflegekräfte sich um wie viele Patienten zu kümmern haben. „Die Patientenversorgung in der Pandemie ist eine Ausnahmesituation, in der Flexibilität gefragt ist“, erklären die beiden Landräte. „Durch starre Personalvorgaben wird genau diese Reaktionsfähigkeit enorm eingeschränkt.“ Die Personalvorgaben seien für normale Zeiten entwickelt worden und man könne das so nicht auf Pandemie-Zeiten umsetzen.

Personaluntergrenzen dienen auch dazu, die Pflegekräfte zu schützen und sie vor Überarbeitung zu schützen. Die Landräte wollen sich aber wohl für Krisenzeiten wappnen. Denn dann wäre die Alternative, Betten mit Beatmungsgeräten zwar zu haben – aber nicht in Betrieb nehmen zu dürfen, weil sich das vorhandene Personal nicht darum kümmern darf.

Schon jetzt macht dem Klinikverbund Personalknappheit zu schaffen, weil viele Ärzte und Pfleger selbst in Quarantäne müssen. Allein im Oktober hat das rund 80 Fachkräfte betroffen, was Kollegen auffangen mussten. Der Klinikverbund akquiriert deshalb zurzeit auch externe, freiwillige Helfer, die bereits im April und Mai im Einsatz waren. Fast 550 Helfer aus dem medizinisch-pflegerischen Bereich sowie weitere 120 aus unterschiedlichsten Berufsgruppen hatten damals geholfen.