Die Stadt Leonberg bietet niedergelassenen Medizinern die umfunktionierte Frachthalle als Ausweichort an. Die Leonberger Kreisärzteschaft reagiert positiv.

Leonberg - In dieser Woche herrschte in der Frachthalle der früheren Leonberger Hauptpost wieder reger Betrieb: Die zweite Impfrunde für Menschen aus dem Altkreis Leonberg, die älter als 80 Jahre sind, fand über drei Tage verteilt statt. Vor gut vier Wochen hatten die rund 900 Senioren ihren ersten Pikser bekommen.

 

Um den Menschen in seiner Stadt und den Nachbarkommunen ein schnelles Angebot zu machen, hatte Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) im März die Frachthalle im alten Postgebäude, das mittlerweile der Stadt gehört, zu einem Impfzentrum umfunktionieren lassen.

Der alte Paketumschlagplatz

Der städtische Veranstaltungsmanager Nils Strassburg, ein Spezialist für die Organisation von Großereignissen, hatte mit seinem Team von der Stadthalle, Leuten vom Bauhof und freiwilligen Helfern aus dem einstigen Paketumschlagplatz ein funktionales Medizinzentrum gemacht.

Zum eigentlichen Impfen kam Fachpersonal aus dem Klinikum Stuttgart, dessen Teams in der ganzen Region unterwegs waren. Das Impfen selbst verlief weitgehend reibungslos.

Stadt will logistisch unterstützen

Was unter dem neudeutschen Begriff „Pop-up-Zentrum“ ursprünglich als zeitlich begrenzte Aktion gedacht war, könnte nun zu einer dauerhaften Einrichtung werden. Denn jetzt können auch niedergelassene Mediziner und Fachärzte impfen. Und um deren Arbeit zu erleichtern, vor allem aber auch um Ansammlungen in den einzelnen Praxen zu vermeiden, bietet ihnen die Stadt die kostenlose Nutzung der alten Frachtpost an.

„Etliche Ärzte sind räumlich auf die zusätzlichen Patienten nicht eingestellt“, sagt der Oberbürgermeister im Gespräch mit unserer Zeitung. „Sie könnten dafür problemlos im Impfzentrum in der alten Post arbeiten.“ Bei Bedarf würde die Stadt die Impfaktionen mit eigenem Personal und Logistik unterstützen.

Großer Parkplatz

Die Offerte ist kein spontaner Entschluss. Schon beim Start des provisorischen Impfzentrums im März hatte Martin Georg Cohn angekündigt, die Umbauten stehen zu lassen, um für größere Impfaktionen gerüstet zu sein.

Die ehemalige Hauptpost, deren Schalter sich mittlerweile im unteren Bereich des Leo-Centers befinden, liegt nicht nur zentral. Rückseitig gibt es einen großen Parkplatz, von dem aus einst die großen gelben Lastwagen ins Umland gestartet waren. Schon während der ersten großen Impfrunde gab es hier kein Gedränge.

Offene Ohren bei den Ärzten

Beim Vorstand der Kreisärzteschaft Leonberg stößt das Angebot des Oberbürgermeisters auf offene Ohren. „Wir begrüßen den Vorschlag des Oberbürgermeisters“, sagen der Vorsitzende Timo Hurst und dessen Stellvertreterin Barbara Mergenthaler. Der Leonberger Psychotherapeut und die Allgemeinärztin aus Renningen haben ihre Kollegen per Rundmail informiert.

Das Meinungsbild innerhalb der Ärzteschaft ist durchaus unterschiedlich. „Das reicht von unbedingt bis gar nicht“, umschreibt es Hurst. „Aber uns alle eint, dass wir so schnell wie möglich impfen wollen.“ Er geht davon aus, dass das große Platzangebot in der alten Frachtpost für etliche Kollegen interessant sein wird, auch wegen der großzügigen Parkmöglichkeiten.

Dreh- und Angelpunkt Impfstoff

Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt die Lieferung des Impfstoffes. Barbara Mergenthaler hat da wechselvolle Erfahrungen gemacht. Ihre Renninger Gemeinschaftspraxis ist seit Ostern auch Corona-Schwerpunktpraxis: Hier kann geimpft werden. Wenn es denn geht. „Wir erfahren immer donnerstags von der Kassenärztlichen Vereinigung, wie viel wir bestellen dürfen“, berichtet die Allgemeinmedizinerin. Üblicherweise gibt es pro Praxis und Woche 20 Impfdosen, sowohl Biontech wie auch Astrazeneca. In der kommenden Woche gibt es immerhin 36 Dosen.

Das soll spürbar mehr werden: Landrat Roland Bernhard rechnet ab Mitte Mai für den Kreis mit 35 000 bis 50 000 Impfdosen pro Woche: „Das wird ein Kraftakt für alle Beteiligten, der allen Schweißperlen auf die Stirn treiben wird.“

Großer Informationsbedarf

„Der Informationsbedarf der Patienten ist ausgesprochen groß“, weiß Barbara Mergenthaler. „Das fängt bei den Telefonanfragen an und erstreckt sich bis zur Nachbereitung.“ Oft komme während der Behandlung einer ganz anderen Krankheit die Impffrage auf.

In jedem Fall, das betont der Ärzteschaft-Vorsitzende Hurst, soll man sich immer zuerst an einen Arzt, am besten an den Hausarzt, wenden. „Der kann sich um alles weitere kümmern.“