Vom Global Player bis zum Handwerker: Die heimischen Firmen gehen mit den Einschränkungen pragmatisch um.

Altkreis Leonberg - Die Bundesregierung erhöht den Druck auf die Arbeitgeber beim Thema Homeoffice: Die Unternehmen sollen den Beschäftigten bis Mitte März die Arbeit von daheim ermöglichen, wenn ihre Tätigkeit das zulässt. Dabei ist Homeoffice bei den meisten schon lange gang und gäbe.

 

„Viele tun gerade so, als ob das etwas Neues sei, darum verwehre ich mich auch gegen staatliche Verordnungen in diesem Bereich“, sagt Oliver Zander. Er ist Prokurist des Spezialisten für Wasseraufarbeitung Permatrade im Leonberger Stadtteil Höfingen. Seit Corona-Beginn sei Homeoffice auf die betrieblichen Gegebenheiten und die Belange der Belegschaft abgestimmt. „Es ist doch im eigenen Interesse, das Personal zu schützen“, sagt Zander.

Die Außenkontakte fehlen

Verschiedene Modelle greifen derzeit. So sei die Zahl der Mitarbeiter in den Büroräumen reduziert worden. „Bei anderen, bei denen auch der Partner von zuhause aus arbeitet und die Kinder schulpflichtig sind, wurde Platz in der Firma geschaffen.“ Weil unter den mehr als 100 Beschäftigten von Permatrade viele Außendienstler sind, finden Schulungen und Konferenzen digital statt. „Auch interne Besprechungen, halten wir digital ab“, sagt Zander. Eine große Herausforderung sei Homeoffice allerdings für neue Mitarbeiter: „Da fehlen leider die überaus wichtigen Kontakte vor Ort.“

Gute Infrastruktur

„Wo es nur irgendwie möglich gewesen ist, gehört Homeoffice schon seit Frühjahr zum Alltag“, sagt Hannes Klockenhoff. Er ist Abteilungsleiter Data Management und Marketing beim größten produzierenden Unternehmen in Leonberg, bei Geze. Dank einer guten technischen Infrastruktur seien die Mitarbeiter der Verwaltung durchgängig ganz früh auf Homeoffice übergegangen. „Die IT hat gut vorgearbeitet, und die Mitarbeiter nutzen die Möglichkeit verantwortungsvoll, so läuft alles reibungslos“, ist Klockenhoff zufrieden. Auch die bereits jahrelange Erfahrung mit der IT-Telefonie und dem Intranet habe den Umstieg erleichtert. „Was jetzt beschlossen wurde, ist unkritisch für unsere Firma und eher ein Weckruf für Nachzügler“, meint Hannes Klockenhoff.

„Seit dem ersten Lockdown ist Homeoffice bei Lewa selbstverständlich und funktioniert sehr gut“, sagt Ronja Kielwein, die Marketingmanagerin beim Leonberger Hersteller für Pumpen, Systeme und Dosieranlagen. Alle in der Verwaltung wurden mit Laptops ausgestattet, sodass so gut wie 100 Prozent Homeoffice möglich ist. Abwechselnd sind einzelne Mitarbeiter in den Abteilungen, um Themen zu bearbeiten, die nicht daheim erledigt werden können. In der Produktion ist Homeoffice natürlich nicht möglich. Da wurde die Regelung getroffen, dass sich die Mitarbeiter der einzelnen Schichten nicht begegnen. Dieses Vorgehen habe sich in den letzten Monaten sehr bewährt.

Handwerker sind draußen

Auch die Handwerker machen sich Gedanken zum Thema Homeoffice. „Meine Leute müssen auf der Baustelle des benachbarten Sportzentrums schaffen“, sagt der Eltinger Zimmermeister Jürgen Ziegler. „Aber den Arbeitsplatz meiner Ehefrau, die unter anderem die Buchhaltung macht und die Aufträge vorbereitet, haben wir nach Hause verlegt.“

„Was jetzt beschlossen wurde, ist bei uns längst umgesetzt. Wer zuhause arbeiten kann und kein Einzelbüro hat, ist im Homeoffice“, sagt Christian Benzing. Er ist der Geschäftsführer des Sicherungselementeherstellers Hugo Benzing in Korntal-Münchingen und hat rund 800 Beschäftigte unter sich. Von denen könnten 15 bis 20 Prozent daheim arbeiten – der Rest ist vorwiegend in der Produktion tätig, wo dies nicht machbar ist.

Vorteil Einzelbüros

Es gibt auch Beschäftigte, die daheim keine Ruhe haben oder Unterlagen für neue Patentanmeldungen bearbeiten. Die bleiben im Betrieb. Dagegen hielten sich auswärtige Mitarbeiter, die sonst mit dem Zug kommen, gerne dem Betrieb fern. „Wir sind nicht den Weg der Großraumbüros gegangen. Das hilft uns jetzt unheimlich“, sagt Christian Benzing. Trotzdem habe er schon im vergangenen Februar vorsichtshalber Laptops „in größerem Umfang“ angeschafft. So sei schon am ersten Tag des Lockdown im März mobiles Arbeiten möglich gewesen.

Der Chef selbst will „bei meiner Mannschaft sein“, wie er sagt. „Ich möchte zeigen, dass ich bei ihnen bin und mich nicht in die Schutzzone begebe. Das wird sehr geschätzt“, sagt Benzing. Er stellt aber noch etwas anderes fest: „Immer mehr Mitarbeiter kehren in den vergangenen Monaten ins Büro zurück.“

Schon seit vielen Jahren Heimarbeit

Auch beim Maschinenbauer Trumpf in Ditzingen wollen nicht alle Mitarbeiter ausschließlich im Homeoffice sein. „Manche kommen mal einen Tag rein“, sagt der Unternehmenssprecher Rainer Berghausen. Wie wichtig das Soziale ist, habe man im ersten Lockdown gelernt. Deshalb gebe es nun zum Beispiel regelmäßig Online-Konferenzen, um sich auszutauschen.

Der Werkzeugmaschinenhersteller führte schon vor vielen Jahren Heimarbeit ein: Grundsätzlich können die Mitarbeiter, deren Tätigkeit es ermöglicht, ein Fünftel der Arbeitszeit im Homeoffice verbringen. Aus dem Grund haben sie längst einen Laptop. Im März und mit dem ersten Lockdown weitete Trumpf das Angebot auf die gesamte Arbeitszeit aus.

Das nutzt ein Großteil der Beschäftigten auch, wie eine Auswertung an drei Standorten vor Weihnachten, vor dem Teil-Lockdown, zeigt: 25 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze in Ditzingen (4300 Mitarbeiter), Gerlingen (70) und Hettingen (650) sind administrativ tätig. Davon sind 70 Prozent daheim. Rainer Berghausen schätzt, dass der Anteil nun gestiegen ist.

Kundenkontakt fast nur telefonisch

Beim Team vor Ort – in der Produktion, Logistik oder im Service – würden strenge Maßnahmen eingehalten. Dazu gehört, dass die Beschäftigten versetzt arbeiten. Zudem werden Corona-Tests angeboten. „Wir können es uns nicht leisten, dass die Produktion stillsteht“, sagt Berghausen. Der Maschinenbau stecke ohnehin in einer konjunkturellen Krise.

„In der Versicherungsbranche ist es verschieden“, sagt Rainer Katzenmaier. Der Versicherungsfachmann mit einer Generalagentur in Gerlingen schätzt, dass 80 Prozent der Generalagenten wie er – sie leiten die Vertretung einer Versicherungsgesellschaft – im Büro arbeiten. Obwohl es in Zeiten, in denen der Kundenkontakt fast nur telefonisch erfolge, fast egal sei. Er selbst habe daheim keine Ruhe, zudem ist ihm der persönliche Austausch mit seinem Mitarbeiter wichtig.