Leonbergs OB und die Centermanagerin Nadine Fensterer weisen auf eine dramatische und existenzbedrohende Lage hin. Aus Protest leuchtet das Leo-Center am Montagabend rot.

Leonberg - Ungewohnte Perspektive für Passanten und Fußgänger am Montagabend im Zentrum von Leonberg: Das Leo-Center, sonst in dezentem Grau, erstrahlt in prallem Rot.

 

Der schillernde Protest ist der optische Ausdruck eines verzweifelten Hilfeschreis, mit dem die Betreibergesellschaft ECE nicht nur auf die desolate Situation der eigenen Mieter, sondern des kompletten Einzelhandels hinweisen will. Viele Shopping-Malls, auch die Breuningerländer, leuchten am Montagabend rot.

Aktueller Anlass sind die Gespräche am Mittwoch, bei denen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten über mögliche Lockerungen für die Wirtschaft, aber auch bei den persönlichen Kontakten beraten.

Die Lage im Leo-Center ist katastrophal

Wie dringlich eine Wiedereröffnung des Handels sei, das schildern die Leonberger Centermanagerin Nadine Fensterer und Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) in einem gemeinsamen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Beide appellieren „dringend“ an den Stuttgarter Regierungschef, sich in der Bund-Länderrunde für eine Öffnung des Handels zum kommenden Montag, 8. März, einzusetzen. „Nur so kann größerer Schaden für unsere Innenstädte und den Handel abgewendet werden.“

Die Lage, die Nadine Fensterer allein aus den Läden in den ECE-Centern schildert, klingt katastrophal: 89 Prozent haben demnach während der Pandemie rote Zahlen geschrieben. 80 Prozent hätten keine Fördermittel erhalten. 75 Prozent sehen sich in ihrer Existenz bedroht, sollte keine Öffnung zum 8. März kommen. Ebenfalls 75 Prozent erwägen eine Schließung ihres jeweiligen Geschäftes. Genauso hoch ist die Quote jener Händler, die einen Personalabbau „in erheblichen Umfang“ für unvermeidlich halten.

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All die Zahlen, die die Leonberger Center-Chefin im Brief an Kretschmann nennt, resultieren aus einer Umfrage, die die ECE, nach eigenen Angaben der größte Center-Betreiber in Deutschland, bei den eigenen Mietern gemacht hat.

Dabei sei nicht der Handel der Treiber des Infektionsgeschehens, erklären Fensterer und Cohn und berufen sich bewusst auf das Robert-Koch-Institut. Das hatte erst vor wenigen Tagen die Gefahr, die vom Handel ausgehen könnte, als „niedrig“ bezeichnet und eine Öffnung empfohlen, selbst wenn der Inzidenzwert mehr als 35 betrage. Lediglich bei der Zahl 50 sei eine Schließung zu diskutieren.

Keine erhöhte Infektionsgefährdung im Einzelhandel

Der Oberbürgermeister und die Center-Managerin sprechen im Schreiben an den Ministerpräsidenten zudem eine aktuelle Untersuchung der Berufsgenossenschaft für Handel bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz an. Demnach „kommt es bei der Arbeit im Einzelhandel nicht zu einer erhöhten Infektionsgefährdung“. Sie sei sogar unterdurchschnittlich.

Ohnehin würden 40 Millionen der 50 Millionen täglichen Kundenkontakte im Handel auf den Bereich Lebensmittel entfallen. Supermärkte waren während der Pandemie nie geschlossen. „Es geht daher um nur 20 Prozent der Kundenkontakte, aber um 50 Prozent der Jobs im Handel“, stellen Fensterer und Cohn fest.

Cohn: Click & Collect ist keine Alternative

Das von Winfried Kretschmann zuletzt oft positiv erwähnte Click & Collect-System, also die telefonische Bestellung und termingerechte Abholung, sei keine Alternative – im Gegenteil. Die Kosten für Ladenbetrieb und Personal, so argumentieren Center-Managerin und OB, seien zumeist höher als die Erlöse und würden die Verluste des Handels nur erhöhen. Fazit der Kauffrau und des Politikers in dem Brief: „Die Situation im Handel ist dramatisch und existenzbedrohend.“

Oberbürgermeister Cohn hatte sich schon mehrfach kritisch über einen Lockdown geäußert und „gravierende Folgen für unser Gesellschaftsleben“, befürchtet. Auch eine Öffnung der Restaurants hält er in enger Kooperation zwischen Wirten und Ordnungsamt für machbar.