Urs Renninger stellt Cidre und Poiré her. Dafür nimmt der 29-Jährige aber nicht irgendwelche Sorten. Für ein Produkt hat er nun einen Preis gewonnen – nicht der erste.

Die einen wissen nicht, was sie damit anstellen sollen, besonders, wenn es in Massen gedeiht, lassen es deshalb oben hängen, unten liegen und damit verfaulen, für andere wie Urs Renninger ist es ein wahrer Segen: das Streuobst. Der 29-Jährige aus Ditzingen kann von den hiesigen Äpfeln, Birnen und Quitten nicht genug kriegen, denn er stellt daraus unter anderem feinen Cidre her, Poiré – Cidre aus Birnen – und Cuvée aus verschiedenen Obstsorten.

 

Seit ein paar Jahren konzentriert sich Urs Renninger auf die Produktion dieser feinen Getränke, seitdem hat er die Mengen zwar auch gesteigert, von einem 220-Liter-Fass auf Tausende Liter im Jahr, die er etwa in Hofläden erfolgreich vermarktet. Doch er stellt fest: „Meine Produkte sind nicht so einfach zu verkaufen.“ Cidre und vor allem Poiré seien hierzulande weniger verbreitet und weniger bekannt als Wein. Daher kommt dem Ditzinger die jüngste Auszeichnung gerade recht: Für seinen Poiré Strohgäu 2020 sec gewann er bei der Cider World in Frankfurt Gold. Es bringe einiges, wenn ein Produkt eine solche Auszeichnung trage, sagt Urs Renninger. „Gerade dann, wenn die Flasche so im Regal steht und man nicht probieren kann.“

Gegen 80 Konkurrenzen durchgesetzt

Die Goldmedaille im Juni folgte nur ein paar Wochen auf einen weiteren Preis, insgesamt hat Urs Renninger nun drei Preise: Im Mai bekam er für sein Engagement, die Streuobstbestände im Land zu pflegen, den Streuobstpreis Baden-Württemberg. Fünf Preisträger setzten sich gegen 80 Bewerber durch. Laut dem Ministerium für Ländlichen Raum hat Baden-Württemberg mit mehr als sieben Millionen Bäumen die größten zusammenhängenden Streuobstbestände Europas.

Urs Renninger bedauert, dass so viel Wissen über Streuobstwiesen verloren gegangen ist. Auch er selbst, dessen Vater aus dem Obst von der eigenen Streuobstwiese immer mal wieder Most hergestellt hat, ahnte lange nicht, welche Schätze im Strohgäu, vor der Haustür stehen. Schätze, die sich für seinen Cidre, der laut Renninger ganz ohne Zusätze auskommt, bestens eignen.

Mit einem Aufenthalt in Frankreich fing alles an

Alles ins Rollen gebracht hat vor zehn Jahren das freiwillige ökologische Jahr auf einem Cidre-Hof in der Nähe von Lyon in Frankreich. Dort habe er gelernt, dass es nicht nur süßsaure Äpfel gibt, „sondern auch bittere und bittersüße“. Für ihn stand fortan fest: „Wenn ich Cidre mache, brauche ich diese Sorten, sonst schmeckt der Cidre nicht.“ So baute er sie im Strohgäu an – Cidre benötigt besonders bittere, aromatische Äpfel. Weil die heimischen Sorten allerdings viel weniger Gerbstoffe als die französischen haben, mischte Urs Renninger die Äpfel zu Beginn mit Quitten oder Speierling – einem heimischen Wildobst.

Es war schließlich der Hemminger Ortspomologe Matthias Braun, der anno 2018 Urs Renninger im Ditzinger Stadtteil Heimerdingen bittersüße Äpfel präsentierte. „Danach haben wir einen Baum nach dem anderen entdeckt.“ Nach viel Recherche sei es zur Ernte 2020 gelungen, mehrere uralte Bäume der vom Jahr 1880 an nach Württemberg eingeführten sogenannten bittersüßen Stammbildner Généreuse de Vitry, Pomme d’Or sowie Roter Fresquin auf den Streuobstwiesen im Strohgäu ausfindig zu machen. „Das war ein Traum für mich“, erinnert sich Urs Renninger.

Höfinger Baum trägt 700 Kilo Äpfel

Genauso gut wie an den Tag, an dem ihn „fast der Schlag getroffen“ habe. Urs Renninger hat eigene Wiesen samt einer kleinen Baumschule, er kümmert sich aber auch um die Bäume anderer: So pflegt er einige der Stadt Ditzingen sowie von Privatbesitzern, die entweder keine Zeit, keine Möglichkeit oder kein Interesse daran haben, und darf das Obst verwenden. Immer auf der Suche nach Grundstücken meldete sich Urs Renninger einmal auf eine Anzeige – und befand sich wenig später in Höfingen vor einem mindestens 80 Jahre alten Exemplar mit der Sorte Généreuse de Vitry. „Zehn Jahre vorher hätte ich nicht gecheckt, was da vor mir steht“, sagt Urs Renninger. Der Ertrag des Höfinger Baums, 700 Kilo Äpfel, sei massiv. Vor dem Hintergrund des Klimawandels pflanzt der 29-Jährige nach „drei krassen Dürrejahren“ vor 2021 auf seinen Wiesen auch den kasachischen Urapfel. Der brauche wenig Niederschlag.

Mehr Obst bedarf mehr Platz für die Produktion

Im Rahmen seines Naturcidre-Projekts baut Urs Renninger mittlerweile mehr als 100 verschiedene Apfel-, Birnen- und Quittensorten an. Er, der erst Bauingenieurwesen und hinterher Agrarwissenschaften studiert hat, will eines Tages von Cidre und Poiré leben können, einen eigenen Laden besitzen. Er habe sich vorgenommen, Vollgas bei den Pflanzungen zu geben, bis er 30 Jahre alt sei. Dafür benötigt er weitere Grundstücke. Sie zu finden, sei mit Glück verbunden, sagt der Ditzinger, der zudem bekannter werden will. „Und dann stellt sich die Frage nach der Betriebsstätte.“ Denn wenn er mehr Obst hat, bedarf es mehr Platz, um es zu pressen, zu verarbeiten und zu lagern. Zurzeit geschieht das in der Ditzinger Autenstraße, vor und hinter der Kellertür. „Es ist schwer, Räume mit den erforderlichen Bedingungen zu finden“, weiß Urs Renninger: Für die Gärung des Cidres in Fässern und Flaschen sind Temperaturen von unter zehn Grad ideal. Von der Ernte bis zum fertigen Produkt vergeht etwa ein Jahr. Neuerdings bietet Urs Renninger auch Streuobstspaziergänge an mit vielen Infos über die Produkte.

Informationen Wer Interesse hat oder sich allgemein informieren will, kann die Homepage naturcidre.de des 29-Jährigen besuchen.