Gegner, Verweigerer und viel Abstruses gibt es, seit geimpft wird. Auch der Warmbronner Dichter Christian Wagner hatte seine Probleme mit der Impfung.

Leonberg - „Infolgedessen war mir jederzeit das Impfen ein Mordversuch, freventliches Spiel mit Leben und Gesundheit gerade von denjenigen, die Wächter zu sein sich anmaßen.“ Von wem könnten diese Worte wohl stammen? Vielleicht von dem rechtsradikalen Aktivisten Attila Hildmann, der im Verlauf der Covid-19-Pandemie als Verbreiter von Verschwörungsideologien rund um die Virusinfektion in Erscheinung tritt? Mitnichten. Es sind Worte des Warmbronner Bauern und Dichters Christian Wagner (1835 -1918) aus seinem Lebensbericht. Auslöser dafür: seine kleine Tochter war seinerzeit nach einer Impfung schwer erkrankt.

 

1796 sterben 15 Kinder im Dorf an den Pocken

Unser Warmbronner Leser Hans Uwe Arnold hat das Zitat in dem Buch „Warmbronn – Geschichte eines altwürttembergischen Fleckens“ von Monica Mather und Renate Stäbler entdeckt. Die Ablehnung Christian Wagners basiert auf der Zwangsimpfung gegen Pocken. Die gefährlichen Blattern – in Warmbronn sagte man „Blätter“ dazu – haben über Jahrhunderte hinweg in Europa Millionen Menschen dahingerafft. Noch im 18. Jahrhundert starben besonders Babys an dem pustelartigen Ausschlag an Gesicht, Armen und Beinen sowie hohem Fieber.

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In Warmbronn verliefen die Seuchenwellen unterschiedlich. Im Jahr 1789, als 77 Kinder an den Pocken erkrankten, ging es glimpflich ab – nur ein Kind starb. Aber 1796 sollte es richtig schlimm kommen, haben die beiden Autorinnen des Warmbronn-Buches recherchiert. Mit zehn Erwachsenen und 24 Kindern waren es die meisten Toten seit 150 Jahren, die im Dorf verzeichnet wurden. Sowohl die Ruhr als auch die Blattern haben im Dorf gewütet. Allein an den Pocken starben 15 Kinder. Fünf Jahre späte grassieren die Blattern wieder und zwei Erwachsene und fünf Kinder fallen ihnen zum Opfer.

Fake News gibt es schon am Anfang des 19. Jahrhunderts

In Warmbronns Schicksalsjahr 1796 gelang dem englischen Arzt Edward Jenner der wissenschaftliche Durchbruch bei der Impfung gegen Pocken. Er hat einen Jungen mit Kuhpocken – über einen Schnitt in den Oberarm – infiziert. Da es noch keine Spritzen gab, ritzte der Mediziner die Krankheitserreger unter die Haut.

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In den damaligen deutschen Flächenstaaten ist die Bevölkerung äußerst skeptisch. Es gibt Gerüchte, Impfstoffe könnten Menschen verwandeln, zum Beispiel in Kühe. 1807 führt Bayern als weltweit erstes Land eine Impfpflicht gegen Pocken ein. Andere deutsche Staaten ziehen nach. Als im Deutschen Reich im Jahr 1871 deutschlandweit eine schwere Pocken-Epidemie ausbricht, sterben daran rund 180 000 Menschen. Unter Reichskanzler Otto von Bismarck wird 1874 mit dem Reichsimpfgesetz eine Impfpflicht gegen Pocken eingeführt, sie gilt bis 1976.

Pocken-Impfpflicht in Württemberg seit 1829

Einen Erlass zum Impfen gegen Pocken gibt es in Württemberg seit 1829. Auf den berufen sich die Ärzte in Warmbronn, als 1848 wieder 31 Personen erkranken – weil die meisten geimpft waren, verlief die Krankheit abgeschwächt. Ein Todesopfer war zu beklagen. Viele hatten die Krankheit nach den Erfahrungen mit dem ersten Vakzin verheimlicht. Auch wollten sie nicht, dass ihre Häuser – vom Landjäger kontrolliert – für drei Wochen gesperrt und danach Mensch und Wohnung desinfiziert werden. Der Staat griff hart durch. Bei der Verweigerung der Revakzination drohten hohe finanzielle Kosten wie etwa für die Absperrung der Häuser.

Nimmt eine mögliche Pflichtimpfung gegen das Coronavirus die politischen und rechtlichen Hürden, dann löst sie die jüngste deutsche Impflicht ab, die seit dem 14. November 2019 besteht. Damals wurde die bundesweite Impfpflicht gegen Masern für Kinder und Personal in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen wie beispielsweise Kindertagesstätten und Schulen eingeführt.