Robert Kast ist Leiter des Chors Voices of Joy in Renningen. Als hauptberuflicher Musiker kennt er die Sorgen seiner Kollegen.

Renningen - Seinen Start im Renninger Chor „Voices of Joy“ hatte sich Robert Kast doch etwas anders vorgestellt. Seit Januar 2020 ist der 52-jährige Stuttgarter dort der neue Chorleiter. Wie viele Menschen, die ihr Geld mit der Musik verdienen, musste er in der Krise kreativ werden – und hat angefangen, die Chorstunden online zu gestalten, später wurde sogar unter freiem Himmel geprobt. Dank seiner Arbeit als Gesangslehrer sei er trotz der Krise glücklicherweise nicht in finanzielle Nöte geraten, erzählt Robert Kast. Die Sorge um die Zukunft bleibt dennoch.

 

Herr Kast, Sie sind seit einem Jahr Chorleiter bei Voices of Joy. Was machen Sie sonst noch beruflich?

Hauptsächlich bin ich Gesangslehrer. Ich unterrichte an der Musikschule für Popgesang in Feuerbach, „GoVocal“. Zusätzlich bin ich Chorleiter bei einem Chor in Kirchheim unter Teck. Und ich bin Sänger in der Gruppe „Pepper & Salt“, wir machen A-Cappella-Gesang auf Schwäbisch.

Wie stark wurden Sie durch die Coronapandemie eingeschränkt?

Ich habe Musik auf Lehramt studiert. Durch die Ausbildung habe ich das Glück, dass ich breit aufgestellt bin. Mit „Pepper & Salt“ konnten wir 2020 nur ein einziges Konzert geben, dieses Standbein fiel damit für mich weg. Der Gesangsunterricht konnte aber eigentlich durchgängig stattfinden, entweder online oder vor Ort. Mit den Chören war es ähnlich. Ich musste daher keine finanzielle Hilfe beantragen. Die sollte denen zugutekommen, die das Geld wirklich brauchen. Denn es gibt einige Musiker, die allein durch öffentliche Auftritte ihr Geld verdienen und im Moment überhaupt nichts bekommen.

Einfach war der Einstand bei Voices of Joy bestimmt nicht in dieser Zeit. Hatten Sie überhaupt schon Gelegenheit, richtige Chorstunden zu geben?

Ich habe im Januar angefangen. Das erste Vierteljahr konnten wir daher noch ganz normal proben. Da konnte ich auch eine neue Gesangstechnik einbringen. Dann kam der Lockdown. Ich weiß, dass viele Chöre, vor allem die mit vielen älteren Mitgliedern, ihre Proben danach erst mal komplett eingestellt haben. Wir haben aber online weitergemacht und haben sogar ein Split-Screen-Video zusammengestellt. Dabei werden die Stimmen einzeln eingesungen und am Rechner später zusammengestellt. „Freude schöner Götterfunken“ haben wir so aufgenommen.

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Aber eine „echte“ Chorprobe ist so wahrscheinlich ziemlich schwierig: Wenn man sich gegenseitig nicht hört und alle Stimmen zeitversetzt ankommen?

Natürlich sind das keine wirklichen Chorproben gewesen. Das ist online gar nicht möglich. Ich habe es so gemacht, dass ich die Stimmen vorgesungen habe und die Sängerinnen konnten es zu Hause für sich nachsingen. Aber das ist kein Ersatz für eine gemeinsame Probe, bei der man seine Mitsängerinnen direkt neben sich hat.

Konnten solche gemeinsamen Proben zwischenzeitlich wieder stattfinden?

Angefangen haben wir mit einem Treffen unter freiem Himmel im Garten, mit großen Abständen zueinander. Das ist natürlich auch nicht ideal, weil man sich da nicht so gut hört, aber es war ein Anfang. Später haben wir in der Bergwaldhütte geprobt, das ging dann schon etwas besser, und schließlich, mit einem umfassenden Hygienekonzept, wieder alle unter einem Dach. Das war eine echte Steigerung, was die Probenqualität angeht. Seit November geht das leider wieder nicht mehr.

Wegen des zweiten Lockdowns. Hat Sie dieser erneute Einschnitt hart getroffen?

Dadurch, dass der Unterricht an der Gesangsschule durchgängig stattfinden konnte, geht es soweit gut. Dass ich im Januar 2020 die Stelle in Renningen antreten konnte und fast durchgehend mit den Sängerinnen arbeiten konnte, war außerdem ein Glücksfall. Das hat ebenfalls viel abgefedert.

Wie geht es jetzt weiter für den Chor?

Die Voices of Joy proben in reduzierter Sängerinnenzahl weiter online und visieren zaghaft einen Auftritt bei einem befreundeten Chor im Juli an. Das motiviert alle ungemein. Man merkt, wie sehr das gemeinsame und öffentliche Singen vermisst wird.

Auch wenn es Sie selbst, wie Sie sagen, sehr viel weniger hart getroffen hat als andere Musiker: Bleiben trotzdem Ängste, wie es weitergehen könnte?

Ich mache mir schon Sorgen, vor allem, was die Chorlandschaft angeht. Viele Chöre bestehen in großen Teilen aus älteren Mitgliedern. Wenn diese sich entschließen, wegen Corona oder nach der langen Pause mit dem Singen ganz aufzuhören, ist die Zukunft des kompletten Vereins gefährdet. Denn die Vereine finanzieren sich größtenteils aus Mitgliedsbeiträgen. Wenn die Chöre sterben, sterben auch viele Jobs.

Kennen Sie ähnliche Sorgen auch von anderen Musikerkollegen?

Was ich so höre, macht sich tatsächlich eine gewisse Hoffnungslosigkeit breit. Ich bin sehr beeindruckt, wie kreativ und einfallsreich viele Musiker mit der Krise umgegangen sind, mit Online-Konzerten und so weiter. Aber das rechnet sich auf Dauer nicht. Und die Frage ist auch: Wie geht es mit den kleinen Bühnen weiter? Große Hallen werden sicher weiter Bestand haben, aber wenn die kleinen Einrichtungen die Krise nicht überstehen, gibt es für viele Kleinkünstler keine Auftrittsmöglichkeiten mehr. Und das betrifft dann nicht nur die Künstler selbst, sondern auch alle anderen, die damit zu tun haben. Zum Beispiel die Techniker und andere Bühnenmitarbeiter.