100 Studenten lernen von Sonntag an bei namhaften Dozenten. Dazu gibt es Konzerte und am Montag eine Musikmesse.

Rutesheim - Am Sonntag startet die elfte Auflage der Cello-Akademie in Rutesheim (Programm: hier). In zehn Jahren hat die Veranstaltung, die Konzerte, Meisterkurse und eine Musikmesse mit jeder Menge Gemeinschaftserlebnisse vereint, eine rasante Entwicklung hingelegt. Im Interview wirft der Initiator und Leiter, Matthias Trück, einen Blick zurück, erzählt, worauf er sich in diesem Jahr besonders freut und wie er die Cello-Akademie gern weiter- entwickeln will.

 

Herr Trück, sind Sie schon aufgeregt?

Aufregung entsteht durch viele Sachen, die ich nicht in der Hand habe. So ist mir kurzfristig eine Pianistin ausgefallen, für die ich Ersatz suchen musste. Manchmal bekommen Studenten, etwa aus Russland oder Asien, erst ganz kurzfristig ein Visum. Aber wir machen das schon seit zehn Jahren und wissen ganz gut, was auf uns zukommt.

Was ist denn noch zu tun?

Die Beschilderung muss noch gemacht werden und das ohne Sprachbarriere. Die Konzertflügel müssen verteilt werden und alle Klassenzimmer zu Meisterkursräumen umgebaut werden. Und ich habe kürzlich erfahren, dass uns in der Realschule ein Trakt nicht zur Verfügung steht wegen Reparaturen. Da müssen wir jetzt flexibel sein, dabei brauchen wir so viele Räume wie möglich. Auch für eines der Dozentenkonzerte muss ich eine Lösung finden. Vier Dozenten sollen als Quartett mit Orchester ein Stück spielen, das sie noch nie zusammen gespielt haben. Der Zeitplan lässt es zudem nicht zu, dass alle wenigstens einmal zusammen üben vor der Orchesterprobe.

Worauf freuen Sie sich diesmal besonders?

Auf alles. Vor allem darauf, die anderen wiederzusehen. Ich kenne alle Professoren mittlerweile sehr gut, wir sind eine Gemeinschaft geworden. Ich freue mich auch auf die Musikmesse. Die ist mittlerweile eine große eigene Veranstaltung geworden mit eigenen Workshops und Ausstellern aus der Ukraine, Belgien, Niederlande und natürlich Deutschland. In diesem Jahr freue ich mich auch besonders aufs Abschlusskonzert. Im vergangenen Jahr wurde die Messlatte sehr hoch gehängt. Der erst 13 Jahre alte Cellist Thomas Prechal hat eine Eigenkomposition für Cello und Orchester mitgebracht, sie kurzerhand beim Abschlusskonzert auf der Bühne in „Rutesheim Rhapsody“ umbenannt und der Cello-Akademie gewidmet. Für dieses Jahr hat er quasi ein Auftragswerk geschrieben, das er mit einem weiteren Studenten beim Abschlusskonzert uraufführen wird. Eine andere Studentin hat auch extra für die Cello-Akademie ein Stück komponiert, das ebenfalls beim Abschlusskonzert uraufgeführt wird. Wir werden also zwei Uraufführungen haben. Ich finde es unglaublich, dass sich die Studenten hinsetzen und für uns komponieren.

Das ist wirklich außergewöhnlich.

Ich finde das genial. Thomas Prechal sticht für mich aus der großen Masse an sehr guten Cellisten heraus, weil er so vielseitig ist.

Macht das auch die Cello-Akademie aus?

Was uns ausmacht, ist, dass es keine geschlossene Veranstaltung ist. Es ist alles öffentlich, auch die Meisterkurse. Da kann man sich ansehen, dass es ein Eins-zu-Eins-Coaching ist, bei dem es total in die Tiefe geht. Meist geht es um alles andere als die Technik. Da kann auch schon mal eine Stunde über einen Ton philosophiert werden. Die Stundenpläne hängen ab dem ersten Tag öffentlich aus und sind auch im Internet. Auch die Mensa, wo sich alles trifft, ist offen für jeden, der einen Kaffee trinken oder Tischkicker spielen möchte.

Hätten Sie sich diese Entwicklung träumen lassen?

Nein. Ich wusste ja gar nicht, was passiert. Die Cello-Welt hat sich seitdem auch um 180 Grad gedreht. Jetzt stecken wir mittendrin im Getriebe, weil wir mittlerweile weltweit bekannt sind.

Inwiefern?

Die Entwicklung geht in eine Richtung, die nicht nur positiv ist. Cellisten waren früher die Coolen im Orchester, während etwa die Violinisten die waren, die immerzu geübt haben. Jetzt werden die Studenten immer jünger und dabei immer besser. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich bei Bewerbungsaufnahmen denke, der ist schon 16, aber er studiert noch nicht. Da erschrecke ich selber. Wir hören auch oft von Gastfamilien, dass die Studenten von morgens früh bis abends spät üben. Das ist nicht das, was wir wollen. Wir versuchen, dem ein kleines bisschen entgegenzuwirken. Wir sagen den Studenten, üben könnt ihr das ganze Jahr. Nutzt die Akademie, um Kontakte zu Dozenten, anderen Studenten und Herstellern zu knüpfen. Seht euch die Konzerte an und holt euch Inspirationen.

Gibt ihnen da der Erfolg Ihrer Studenten Recht?

Ich verfolge die Karrieren einzelner Studenten. Zuletzt etwa gewann unser Absolvent Haruma Sato den ARD-Klassik-Preis. Er studiert auch bei Jens Peter Maintz, einem unserer Dozenten. Das ist auch der Grund, warum ich meine Dozenten noch herbekomme. Weil sie in Rutesheim gute Studenten finden. Ein Dozent kann niemanden von der Abschlussprüfung weg aufnehmen. Es ist etwas anderes, wenn man eine Woche zusammenarbeitet.

Wieder Uraufführung geplant

Was war Ihr persönliches Highlight in den zehn Jahren Akademie?

Die Uraufführung der Cello-Konzerte des sehr namhaften Komponisten Enjott Schneider. Er hat für uns insgesamt drei Werke geschrieben, das waren wunderbare Konzerte. Und diese Stücke wurden danach auf CD aufgenommen und werden seither regelmäßig aufgeführt. Ansonsten gibt es immer gewisse Momente in den Konzerten, bei denen man weiß, warum man das macht. Auch wenn es ein immenser Druck ist, oben auf der Bühne zu stehen. Unten sitzen 100 Studenten und gucken einem genau auf die Finger, weiter oben sitzen die Dozenten und tun dasselbe. Es ist toll, wenn man sieht, wie Studenten über sich hinauswachsen. So etwas kann man auch nur auf der Bühne üben. Ein ganz besonderes Highlight war natürlich auch, dass wir „2Cellos“ für einen Auftritt nach Rutesheim holen konnten.

Wie stellen Sie sich die Zukunft der Akademie vor?

Ich möchte die Cello-Akademie gern in etwas Ganzjähriges ausbauen. So eine Art Bootcamps, die regelmäßig in Rutesheim stattfinden. Die Zielgruppe sind Studenten aus dem Ausland, deren großes Ziel es ist, in Deutschland Cello zu studieren. Für die ist es aber schwierig, nach Deutschland zu kommen. Es gibt hohe Hürden, etwa beim Visum. Dann wäre da die Sprache. Oft ist für ein Studium B1-Niveau erforderlich. Deshalb gehört ein Sprachkurs dazu. Aber eben auch Kurse bei den Cello-Dozenten. Mit den Studenten würden wir auch gern Projekte vor Ort machen, etwa an Schulen.

Die Cello-Akademie soll also dauerhaft in Rutesheim bleiben?

Ja. Rutesheim ist meine Heimatstadt. Hier werde ich gehört, wenn ich ins Rathaus gehe. Am Ende ist Rutesheim auch das, was die Cello-Akademie ausmacht. Das Familiäre. Das sagen auch die Dozenten und Aussteller der Musikmesse. Die schönsten Kontakte entstehen an der Tischtennisplatte. Ich könnte so etwas problemlos in München, Berlin oder Leipzig machen. Aber da würden die Grüppchen abends rausgehen zum Essen. Hier kommen alle in der Mensa zusammen. Für alle Teilnehmer brauche ich zudem 120 Plätze in Gastfamilien. Das ist eine stolze Zahl für eine Stadt mit 10 000 Einwohnern. Aber man spürt eben auch, dass die ganze Stadt beteiligt ist.

Zur Person: Matthias Trück

Der Rutesheimer hat an der Hochschule für Musik in Köln Cello studiert. 1997 gründete er mit drei weiteren Studenten die Gruppe „Quattrocelli“, die in den Folgejahren weltweit Konzerte spielte. Mit Tim Ströbele widmet er sich im Duo „Ponticellos“ der Rock- und Popmusik und veröffentlicht CDs. Daneben produziert und arrangiert er Musik. 2009 wird schließlich die Cello-Akademie mit Meisterkursen und Konzerten ins Leben gerufen, die seit 2013 in den Herbstferien im Rutesheimer Schulzentrum stattfindet. Getragen wird sie vom Verein Cello-Akademie Rutesheim.