Annegret Kramp-Karrenbauer erfüllt die üblichen Erwartungen: Die Parteichefin und der Unternehmer Ernst-Martin Schaible bei den Reizthemen Bürokratie und Mittelstand die Bälle zu.

Leonberg - In vielen Punkten ticken Annegret Kramp-Karrenbauer und Ernst-Martin Schaible ähnlich. Besonders die Lage des Mittelstandes im Allgemeinen und die des Handwerks im Besonderen beurteilen die CDU-Bundeschefin und der Leonberger Unternehmer fast identisch.

 

Beide sind Redner beim Neujahrsempfang, den die CDU Leonberg und die MIT, der Landesverband der Mittelstandsvereinigung der Partei, gemeinsam veranstalten. Ein wirtschaftspolitischer Neujahrsempfang, wie Oliver Zander, der Vorsitzende beider Verbände, betont. Genau deshalb hat er neben dem Stargast AKK auch den heimischen Firmenlenker eingeladen, Schaible soll der Parteichefin aus dem fernen Berlin sagen, wo den mittelständischen Betrieben der Schuh drückt.

Schaible: Faire Bedingungen ermöglichen

Der Gründer des Einkaufsverbundes „Der Kreis“ ist schon von seinem Werdegang her prädestiniert, die Belange seiner Zunft zu vertreten. Er benutzt diesen Begriff übrigens ganz bewusst, um an die ersten Zusammenschlüssen von Handwerkern vor knapp 1000 Jahren zu erinnern.

Schaible, der bald 73 wird, hat im elterlichen Tischlerbetrieb im Schwarzwald angefangen und kam über die Firma Alno erstmals mit Küchen in Kontakt. „Da gab es ganz viele kreative Küchenstudios, die aber keiner ernst genommen hat“, berichtet er den Gästen in der Stadthalle. Entsprechend hatten sie keine Marktmacht und mussten überhöhte Preise bezahlen.

Schaible gründete die Einkaufskooperation „Der Kreis“, um, wie er sagt, „faire Bedingungen zu ermöglichen“. Heute agiert „Der Kreis“ erfolgreich in vielen europäischen Ländern, der Stammsitz ist mitten im Gewerbegebiet Hertich.

AKK: Man hat das Gefühl, der Mensch beginnt mit dem Abi

Die Probleme liegen für den rührigen Unternehmer auf der Hand: Fachkräftemangel, zu viel Bürokratie und zu wenig Handwerker. Alles Bälle, die Annegret Kramp-Karrenbauer gerne aufgreift: „Man hat das Gefühl, dass in Deutschland der Mensch erst mit dem Abitur beginnt“, sagt die mit fünf Geschwistern im saarländischen Püttlingen aufgewachsene 57-Jährige. „Das war und ist falsch.“

Sie lobt Schaibles Weg, Kleine zusammenzuführen, um gemeinsam stark zu sein und stellt eine Entbürokratisierung in einer neuen politischen Konstellation in Aussicht. Die Bonpflicht selbst für Kleinstbeträge im Einzelhandel soll im Koalitionsausschuss überprüft werden.

„In manchen Ländern reicht es, wenn 90 Prozent der bürokratischen Vorgaben erfüllt werden“, blickt AKK, die neben der französischen Grenze aufgewachsen ist, zu den europäischen Nachbarn. „Bei uns müssen es immer 110 Prozent sein, selbst wenn 80 Prozent akzeptabel wären.“

Nicht selbstzufrieden und blauäugig ins neue Jahrzehnt gehen

Wie sehr die Bürokratie selbst die Bundeswehr durchdringt, erlebte die Verteidigungsministerin bei einem Truppenbesuch in Mali: „Mir hat ein Soldat gesagt, er ist zum Bund gegangen, um der Bürokratie zu entfliehen. Und was findet er in der afrikanischen Wüste vor? Einen Umweltbeauftragten für Mülltrennung!“

Die Leute lachen. Ansonsten bleibt die prominente Rednerin gewohnt sachlich und bedient das vornehmlich parteifreundliche Publikum mit modernem Konservatismus à la AKK: „Der Erhalt der Schöpfung als Geschenk Gottes ist tief in unserer DNA verwurzelt“, sagt sie zum Kampf gegen den Klimawandel. „Das ist keine Erfindung der Grünen.“ Lösungen gebe es aber nicht „mit Katastrophenszenarien, sondern mit Verstand. Wenn wir ein heruntergewirtschaftetes Land sind, können wir die Zukunft nicht bewältigen“.

Die CDU-Chefin bekennt sich zu Fachkräften aus dem Ausland, aber: „Es ist gerechtfertigt, dass jeder Staat seine eigenen Interessen hat und die Zuwanderung steuert.“ Hier ist der Applaus besonders laut, genau wie bei ihrer Forderung nach Steuersenkungen und der vollständigen Abschaffung des Solidaritätsbeitrages.

„Gehen Sie nicht selbstzufrieden und blauäugig – aber auch nicht in Katastrophenstimmung – ins neue Jahrzehnt“, wünscht die CDU-Parteichefin den Leonberger Bürgern. So drückt es wohl nur AKK aus.