Swen Menzel will Sabine Kurtz als Landtagskandidat ablösen. Schon vor dem eigentlichen Wahlkampf tourt er deshalb durch die Gegend. Am Samstag kommt es nun zur Entscheidung.

Leonberg/Herrenberg - Immerhin 13,5 Millionen Euro gibt das Land jedes Jahr für die Denkmalpflege aus. Das klingt nach viel, ist fürs ganze Land aber wahrscheinlich noch viel zu wenig. Wo also soll das Geld hinfließen? Katrin Schütz (CDU) nennt die Zahl von 13,5 Millionen und muss dann schmunzeln. Als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium ist sie für die Verteilung der Gelder zuständig. „Die Rolle der Abgeordneten ist da ganz wichtig“, sagt Schütz. „Es gibt welche, die solange beharrlich kämpfen und nachfragen, bis es mit den Projekten in ihrem Wahlkreisen klappt.“

 

Ortstermin in Dätzingen. Katrin Schütz besucht zusammen mit dem CDU-Arbeitskreis Wissenschaft und Kunst das dortige Schloss. Als die Staatssekretärin über die „Rolle der Abgeordneten“ spricht, blickt manches Auge zu Sabine Kurtz, die örtliche Abgeordnete, quasi Gastgeberin, Mitglied in diesem CDU-Arbeitskreis, inzwischen auch Vizepräsidentin des Landtags, kurzum: Voll angekommen im Stuttgarter Politikbetrieb.

Ein offensiver Konkurrenzkampf

Aber wie lange noch? Am 14. März 2021 sind Landtagswahlen, und Kurtz muss nicht nur vor dem Wähler zittern. Vorher, an diesem Samstag, will ihr Swen Menzel die Kandidatur abkämpfen. Seit fast einem Jahr schon legen Kurtz und Menzel einen innerparteilichen Wahlkampf hin, der ungewöhnlich ist. Auch bei anderen Parteien oder in anderen Wahlkreisen gibt es durchaus mehrere Kandidaten – die aber stellen sich in ein paar Ortsverbänden vor. Swen Menzel als innerparteilicher Herausforderer sucht seit Monaten aber den Kontakt auch nach außen, besucht Firmen, lädt zu Gesprächsrunden ein, macht Wanderungen.

Swen Menzel (li.) im Einkaufszentrum, zusammen mit Geschäftsführer Ralph Geyer. Foto: factum

Was macht das momentan mit der CDU? Ortstermin in Renningen. Swen Menzel besucht am Montagvormittag das Einkaufszentrum-Süd. Auf seinem Rundgang kommt Menzel an der Subway-Filiale vorbei, die Manuel Bohm dort zusammen mit seiner Frau betreibt. Erst im vergangenen Jahr ist Bohm als bester Subway-Franchise-Nehmer von ganz Deutschland ausgezeichnet worden – ein großer Erfolg für den 35-Jährigen. Swen Menzel lauscht genau, Wirtschaft und Erfolg, das ist seine Welt. „Woran liegt es, dass Sie so erfolgreich sind?“, will Menzel wissen. Er arbeite 80 Stunden in der Woche, und das seit fünf Jahren ohne einen Tag Urlaub, sagt Bohm. Er habe sich einen guten Kundenkreis aufgebaut. Aber: „Auch ich habe Existenzängste.“ Wegen Corona wisse er nicht, wie es weitergeht.

Menzel will das Direktmandat zurückholen

Viereinhalb Jahre ist der letzte Wahlkampf her, der der CDU in Mark und Bein gefahren ist. Zum ersten Mal rutschen die Christdemokraten ab auf Platz zwei, verlieren 38 von 60 Direktmandaten, darunter auch den Wahlkreis Leonberg/Herrenberg/Weil der Stadt. Er habe damals schon ein schlechtes Gefühl gehabt, sagt Swen Menzel heute. Damals war er Zweitkandidat von Sabine Kurtz, also ihr engster Mitstreiter. „Ich war dabei, bei ihrem Wahlkampf, beim Infostand“, erzählt er. Es war die Hochzeit der Diskussion um die Flüchtlingspolitik, der Kritik an der CDU und an Angela Merkel. Menzel wagt eine Behauptung: „Wenn man sich ernsthaft mit den Leuten auseinandersetzt, kann man viel erreichen.“ Und mit Blick auf Kurtz: „Dieser Austausch hat mir gefehlt.“

Ganz oben auf seiner Internetseite hat Menzel sein wichtigstes Projekt notiert: „Ich habe das klare Ziel, das verlorene Direktmandat für die CDU zurückzugewinnen“, steht da. Was aber ist vor viereinhalb Jahren schief gelaufen? Der 42-Jährige nennt die Organisation des Wahlkampfs, die fehlende Durchschlagskraft. „Wenn ich selbst nicht von etwas überzeugt bin, kann ich andere auch nicht überzeugen.“ Manchmal habe er das Gefühl, man habe in der CDU akzeptiert, dass die Grünen eh gewinnen.

Kurtz: Ich habe nicht übers Aufhören nachgedacht

All das richtet sich direkt gegen Sabine Kurtz. Seit 14 Jahren sitzt die 59-Jährige im Landtag. Zweimal hat sie das Direktmandat gewonnen, 2016 bekam sie – nach einer aufregenden Wahlnacht, in der alles auf der Kippe stand – noch ein Zweitmandat. 2017 bis 2019 war sie Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der die Skandale um die Hochschule Ludwigsburg aufklärte. Seit April 2018 ist Kurtz Vizepräsidentin des Landtags.

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Und damit formal eine der ranghöchsten Politikerinnen im Land. Früher war man stolz in der CDU, wenn es jemand aus den „eigenen Reihen“ geschafft hat. 2020 hört sich das im Wahlkreis Leonberg/Herrenberg anders an. Jemand wirft Kurtz „Arroganz der Macht“ vor. Jemand fordert sie auf, die Bürger mitzunehmen und sich „nicht in der S-Klasse durch die Gegend kutschieren zu lassen“.

Beide Äußerungen stammen vom stellvertretenden Vorsitzenden der CDU Herrenberg. Swen Menzel selbst ist der Vorsitzende der CDU Herrenberg. Sabine Kurtz war lange Jahre, von 2003 bis 2017, Vorsitzende der CDU Leonberg. Beide Städte bilden zwei Pole eines großen, gemeinsamen Wahlkreises, und das macht die Sache so kompliziert. Es gibt kaum Berührungspunkte, weder geografisch, noch personell. Man sieht sich wenig, man kennt sich kaum. Jeder wittert Benachteiligung. Etwa einer der schlimmsten Vorwürfe gegen Politiker: Sie seien zu wenig präsent.

Sabine Kurtz kennt all das, auch die Vorwürfe. „Ich habe nicht übers Aufhören nachgedacht“, sagt sie, auch nach dem Verlust des Direktmandats nicht. „Gewählt ist gewählt, die Leute begreifen mich als ihre Abgeordnete und wenden sich an mich.“ Das Wahlergebnis werde von der Großwetterlage massiv mit beeinflusst – immerhin sei ihr Ergebnis besser als das landesweite CDU-Ergebnis „Es braucht jetzt jemanden, der Erfahrung, Kontakte und Kenntnisse hat“, sagt sie.

Von Vorwürfen und Paukenschlägen

Ihre Erfolge? Dass es jetzt das Polizeiausbildungszentrum in Herrenberg gebe, sei „kein Zufall“, auch für die Sanierung der Jugend-Akademie Weil der Stadt aus Landesmitteln habe sie sich intensiv eingesetzt. Auch die Weiterentwicklung der Digitalisierung in den Schulen nennt sie als Erfolg. Das wirft ihr mancher jetzt vor, viele Schulen sind schließlich noch kaum digitalisiert. „Wir haben dafür wahnsinnig viel Geld zur Verfügung gestellt“, antwortet sie dann. „Die Verantwortung für die Umsetzung liegt aber bei den Kommunen, die das Geld für die Laptops jetzt auch einsetzen müssen.“

Und sonst? Die Präsenz? „Dieser Vorwurf ist scheinheilig“, formuliert es Sabine Kurtz direkt. „Herr Menzel als Herrenberger Stadtverbandsvorsitzender hat mich bewusst selten eingeladen und mir möglichst auch ein Grußwort verwehrt.“

Vor dem Termin in Dätzingen ist Sabine Kurtz zu Gast bei dem Malmsheimer Künstler Andreas Furtwängler, der an einem „Coronavirus“ arbeitet, den er im Robert-Koch-Instituts ausstellen will. Kurtz steht unter dem Eindruck eines „Gäuboten“-Artikels, in dem ihr Herrenberger CDU-Politiker vorwerfen, sich zu viel um Kunst zu kümmern. Dabei sei Wirtschaft doch wichtiger. „Lothar Späth war der erste, der Kultur als Standortfaktor entdeckt hat“, sagt sie in Furtwänglers Atelier. „Darauf sind wir in der CDU zu Recht stolz.“

Wo verlaufen die Fronten?

Es ist der vorläufige Höhepunkt einiger Paukenschläge in diesem Wahlkampf. Der erste war die Nachricht in diesem Frühjahr, wonach der Stadtverband Herrenberg einen offiziellen Beschluss gefasst hatte, Swen Menzel zu unterstützen – einstimmig, wie es hieß. Auch in Leonberg hat man von diesem Beschluss erfahren und den Kopf geschüttelt. „Frau Kurtz kann mit einer großen Unterstützung aus unseren Reihen rechnen“, sagt Oliver Zander, der Chef der Leonberger CDU. Sie sei „überall präsent“. „Das merke ich allein daran, dass es richtig schwierig ist, mit ihr einen Termin zu vereinbaren.“ Vorstandsbeschlüsse aber brächten nichts, seien Symbolpolitik, schließlich könne jedes Mitglied frei abstimmen.

An diesem Mittwoch reicht auch die Junge Union Herrenberg einen weiteren Beschluss nach: Der JU-Vorstand habe sich ebenfalls „einstimmig“ für Swen Menzel entschieden, teilt der Vorsitzende Simon Straube-Kögler mit. Im Umfeld Menzels versucht man schon lange den Eindruck zu streuen, die komplette Junge Union stehe hinter Menzel. Wo also verlaufen die Fronten in dieser Auseinandersetzung? Zwischen Herrenberg und Leonberg? Zwischen der Jugend auf der einen und den Älteren und den Frauen auf der anderen Seite?

Keine „Anti-Kurtz-Stimmung“ in Weil der Stadt

So einfach ist das nicht. Ein weiterer Paukenschlag war ein Leserbrief im „Gäuboten“, verfasst von Rainer Stefanek, stellvertretender Vorsitzender der CDU Herrenberg. „Ich habe kein Verständnis, dass sich Swen Menzel überhaupt hat aufstellen lassen“, schreibt er da öffentlich. Er treibe in dieser schwierigen Phase einen Keil in die CDU, er unterstütze Sabine Kurtz „zu 100 Prozent“.

Wer wann was gesagt hat, wird dann unklar – die Nerven in der Partei liegen jedenfalls blank. Die Nominierung im Frühsommer musste wegen Corona abgesagt werden, jetzt folgt die Entscheidung am Samstag in Renningen – natürlich ohne den in dieser Woche abgetretenen Kreisvorsitzenden Michael Moroff, der die komplizierte Organisation einer Veranstaltung mit bis zu 500 Menschen in Corona-Zeiten vorbereitet hatte.

Gastgeberin in Renningen ist die dortige Vorsitzende Kerstin Bangemann. Sie ist ein Menzel-Fan. „Ich bin von ihm richtig überzeugt“, sagt sie. Ihr Weil der Städter Kollege Joachim Oehler wiederum teilt mit, dass es in seiner Stadt „keine Anti-Kurtz-Stimmung“ gebe: „Wir hätten nie darüber nachgedacht, sie abzuwählen.“ Für die Frauen-Union sagt deren Kreisvorsitzende Elke Staubach, man unterstütze Sabine Kurtz, die „sehr gute Arbeit geleistet“ habe. Und die Geschlossenheit der Jungen Union stimmt auch nicht so ganz. „Ich persönlich und auch der größte Teil unserer Mitglieder stehen zu 100 Prozent hinter Sabine Kurtz“, sagt Tobias List, der Leonberger JU-Vorsitzende.

Swen Menzel dagegen hat sich die Unterstützung von Otto Hauser gesichert. Der 68-Jährige war Bundestagsabgeordneter und kurze Zeit Sprecher von Helmut Kohl. Die CDU müsse wieder „die Partei der sozialen Marktwirtschaft“ werden, sagt Hauser, er wünsche, dass Menzel Erfolg habe. Otto Hausers Sohn Tim hat übrigens Ähnliches probiert. Im Wahlkreis Esslingen versuchte er, dem langjährigen Bundestagsabgeordneten Markus Grübel die Nominierung abzujagen. Tim Hauser ist damit im Juli gescheitert.