Seit 2002 holt Bundestagsabgeordneter Gunther Krichbaum das Direktmandat für den Wahlkreis Pforzheim, zu dem auch die Enzkreisgemeinden gehören. Konkurrenz könnte ihm die SPD-Abgeordnete Katja Mast machen.

Enzkreis - Für große Überraschungen bei der Bundestagswahl war der Enzkreis in der Vergangenheit nicht gerade bekannt. Seit seiner ersten Kandidatur 2002 hat Gunther Krichbaum von der CDU immer das Direktmandat aus dem Wahlkreis Pforzheim erhalten – 15 Jahre in Folge. Alle anderen Direktkandidaten waren weit abgeschlagen. Selbst seine stärkste Konkurrentin Katja Mast (SPD) lag 2017 mehr als 17 Prozentpunkte hinter ihm, 2013 sogar fast 27 Prozentpunkte.

 

Trotzdem hat sie es dank ihrer guten Platzierung auf der Landesliste immer in den Bundestag geschafft. Dieses Jahr könnten beide sogar noch Gesellschaft bekommen: Auch Stephanie Aeffner von den Grünen hat mit Listenplatz 15 gute Chancen auf ein Mandat. Und selbst der Einzug von FDP-Kandidat Rainer Semet, ebenfalls Listenplatz 15, ist nicht ausgeschlossen.

Das Rennen um das Direktmandat wird spannend

„Angesichts der guten Umfragewerte für die SPD könnte das Rennen um das Direktmandat im Wahlkreis Pforzheim durchaus spannend werden“, glaubt Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung (LPB) Baden-Württemberg. „Schließlich ist es Ute Vogt, wenn auch vor 23 Jahren, schon einmal gelungen, für die SPD das Direktmandat zu erobern.“

In Anbetracht der großen Abstände bei den vergangenen Wahlen sieht es das Prognosemodell der Universität Mannheim derzeit jedoch für sehr wahrscheinlich an, dass die CDU das Direktmandat wieder gewinnen wird. „Sollte dies der Fall sein, wäre der Wahlkreis wenigstens wieder mit mindestens zwei Abgeordneten im Bundestag vertreten.“

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Denn Katja Mast befindet sich auf Platz fünf der baden-württembergischen Landesliste und wird somit auch unabhängig von ihrem Stimmenergebnis den Enzkreis in Berlin weiter vertreten. Die SPD-Kandidatin ist seit 2005 Mitglied des Bundestags. Ihr geht es nach eigener Aussage darum, „das Soziale nicht aus den Augen zu verlieren – egal ob beim Klimaschutz, der Rente, bezahlbarem Wohnen oder beim Mindestlohn“.

Bald drei statt zwei Abgeordneten?

Stephanie Aeffner von den Grünen könnte mit Listenplatz 15 auf der Landesliste die Dritte im Bunde sein. Die Sozialarbeiterin, die seit mehr als 20 Jahren im Rollstuhl sitzt und 2016 zur Landes-Behindertenbeauftragten ernannt wurde, kandidiert zum ersten Mal für den Bundestag. Sie sieht sich selbst als Fachpolitikerin für den Sozial- und Gesundheitsbereich.

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Für die Kandidatin der AfD, Diana Zimmer, sieht Michael Wehner in Anbetracht der derzeitigen Umfragewerte für die Partei wenig Chancen beim Kampf um das Direktmandat. Ein Einzug in den Bundestag wäre damit quasi ausgeschlossen, denn die Kandidatin hat keinen Listenplatz erhalten. „Interessant ist allerdings, dass die männerdominierte Partei mit Diana Zimmer eine 22-jährige Kandidatin ins Rennen schickt.“

Auch die anderen antretenden Parteien werden nach Ansicht der LPB bei der Vergabe des Direktmandats im Enzkreis keine Rolle spielen, „umso ehrenwerter ist es, dass diese Parteien trotzdem mit interessanten Bewerberinnen und Bewerbern zur Wahl antreten“, sagt Wehner. Für die FDP ist das zum Beispiel Rainer Semet, der Vorsitzende des FDP-Ortsverbands Pforzheim und auf Platz 15 der Landesliste. Im jetzigen Bundestag entfallen auf die FDP Baden-Württemberg zwölf Sitze.

Wahlkampf in Corona-Zeiten nicht leicht

Trotz der guten Ergebnisse in der Vergangenheit will Gunther Krichbaum die Wahl in keinem Fall als Selbstläufer betrachten. Im Unterschied zu Kandidaten anderer Parteien, die über ihre jeweilige Landesliste abgesichert sind, „ist das bei mir nicht der Fall. Das heißt, dass ich die Arbeit für unsere Region nur dann fortsetzen kann, wenn ich bei den Erststimmen die Mehrheit erhalte.“

Gleichzeitig kämpfen er und die anderen Direktkandidaten nicht nur um ihre eigenen Stimmen, sondern ebenso um die für ihre Partei. Und in Coronazeiten ist das gar nicht so leicht, Veranstaltungen in geschlossenen Räumen finden seltener oder gar nicht statt, vieles spielt sich unter freiem Himmel oder im direkten Gespräch ab.

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Immerhin sei mehr Kontakt zu den Wählern möglich als noch bei der Landtagswahl, sagt Stephanie Aeffner. Bei den persönlichen Gesprächen nehme sie bei vielen Menschen „den Wunsch nach Aufbruch und Veränderung in der Politik wahr“. Gunther Krichbaum würde sich in den aktuellen Debatten vor allem wünschen, „dass wir mehr über die Themen sprechen, die jetzt für unser Land wichtig sind, denn im Lichte der Ewigkeit dürfte es relativ egal sein, wer bei wem ein Buch abgeschrieben hat“. Vielmehr sollte es um Perspektiven für die Wirtschaft und eine Balance zwischen Ökologie und Ökonomie gehen. Der CDU-Kandidat sieht sich „als Anwalt unserer Region“ und streitet in Berlin leidenschaftlich für Projekte des Kreises wie beispielsweise den Ausbau der Autobahn 8 und für den Breitbandausbau.

Digitalisierung und Zuwanderung sind Themen im Enzkreis

Womit er genau in die Kerbe schlägt, die nach Ansicht von Michael Wehner entscheidend ist im Pforzheimer Wahlkreis. Noch stärker als in anderen Wahlkreisen spiele hier nämlich die Frage nach Arbeitsplätzen eine bestimmende thematische Rolle. Und das Thema Digitalisierung erhalte bei vielen eine stärkere Gewichtung als beispielsweise ökologische Fragestellungen.

Gleiches gilt für die Zuwanderung. Entsprechend konnten Parteien wie die AfD bei der Bundestagswahl 2017 und die FDP bei der Landtagswahl 2021 stärker punkten als in manch anderen Regionen. Ob die genannten Themen weiterhin die ausschlaggebenden sind, wird sich am 26. September zeigen.

Das ist der Wahlkreis Pforzheim

Der Wahlkreis
Zum Wahlkreis 279 gehören der Stadtkreis Pforzheim und der Enzkreis, inklusive der Gemeinden Friolzheim, Mönsheim und Wimsheim und der Stadt Heimsheim. Bei der Bundestagswahl 2017 waren hier rund 220 000 Menschen wahlberechtigt.

Ergebnisse 2017
Bei der letzten Bundestagswahl holte die CDU mit 36,4 Prozent die meisten Erststimmen. Mit großem Abstand folgte die SPD, die 19 Prozent der Stimmen bekam. Die AfD lag mit 15,8 Prozent auf dem dritten Platz. Die FDP holte 11,9 Prozent, die Grünen 9,6 Prozent, die Linke 4,7 Prozent. Das Direktmandat bekam Gunther Krichbaum (CDU). Katja Mast (SPD) schaffte es über die Landesliste nach Berlin.