Die Biogasanlage der Familie Gall kommt komplett ohne Futtermittel wie Getreide aus. Nur Gülle und Mist werden dort verarbeitet.

Weil der Stadt - Immer der Nase nach? Das funktioniert bei der Biogasanlage der Familie Gall in Weil der Stadt nicht. Man muss schon die Augen aufmachen, um sie zu finden. Im Normalfall ist die Anlage quasi geruchsneutral. Doch das Besondere daran ist etwas ganz Anderes: Die Anlage läuft meist vollständig ohne den umstrittenen Zusatz von nachwachsenden Rohstoffen, sprich: Futtermitteln wie Mais oder Gerste. Nur Gülle und Mist dienen zur Stromerzeugung. Und die kommen auch noch aus dem engsten Umfeld. Anfang des Jahres ist die Anlage ans Netz der Netze BW angeschlossen worden.

 

Die Gründe für den Bau der Anlage waren zwei ganz pragmatische, erklärt Marlene Gall. „Wir haben zum einen zu wenig Fläche, um unseren Stall zu vergrößern.“ Auf der Suche nach einer Art zweitem Standbein für den Hof kam ihr Sohn, Matthias Gall, gelernter Landwirt, deshalb auf die Idee einer Biogasanlage. Der zweite Grund ist die neue Dünge-Verordnung, die im Jahr 2020 in Kraft tritt und vorgibt, dass Gülle vor dem Ausbringen neun Monate lang gelagert werden muss – deutlich länger als bisher. In der Biogasanlage erfüllt die Gülle während dieser langen Lagerzeit sogar noch einen sinnvollen Zweck.

Die entstehende Wärme wird ebenfalls genutzt

Die Anlage der Galls befindet sich direkt neben dem Kuhstall. Von dort fließt die Gülle unterirdisch direkt in die Biogasanlage. Der Mist wird extra gesammelt und dann eingefüllt. Die Masse wird auf 43,5 Grad erhitzt und beginnt zu gären, Gas entsteht. Über diesen Prozess wird der Strom gewonnen, der über den benachbarten Blockheizkraftwerk-Container ins Stromnetz gelangt. Die dabei entstehende Wärme wird ebenfalls genutzt: Die Galls beheizen damit ihre Häuser.

Zugelassen ist die Anlage für die Verwertung von 80 Prozent Gülle und Mist, 20 Prozent dürften nachwachsende Rohstoffe sein, erklärt Marlene Gall. Aktuell läuft die Anlage aber komplett ohne Pflanzen. Und selbst wenn mal andere Stoffe zum Einsatz kommen, handele es sich ausschließlich um Abfallprodukte, zum Beispiel übrig gebliebenes Futter von den Kühen oder schimmlig gewordener Mais. Da die Anlage nach allen Seiten abgedichtet ist, ist sie im Normalfall geruchsneutral. „Wenn sich allerdings zu viel Gas darin sammelt, muss es zwischendurch immer mal abgelassen werden“, so Marlene Gall. „Das merkt man dann natürlich.“

Zusammenarbeit mit Nachbarbetrieben

Mit einer Leistung von 75 Kilowatt handelt es sich um eine verhältnismäßig kleine Biogasanlage. Trotzdem könnte die Familie sie nur mithilfe ihrer eigenen Kühe nicht betreiben. „Wir haben 70 Kühe, für so eine Anlage braucht man aber etwa 200 Stück Großvieh“, sagt Marlene Gall. Deshalb kooperieren sie mit zwei Betrieben aus der Nachbarschaft, die ihren Mist zur Verfügung stellen. Im Gegenzug erhalten diese das Gärsubstrat später zurück, um es auf den Feldern auszubringen.

Die Biogasanlage läuft nun seit einem Dreivierteljahr und funktioniert bestens. Insgesamt also ein lohnenswertes Projekt, oder? Im Ergebnis ja, sagt Marlene Gall. „Aber es ist natürlich auch eine große Investition“, der Bau, die Vorbereitungen und der Betrieb kosten viel Zeit und Mühe. Zwar bekamen sie die Genehmigungen für den Bau sehr zügig – 2017 haben sie mit den Planungen begonnen –, aber die Unmengen an Vorschriften und Behördengängen waren nicht gerade ein Vergnügen, berichtet Marlene Gall. „Wir hatten für das Projekt allein acht Baumappen.“ Selbst Bestandteile wie Folien müssen zum Teil sowohl vom Landratsamt als auch vom TÜV abgenommen werden, der dann jährlich zur Kontrolle kommt.

Unabhängig von der rein wirtschaftlichen Seite kann Matthias Gall noch von einigen Vorteilen berichten. Die Lagerung in der Biogasanlage sorgt dafür, dass der Dünger, wenn er aufs Feld kommt, weniger stark riecht. „Zum Teil haben wir den schon ausgebracht, und es stimmt wirklich, der Geruch ist lange nicht so intensiv“, sagt Matthias Gall. Auch im Gespräch mit Bürgern bekommt er positive Rückmeldungen. „Viele Leute denken bei Biogas immer an das Verarbeiten von Mais und anderen Pflanzen. Wenn wir ihnen dann erklären, wie das bei uns funktioniert, sind sie immer positiv überrascht.“