Im neuen Stall auf dem Biohof von Eva und Matthias Schmidt läuft alles automatisch.

Weil der Stadt - Wo sind die Zitzen denn nun? Irritiert fahren die weiß-roten Röhrchen hoch und runter. Gleichzeitig leuchten die roten Punkte eines Scanners auf dem Euter der Kuh. Endlich – die Röhrchen haben die Zitzen gefunden und die Pumpe beginnt, die frische Milch abzusaugen. Aber wie findet sich die Maschine zwischen all den Eutern überhaupt zurecht? „Die Euter von jeder unserer Kühe sind vermessen worden und eingespeichert“, erklärt Matthias Schmidt.

 

Der Landwirt steht in seinem nagelneuen Stall. Das frische Holz, mit dem die große Halle errichtet wurde, kann man noch riechen, auf dem Boden liegen die 53 Milchkühe friedlich und kauen vor sich hin. Nur eine von ihnen steht im Herzstück des Stalls, dem ganzen Stolz von Matthias Schmidt – dem vollautomatischen Melkstand.

Alter dunkler und neuer Stall

Denn die Automatisierung macht auch vor der Landwirtschaft nicht Halt. Im März 2017 haben die Merklinger Bauern Eva und Matthias Schmidt daher begonnen, für ihre Milchkühe einen neuen Stall zu bauen. Ende November war Einzug. „Jetzt können wir uns gar nicht mehr vorstellen, in dem alten, dunklen Stall zu arbeiten“, sagt Eva Schmidt und schmunzelt.

Der größte Unterschied für sie und ihren Mann: Früher endete der normale Arbeitstag abends um acht, heute meist schon um halb sieben. Denn im alten Stall mussten sie beim Melken kräftig Hand anlegen, jede einzelne Kuh in den Melkstand treiben und die Maschine anlegen. Insgesamt drei Stunden Arbeit war das, Tag für Tag.

Heute erledigt das der vollautomatische Melkstand. Völlig selbstständig trotten die Kühe zur Melkmaschine und stellen sich in der Schlange an. Wenn sie an der Reihe sind, fährt ein schwarzer Kasten unter die Kühe, die Maschine macht sich an den Eutern fest und melkt die frische Milch. „Beim Einzug mussten wir daher erst einmal den Tages-Kreislauf der Kühe durchbrechen“, erklärt Matthias Schmidt. Denn während die Tiere vorher, im alten Stall, eben morgens und abends gemolken wurden, können sie sich jetzt den ganzen Tag über in den Melkstand begeben. „Nach einer Woche ist das schon ganz gut gelaufen“, berichtet der Landwirt.

Damit haben die Schmidts einen der modernsten Ställe im Landkreis. Am Montag schauten daher auch einige Landwirte bei einer vom Landratsamt organisierten Fortbildung vorbei. „Der Stall ist auch besonders tierartengerecht“, erklärte Bruno Lemp vom Böblinger Amt für Landwirtschaft. „Denn hier gibt es für jede Kuh einen Liegeplatz, einen Fressplatz und große Boxen.“ Dass die meisten Kühe friedlich da liegen und vor sich hin kauen, wertet der Fachmann als positives Zeichen. „Sie müssen ja wiederkäuen, um Milch zu produzieren“, sagte Lemp.

Alle Daten per App abrufbar

Mittlerweile ist die Kuh am Melkstand fertig, die Röhrchen lösen sich von den Zitzen und das Tier trottet in die Halle zurück. Um das zu wissen, müssen Eva und Matthias Schmidt aber nicht selbst in der Halle sein. Per App auf dem Handy können sie alle Daten abrufen – etwa, ob das Euter krank ist, oder ob die Kuh brünstig oder trächtig ist. „Dann verändert sich die Form des Euters“, erklärt Matthias Schmidt. „Das gleicht die Maschine mit den gespeicherten Daten ab und meldet Veränderungen.“

Währenddessen fährt ein rundes Etwas am Besucher vorbei, das aussieht, wie die automatischen Staubsauger, nur fünfmal so groß. „Der Futterschieber“, erklärt Matthias Schmidt. Früher mussten die Schmidts das Futter regelmäßig zusammenkehren. Das erledigt jetzt der Roboter. „Mein Vater hat auch schon gesagt: Ohne dieses Geschäft fehlt etwas“, sagt Matthias Schmidt und schmunzelt.

Auch der Senior hilft noch kräftig auf dem Hof mit, und staunt über die Technik. „Das fasziniert mich“, sagt Wilhelm Schmidt. 1970 hat er zusammen mit seinem Vater den Aussiedlerhof auf den Hügeln nördlich von Merklingen errichtet und seitdem die rasante Entwicklung in der Landwirtschaft miterlebt. Er gehört zur ersten Bio-Generation, schon 1985 stellt er den Hof auf die ökologische Bewirtschaftung um. „Es ging mir gegen den Strich, immer mehr zu düngen und zu spritzen“, erinnert sich Wilhelm Schmidt.

Diese Tradition führt der Sohn Matthias natürlich fort. Daneben bauen die Schmidts auf 66 Hektar Dinkel, Weizen und Roggen an und auf 36 Hektar Grünfutter für die Rinder. Ordentlich was zu tun haben sie da. Dennoch – abends machen sie jetzt pünktlich Feierabend. „Das ist auch für unsere beiden Kinder schön“, sagt Eva Schmidt. Und die Kühe marschieren währenddessen zum Melkstand, völlig selbstständig.