Ben Becker, ein Mime mit Ecken und Kanten, stellt in Leonberg Gedichte von Goethe über Schiller und Fontane bis Rio Reiser vor.

Leonberg - Ein Schönwetter-Schauspieler ist Ben Becker gewiss nicht. Der Ziehsohn von Otto Sander hat schon aus der Bibel vorgelesen, sich als Judas vorgestellt und ist in die Rolle des Affen geschlüpft. Ein breites Publikum kennt ihn durch seine Tatort-Auftritte. In Leonberg stellt der 56-Jährige Werke aus dem Gedichtband „Der Ewige Brunnen“ vor, am Dienstag, 20. Juli, tritt er bei Leonpalooza auf.

 

Herr Becker, hinter allen Künstlern liegt eine lange Phase der Bühnenabstinenz. Wie haben Sie das empfunden?

Es war eine schwere Zeit, in der mir etwas abhandengekommen ist. Anfangs hatte ich gedacht: Also gut, wir machen ein bisschen Urlaub. Dann habe ich zu malen begonnen und mir eine Werkstatt eingerichtet. Aber das hat es nicht wettgemacht. Mit fehlt mein Beruf ungemein. Ich bin nicht der Typ, der sich über mehrere Jahre an ein festes Ensemble bindet. Mir fehlt es, mit meinem, wie ich immer sage, eigenen kleinen Zirkus herumzufahren und meine eigenen Produktionen zu machen. Als Corona losging, hatten wir gerade einmal drei Aufführungen von „Affe“ gehabt. Das war, als wäre mir der Teppich unter den Füßen weggezogen worden.

Wir haben Sie jetzt während der Probe erreicht. Woran arbeiten Sie gerade?

Ja – endlich gibt es etwas zu tun! Ich habe gerade erst mit dem Regisseur Oliver Hirschbiegel zusammen gearbeitet und drehe jetzt meinen dritten Film in diesem Jahr, mit Rosa von Praunheim: über Rex Gildo. Ich spiele dessen Manager.

Bei Leonpalooza rezitieren Sie aus der Gedichtsammlung „Der Ewige Brunnen“. Was erwartet das Publikum?

Im Grunde ist das nicht unbedingt ein Programm für ein Sommerfestival. Denn die Darbietungen der Gedichte gehen auf eine Familientradition zurück: An Weihnachten waren bei uns daheim immer viele Schauspieler zu Gast, die mein Ziehpapa Otto Sander eingeladen hatte. Es wurde gesungen, aus dem Gedichtband „Der Ewige Brunnen“ gelesen, einer hat sich ans Klavier gesetzt, das hatte fast schon russischen Charakter.

Das hat sie so geprägt, dass „Der Ewige Brunnen“ jetzt zu Ihrem ständigen Bühnenrepertoire gehört?

Ja, ich habe so um die 130 Vorstellungen gegeben, und jede ist ein bisschen anders. Das Publikum ist bei mir zu einem Fest eingeladen, bei dem ich auch kleine Anekdoten erzähle, über die die Leute lachen. Manchmal muss selbst ich Tränen lachen. Und dann: Von dem einen Moment auf den anderen wird es richtig ernst. Das ist wie Zuckerbrot und Peitsche. Dadurch lebt dieser Abend.

Das Repertoire reicht von Goethe bis Rio Reiser. Haben Sie Favoriten?

Die Gedichte, die mich am meisten bewegen, sind meine Favoriten. Da gibt es einige: Die Loreley von Heine gehört dazu, John Maynard von Fontane. Diese Ballade war auch meinem Ziehpapa Otto ganz wichtig. Rio Reiser passt in diese Reihe gut hinein. Er ist ja auch schon längst ein Klassiker.

Ist „Der Ewige Brunnen“ ein Dauerprogramm bei Ihnen?

Es wird mich mein Leben lang begleiten. Es ist einfach nicht totzukriegen.

Kleiner Exkurs in die breite Unterhaltung: Nicht weit weg von hier ist die Pfalz. In den beiden legendären Tatorten „Tod im Häcksler“ und „Die Pfalz von oben“ spielen Sie den Dorfpolizisten Stefan Tries.

Es hat mich sehr gefreut, dass es 30 Jahre nach dem ersten Tatort eine filmische Anknüpfung gegeben hat. Ausschlaggebend für mich ist, dass die Drehbücher Hand und Fuß haben. Das ist leider selten der Fall, deshalb habe ich mich vom Fernsehen ein bisschen verabschiedet. Es füllt mich künstlerisch einfach nicht aus.

Ben Becker: Aber jetzt habe ich noch eine Frage an Sie: Ich habe mir den Leonberger Bürgerplatz vor der Stadthalle auf Bildern angeschaut. Werde ich mich da wohl fühlen?

Thomas Slotwinski: Bestimmt. Das Leonpalooza-Festival im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass dieser sonst stiefmütterlich behandelte Platz viel Atmosphäre hat, wenn man ihn nur richtig bespielt und entsprechend ausleuchtet. Sie werden sich bestimmt wohl fühlen.

Ben Becker: Umso mehr freue ich mich auf Leonberg. Bis bald!