Weil die Gemarkungsgrenze zwischen der Kernstadt und dem Teilort Merklingen durch das Neubaugebiet Häugern-Nord verläuft, will die Stadtverwaltung sie verschieben. Dafür hagelt es besonders aus Merklingen Kritik.

Weil der Stadt - Knapp 50 Jahre ist es her, dass sich Merklingen und Weil der Stadt im Zuge der Gemeindereform vereint haben – seitdem gehören die beiden Teilorte zwar zusammen zu einer Stadt, die alte Gemarkungsgrenze gibt es aber nach wie vor. Eben jene Grenze sorgt in der Keplerstadt aktuell für allerhand Diskussionen. „Kurz vor der Goldenen Hochzeit gibt es nun Ungereimtheiten“, beschreibt der Stadtrat Jürgen Widmann (Freie Wähler) in der jüngsten Gemeinderatssitzung die Situation recht treffend. .

 

Warum wird die Grenze verschoben?

Die Gemarkungsgrenze zwischen Weil der Stadt und Merklingen zieht sich direkt durch die Fläche des geplanten Neubaugebiets Häugern-Nord. Zu rund einem Drittel liegt das Gebiet auf der Weiler Gemarkung, zwei Drittel gehören zu Merklingen. Das, so betont die Stadtverwaltung, muss sich ändern. Denn ein Grundstück kann nicht auf zwei Gemarkungen liegen. Um dieses Problem zu umgehen, müsse das Baugebiet entweder vollständig einer Gemarkung zugeordnet oder die Grenze zumindest angepasst werden, um die Aufteilung in einzelne Grundstücke zuzulassen.

Lesen Sie hier: Die Keplerstadt geht den Schuldenberg an

Zweitere Lösung möchte die Stadtverwaltung ob des höheren Aufwands vermeiden. Das entsprechende Neuordnungsverfahren der Grundstücke müsste doppelt ausgeführt werden, da Kataster und Grundbuchamt gemarkungsweise geführt werden. Das habe auch finanzielle Auswirkungen, heißt es in der Gemeinderatssitzung: Mehr Zwischenschritte, Katastervermessungen und eine Verzögerung bei der Veräußerung der Grundstücke. Die Verwaltung spricht von „mehreren Monaten“. Auch der Bürgermeister Christian Walter betont: „Es wäre am einfachsten, das Gebiet einer Gemarkung zuzuordnen.“

Warum also nicht ganz nach Merklingen? In einer Antwort auf einen Brief, den ein Merklinger Bürger vor der Gemeinderatssitzung an das Rathaus geschickt hatte, schreibt Christian Walter, dass sehr sicher davon auszugehen sei, dass sich die zukünftigen Bewohner von Häugern-Nord in Richtung Weil der Stadt orientieren werden. Denn: Das Neubaugebiet liegt zwar auch auf Merklinger Gemarkung, schließt sich aber direkt an das Weiler Siedlungsgebiet an.

Das sind die Gegenstimmen

Eigentlich sollte in der jüngsten Gemeinderatssitzung bereits abgestimmt werden. Weil sich allerdings bereits im Vorfeld einige kritische Stimmen meldeten, wurde in der Sitzung zunächst nur vorberaten. Zu den Gegenstimmen zählt auch der Merklinger Heimatkreis, der sich in einem Schreiben an Bürgermeister Christian Walter gewandt hat. Größter Einwand war hier besonders die geschichtliche und traditionelle Stellung der Gemarkungsgrenze. Der Vorsitzende des Vereins, Hans Joachim Dvorak, betont das auch nach der Sitzung: „Die Grenze ist Teil der Geschichte von Merklingen, und zwar kein kleiner.“ Sie habe zwar keinen sachlichen Wert – dafür aber einen emotionalen.

Das sieht auch der Bürgermeister ein: „Heimat ist ein Stück Identität“, weiß er, bittet aber um Verständnis, wenn die Verwaltung sachlicher an das Thema herangehe. Trotzdem fürchten einige Merklinger um die Fläche ihres Teilortes, auch mit Blick auf eine künftige Erweiterung der Häugern-Siedlungsfläche. „Wir werden kontinuierlich kleiner“, sagt der Stadtrat Bernd Laure (Freie Wähler) und spricht von „Landraub“.

Siedlung statt Gemarkung ausschlaggebend

Ein weiteres Argument der Kritiker ist die Auswirkung auf die Verteilung der Sitze im Gemeinderat nach Teilorten. Mit 900 potenziellen Einwohnern in Häugern-Nord fürchten die Kritiker einen Zuwachs der Weiler Sitze und damit eine drohende absolute Mehrheit.

Der Bürgermeister spricht diesbezüglich von einer „berechtigten Frage“ – betont aber, dass die künftigen Anwohner nach Auffassung der Verwaltung im Sinne der Gemeindeordnung ohnehin zu Weil der Stadt zählen würden: „Die Gemarkungsgrenze ist beim Wahlrecht nicht ausschlaggebend, sondern der Siedlungszusammenhang.“ Ob und wie sich der Zuwachs im Häugern-Nord auf die Wahlen auswirkt, sei abhängig von vielen unterschiedlichen Faktoren.

„Wir sind eine Stadt“

Auch wenn sich in Zukunft das Gremium anders zusammensetzen würde, gehen einige Gemeinderäte nicht davon aus, dass sich damit etwas an der Arbeit des Rats ändert. „Ich bin Gemeinderat der Stadt Weil der Stadt und fühle mich gleich für alle Teilorte verantwortlich“, sagt etwa Hans Dieter Scheerer (FDP). „Wir versuchen, pragmatische, sachliche Lösungen für jeden zu finden.“ Auch Michael Borger (Freie Wähler) schließt sich dem an. „Die innerstädtischen Grenzen sind für mich kein Thema mehr.“ Und Jürgen Wiedmann betont: „Wir sind eine Stadt.“

Lesen Sie hier: Weil der Stadt will sich an Netze BW beteiligen

Am Ende der Sitzung folgt dann noch ein Gegenangebot der Verwaltung: Man könne sich vorstellen, das Gebiet „Unter dem Weiler Weg“ Merklingen als Ausgleich zuzuschlagen. „Es muss aber auch klar sein, dass diese Tauschfläche größtenteils landwirtschaftliche Fläche ist.“ Wie es nun endgültig mit der Gemarkungsgrenze weitergeht, das entscheidet sich erst bei der nächsten Sitzung im Juli. Bis dahin bleibt es spannend – auch für den Heimatkreis Merklingen. „Wir haben unsere Meinung gesagt“, schließt Hans Joachim Dvorak ab. „Jetzt liegt es nicht mehr in unserer Hand.“