Die Kommunen wachsen, die Bauweise ähnelt sich, der Mehrgeschossbau verdrängt zunehmend das Einfamilienhaus. Eine Möglichkeit für Kommunen, ihre Ortseingänge und zentralen Flächen trotzdem hervorzuheben, sind markante Gebäude. Das Strohgäu im Überblick.

In Hemmingen ist es die „Wand“, in Ditzingen der Wohnturm am Bahnhof: Ihre Kritiker äußern sich vernichtend. Zu hoch, zu wuchtig seien die Bauten. Und viel zu wenig Freifläche ließen sie den Menschen. Neu bebaute Flächen gefallen nicht nur, das ist in allen Kommunen gleich.

 

Doch die Kommunen in der Region wachsen weiter, vor allem entlang von Bahnlinien. Schon vor fünf Jahren legte der Chefplaner der Regionalverbands Zahlen einer „hochverdichteten Region“ vor. Daran hat sich wenig geändert. 2,7 Millionen Menschen leben hier auf 3654 Quadratkilometern, in München sind es 200 000 Einwohner mehr auf 5503 Quadratkilometern. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein sind es rund 2,9 Millionen Einwohner auf 15 800 Quadratkilometern. Anders formuliert: Ein Viertel der baden-württembergischen Bevölkerung lebt auf zehn Prozent der Landesfläche.

Der Bedarf an Wohnraum ist also groß, doch die Kommunen vermeiden angesichts der Vorgaben von Land und Region möglichst eine weitere Flächenversiegelung am Ortsrand. „Innen- vor Außenentwicklung“ lautet das Motto.

Wie hoch, wie massiv, wie dicht?

Im zweiten Quartal 2023 sollen die 37 Wohnungen am Lerchenbogen in der Heimerdinger Straße in Hemmingen bezugsfertig sein, so der Plan. Manch einer muss schlucken beim Blick auf den seit Juni fertigen Rohbau, der aus zwei geschwungenen, viergeschossigen Gebäuden besteht und Wohnraum für rund 70 Menschen schafft. Die Leute seien anfangs überrascht gewesen angesichts des Volumens, berichtet Edgar Huber, der Geschäftsführer der örtlichen HEH Wohnbau.

Das kann er verstehen: Die Nachbarn gucken künftig statt auf den kleinen Bauernhof auf der grünen Obstwiese auf viel Beton. Gleichwohl betont der in Hemmingen aufgewachsene Huber, dass der Komplex, obwohl „recht groß“, kein Hochhaus sei. Sondern „ein tragbarer Kompromiss“. Es gehe um den Umgang mit Baufläche. Zu Beginn des Projekts habe das Ziel gestanden, möglichst wenig Ackerfläche zu versiegeln.

Wohnungen bei Berufseinsteigern begehrt

Auf der anderen Seite stehen die Kommunen unter dem Druck, den Wohnungsbau voranzutreiben. Edgar Huber wünscht sich, dass die Bevölkerung sich geduldet und dem Gebäude eine Chance gibt, bis es fertig ist. „Es wird nachher sehr gut aussehen“, verspricht er. Denn auch er wolle Gebäude bauen, auf die er später noch stolz sein kann.

Mit einem Investitionsvolumen von 15 Millionen Euro gingen die Bauherren ins Rennen. Klar ist nun: Wegen Corona und des Kriegs wird es teurer. „Die zusätzlichen Kosten bleiben an uns hängen“, sagt Edgar Huber. Fast alle Wohnungen seien vor eineinhalb Jahren verkauft worden, etliche an Berufseinsteiger. Und auch wenn die Arbeiten trotz teurem, knappem Baumaterial und Lieferschwierigkeiten bisher „relativ unproblematisch“ verliefen, verzeichnet Edgar Huber jetzt weniger Anfragen für die restlichen Wohnungen als voriges Jahr.

CDU: „Das Solitär überragt alles.“

Da Hemmingen in größerem Stil das Areal der Heimerdinger Straße entlang städtebaulich entwickeln will – das sogenannte Vogelgebiet bei der Gemeinschaftshalle und der Grundschule erweitern – diskutiert der Gemeinderat nun die Frage, wie hoch, wie massiv, wie dicht gebaut werden soll. Gerade entlang der Heimerdinger Straße hält die Verwaltung eine Verdichtung für sinnvoll, um die Flächen optimal zu nutzen und Lärm abzuschirmen. Als Diskussionsgrundlage hat sich der Gemeinderat für denjenigen städtebaulichen Entwurf entschieden, der 94 Wohnungen für gut 197 Einwohner vorsieht. Er stellte dabei die Bedingung, die Zahl der Geschosse und Parkplätze weiter zu untersuchen. In dem Kontext hat die CDU-Rätin Ute Freitag angemerkt, der Lerchenbogen sei sehr wuchtig. Sie fühle sich dort, als fahre sie auf eine Wand zu. „Das Solitär überragt alles“, sagte sie, die auch die geplante Bebauung der Umgebung wuchtig nennt.

Moderne am Bahnhof

Kritische Stimmen sind auch in der Großen Kreisstadt zu hören. Zu massiv, heißt es im Ort zu einem Zeitpunkt, da das mehrstöckige Gebäude in seiner Kubatur erkennbar ist. Eigentlich sollte in dem Turm, der in Ditzingen das Bahnhofsareal zur Gerlinger Straße hin begrenzt, ein Hotel integriert werden. Doch aus diesen Plänen wird nichts. Schon vor Corona habe sich dies abgezeichnet, sagt Christian Buer. Sein Unternehmen ist in der Tourismusbranche tätig. Eigentümer, Investor und er, der mit einem Partner Hotelbetreiber gewesen wäre, hätten gemeinsam anders entschieden. Die Lage sei sehr gut, ist er nach wie vor von den Hotelplänen überzeugt. Sollte die Thematik in naher Zukunft abermals aufkommen, sei ihm daran gelegen, das Gespräch wieder aufzunehmen. Unterschrieben haben derweil der Betreiber eines Restaurants, einer Krankenkasse und eines Fitnessstudios. Auf dem 4700 Quadratmeter großen Areal entstehen bis Mitte 2023 zudem Praxis-, Handels- und Wohnflächen.

Wohnturm gehört nun zum Stadtbild

Wie der Neubau in Ditzingen angenommen wird, ist noch offen. In Korntal-Münchingen dagegen gehört der 21 Meter hohe Wohnturm als Auftaktgebäude im Wohnpark Solitudeallee am Ortseingang von Korntal heute zum Stadtbild – und die einst kritische Diskussion der Vergangenheit an. Die SPD-Fraktion hatte damals das Ausmaß der Gebäude auf dem Gelände der Alten Wäscherei moniert, deren Mächtigkeit: Der Wohnturm sei ein falsches Zeichen.

Die 73 Wohnungen sind laut dem Geschäftsführer der Korntaler Bau inzwischen übergeben. Viele seien schon bezogen beziehungsweise würden zeitnah bezogen. „Im Außenbereich sind noch einige Arbeiten zu erledigen. Aufgrund der jahreszeitlichen Witterung ist auch die Bepflanzung noch nicht erfolgt“, sagt Thomas Neubauer.

Warten in Gerlingen

Gerlingen steht mit dem Neubauprojekt im Bruhweg II indes noch am Anfang. Platz für 700 Menschen und Gewerbe ist angedacht. Indem alle Geschossbauten ein zusätzliches Staffelgeschoss erhalten, will die Stadt nun vor allem höher bauen als zunächst geplant.

Die Ausgrabung, die die Stadt etwa 2,2 Millionen Euro kostet, läuft noch bis Ende des Jahres. Die Fläche sei zu circa 75 Prozent abgearbeitet und zu etwa 60 Prozent wieder verfüllt, berichtet der Archäologe Christian Bollacher vom Landesamt für Denkmalpflege. Die Ausgrabung fördere Stück für Stück ein Dorf aus der ersten Hälfte des fünften Jahrtausends vor Christus zutage. „Das Besondere dabei ist die hervorragende Überlieferung der Siedlungsspuren“, so Bollacher. Weit mehr als 12 000 Einzelbefunde – Verfärbungen im Boden – seien dokumentiert worden und würden sich zu einem detailreichen Dorfplan zusammenfügen lassen. „Mehr als 120 jungsteinzeitliche Gebäude sind nachweisbar und hinsichtlich ihrer Form und Architektur rekonstruierbar.“ Wie zu jener Zeit üblich, habe es sich um teils mehr als 40 Meter lange Gebäude gehandelt. „Überschneidungen von Hausgrundrissen weisen auf ein mehrphasiges Siedlungsgeschehen hin.“

Baugebiet mit besonderer Bedeutung

Die Fläche kann nach der Grabung bis zu den Erschließungsarbeiten wieder landwirtschaftlich genutzt werden. „Die Planung läuft unabhängig weiter“, sagt die Rathaussprecherin Sofie Neumann. Der Gemeinderat diskutiert wohl Ende des Jahres über den städtebaulichen Entwurf. Erst dann könne die Planung in einen Entwurf des Bebauungsplans überführt werden, der dann im Gemeinderat beschlossen werden solle. Das Plangebiet Bruhweg II ist laut Neumann einer der letzten großen Bereiche der Stadt, der einer so komplexen städtebaulichen Neuordnung und dem entsprechenden Wohnraumbedarf dienen kann. Außerdem komme auch den Gewerbeflächen eine hohe Bedeutung zu, da die Nachfrage in der Region sehr hoch sei.