Die Batteriezüge müssen über Nacht unter der Oberleitung aufladen. In Weil der Stadt haben nun die Arbeiten für das Großprojekt begonnen.

Einen besseren Startpunkt für die Arbeiten zur Hermann-Hesse-Bahn in Weil der Stadt hätte man sich nicht ausdenken können: Nur wenige Hundert Meter vom Bahnhof entfernt, in Richtung Südwesten, enden die Gleise der Deutschen Bahn. Genau hier wurden vor Kurzem, natürlich mit dem Zug, alle nötigen Materialien für den Gleisbau angeliefert. Die Arbeiten haben inzwischen begonnen. Bestens zu sehen sind die Arbeiten von einer parallel verlaufenden Straße: der Hessestraße.

 

Über die Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn (BAUS) erhielten einige Interessierte die Chance, sich auf ansonsten verbotene Pfade zu begeben und Teile der künftigen Bahnstrecke einmal abzugehen und sogar den neuen Iris-Tunnel zu besichtigen, der von Weil der Stadt nach Ostelsheim führen wird. Der Tunnel ersetzt die sogenannte Hacksbergschleife, über die die Züge der ehemaligen Schwarzwaldbahn einst um den gleichnamigen Berg herumgeführt wurden.

Alle Gleise werden neu gebaut

Der erste Bauabschnitt beinhaltet den Gleisneubau zwischen Weil der Stadt und dem Bahnübergang Steckental. Auch die Bauarbeiten an den Bahnhöfen Weil der Stadt und Renningen gehören dazu. Bereits Ende des Jahres will der Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn die Arbeiten am ersten Bauabschnitt abgeschlossen haben. Die Arbeiten für den zweiten, zwischen Steckental und Althengstett, sollen ebenfalls bald beginnen und werden dann parallel zum ersten ausgeführt. Der dritte Abschnitt umfasst die Strecke von Althengstett bis Calw.

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Auch, wenn auf der Strecke der alten Schwarzwaldbahn zum Teil noch Gleise liegen, hat man sich entschieden, alles neu zu bauen, erklärt Hans-Joachim Knupfer, Sprecher der BAUS. Die Gleise stammten nämlich noch aus der Kriegs- beziehungsweise Nachkriegszeit und wären sonst sehr wartungsintensiv.

Am Bahnhof Weil der Stadt beginnen die Arbeiten in November

Reichlich Informationen rund um den Ausbau der Bahnhöfe Weil der Stadt und Renningen hatte Holger Schwolow, technischer Geschäftsführer des Zweckverbands HHB, mitgebracht: So sollen in Weil der Stadt die Arbeiten im November beginnen.

In dem Bereich zwischen den Bahnhofsgebäuden und dem Park-and-Ride-Platz entsteht ein kleineres „Notgleis“ für die Hermann-Hesse-Bahn von 55 Metern Länge. Dort wird die Hesse-Bahn halten, wenn das S-Bahn-Gleis am Hauptbahnsteig bereits belegt ist. „Hier können wir tun und lassen, was wir wollen, ohne die S-Bahn zu stören“, witzelte Holger Schwolow. Der Kompromiss um die Inbetriebnahme der Hesse-Bahn lautet nämlich, dass die Züge in der Zeit, in der die neue S 62 zwischen Weil der Stadt und Renningen verkehrt, bereits in Weil der Stadt enden.

Die Einstiegshöhe ist viel niedriger als in der S-Bahn

Der neue Bahnsteig erhält eine Höhe von 55 Zentimetern, mit der ein barrierefreier Zugang zur Hesse-Bahn möglich ist. Am Hauptbahnsteig müssen die Fahrgäste jedoch einen großen Schritt machen: Im Fall der S-Bahn nach oben, im Fall der Hesse-Bahn nach unten. Denn die meisten Bahnsteige in und um Stuttgart haben eine Höhe von circa 75 Zentimetern.

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Der knapp ein Meter hohe Zustieg in die S-Bahn ist damit zwar auch nicht barrierefrei möglich, dafür können auch Züge mit anderen Einstiegshöhen wie die Hesse-Bahn dort anfahren. Bei den ausschließlich auf die S-Bahn zugeschnittenen Bahnsteigen, wie sie der Verband Region Stuttgart an vielen Orten umsetzen lässt, ist das nicht mehr möglich. Der Höhenunterschied würde dann mehr als 40 Zentimeter betragen.

Ein neuer Bahnsteig für Renningen

In Renningen werden weit umfangreichere Umbauarbeiten nötig sein als in Weil der Stadt. „Wegen der S 60 und den damaligen Umbauarbeiten sind wir in unseren Möglichkeiten eingeschränkt“, so Schwolow. Unter anderem wurden sämtliche Bahnsteige an die S-Bahn angepasst und befinden sich auf knapp einem Meter Höhe, die Hesse-Bahn kann diese also nicht mitnutzen. Stattdessen erhält sie ein komplett neues Gleis von etwa 150 Metern Länge und dazu einen eigenen Bahnsteig.

Ein interessantes Detail: Da es sich bei den Zügen der Hesse-Bahn um Batteriezüge handelt, müssen diese während der Fahrt aufgeladen werden. Das funktioniert aber nur in elektrifizierten Streckenabschnitten, also zwischen Weil der Stadt und Renningen. Die übrige Strecke nach Calw besitzt keine Oberleitungen. Ab der Einfahrt in den Weiler Bahnhof wird die Batterie der Züge aufgeladen. „In Renningen haben wir eine Standzeit von acht bis neun Minuten“, erklärte Holger Schwolow. „In der Zeit kommt neuer Saft in die Batterien.“ Das habe im Übrigen zur Folge, dass die Hermann-Hesse-Bahn ihre erste Fahrt des Tages grundsätzlich am Bahnhof Weil der Stadt oder Renningen beginnen und dann Richtung Calw fahren wird – nicht umgekehrt.

Ende 2023 sollen die ersten Züge fahren

Die vorbereitenden Maßnahmen im ersten Bauabschnitt haben bereits im April begonnen. Vor Kurzem sind die Arbeiter mit dem Ausbaggern des Schotters zwischen den Bahnübergängen Malersbuckel und Steckental fertig geworden. Dem Plan nach sollen die ersten Züge der Hermann-Hesse-Bahn Ende 2023 fahren.