Die Bahá’i-Gemeinde feiert ein besonderes Ereignis und stellt sich interessierten Bürgern vor.

Renningen - Die Erde ist nur ein Land und alle Menschen sind seine Bürger, das ist die zentrale Botschaft unserer Religion“, sagt Diana Neubrand über das bei uns wenig bekannte Bahá’i. Kern dieses Glaubens an Gott ist der Gedanke der Einheit der Menschheit und die Versöhnung der Religionen, verbunden mit der eigenständigen Suche nach Wahrheit, der Gleichberechtigung von Frau und Mann, dem Abbau von Vorurteilen und dem offenen Meinungsaustausch. Sie beschreibt diese Einheit wie einen Garten: „Ein Garten nur mit roten Rosen ist schön, aber Lilien und Obstbäume bereichern ihn. So ist es auch mit der Vielfalt der Menschen, die wir schätzen.“

 

Diese aus dem Islam hervorgegangene Religion zeigt sich damit nach außen sehr modern und weltoffen. Diana Neubrand ist mit dieser Denkweise aufgewachsen. Ihre Mutter kommt aus dem Iran, wo der Glauben seinen Ursprung hat, der Vater ist Deutscher, sie selbst ist in Ecuador aufgewachsen, die Großeltern im Iran waren jüdischen Ursprungs und sind später zu diesem Glauben gestoßen. „Viele andere hier bei uns sind aus eigener Suche zu uns gekommen.“

Dahinter steht die jüngste eigenständige Weltreligion mit nach eigenen Angaben 6000 Mitgliedern in Deutschland und sechs Millionen weltweit. In Renningen und Weil der Stadt sind nur zehn Menschen aktiv in dieser Gemeinschaft. Etwas größer ist die Bahá’i-Gemeinde in Stuttgart, denn dort liegt der Ursprung der deutschen Gruppe. 1905 brachte der Schwabe Edwin Fischer nach einem Studium in den USA den Bahá’i-Glauben in seine Heimat mit.

Idee des Weltfriedens findet Anklang

Die Idee des Weltfriedens und der Einheit zwischen den Menschen, gleich welcher Herkunft, Religion oder welchen Geschlechts, fand in der deutschen Gemeinde bereits an der Wende zum 20. Jahrhundert und insbesondere um die Zeit des Ersten Weltkriegs großen Anklang. Unter dem NS-Regime erlebten deutsche Mitglieder zunächst großes Misstrauen, schließlich kamen Diskriminierungen hinzu, bis Bahá’i 1937 verboten wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnten lediglich in Westdeutschland die Aktivitäten wieder aufgenommen werden. Im Osten Deutschlands galt ab 1948 ein erneutes Organisationsverbot. Seit den 90er Jahren engagieren sich Bahá’i-Gemeinden in ganz Deutschland zunehmend im interreligiösen Dialog und für Gleichberechtigung, soziale Fragen, Religionsfreiheit oder Integration.

Zurück geht die Religion auf den Báb, der vor 200 Jahren geboren wurde und 1844 im Iran erschien. Er brach mit alten Traditionen, forderte zur vorurteilsfreien Wahrheitssuche auf, zur Förderung von Bildung und Wissenschaft und zur Gleichstellung der Geschlechter. Zudem kündete er das Kommen des in allen Religionen Verheißenen an – eines universellen Erziehers, dessen Lehren die Menschheit befähigen, Weltfrieden dauerhaft zu errichten. Wenige Jahre danach verkündete dieser Verheißene namens Bahá’u’lláh über vier Jahrzehnte hinweg in tausenden Versen und zahlreichen Schriften seine Botschaften. Dem Báb selbst blieb nur kurze Zeit, seinen Glauben zu lehren. Er wurde verfolgt, eingekerkert und 1850 durch ein Erschießungskommando öffentlich hingerichtet. Heute ist sein Mausoleum ein Anziehungspunkt im israelischen Haifa.

Es geht um Ehrlichkeit, Freundschaft und Gastfreundschaft

Der 200. Geburtstag des Báb wurde auch in Renningen gefeiert. Etliche Interessierte waren ins Bürgerhaus gekommen, um diese Glaubensrichtung kennenzulernen und sich selbst eine Meinung darüber zu bilden. Die Mitglieder aus Renningen und Weil der Stadt treffen sich wöchentlich privat zur Andacht, um Gebete und Texte zu lesen aus Bahá’í-Schriften und anderen Weltreligionen. In der Kinderklasse geht es um Ehrlichkeit, Freundschaft und Gastfreundschaft. „Unsere Aktivitäten sind offen für Menschen anderer Religionen“, erzählt Diana Neubrand. „In der Kinderklasse sind derzeit viele afghanische Flüchtlinge, die nicht Bahá’í sind.“

Bei den Bahá’í gibt es keine Geistlichen, gefördert wird die selbstständige Suche nach der Wahrheit, „jeder befasst sich selbst mit allen Religionen, soll sich eine eigene Meinung bilden und in der Gruppe austauschen“. In größeren Gemeinden gibt es ein aus dem Kreis der Mitglieder gewähltes Gremium, den lokalen geistigen Rat. Er führt auf Wunsch auch Trauungen durch, die aber nur zwischen Mann und Frau möglich sind. Eine Taufe gibt es nicht, die Eltern haben vielmehr die Verantwortung, die Kinder über alle Religionen zu informieren. „Später können sie dann entscheiden, ob und welcher Religion sie folgen wollen“, erklärt Neubrand.