Eine PS-starke Angelegenheit: Die Kirchen laden zum ersten Autogottesdienst ein.

Weil der Stadt - Da ist aber ganz schön was los gewesen an diesem strahlend schönen Pfingstmontag auf dem Festplatz vor den Toren der Keplerstadt. So mancher Ausflügler, der vorbei radelte oder spazierte, mag sich verwundert die Augen gerieben haben ob der Geräuschkulisse, die die rund 60 Fahrzeuge am Feiertag produzierten.

 

Denn die Autofahrer hupten immer wieder kräftig mit, während vier Geistliche in hellen und schwarzen Talaren predigten, beteten und sangen, begleitet von einem Quartett des evangelischen Posaunenchors. Pfarrer Anton Gruber hatte die motorisierten Gottesdienstbesucher zuvor aufgefordert, an geeigneten Stellen – etwa anstatt „Amen“ zu sagen – kräftig auf die Hupe zu drücken. Und so gab es einiges auf die Ohren bei diesem Autogottesdienst, dem ersten, der in Corona-Zeiten von den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Weil der Stadt gefeiert wurde. Für den richtigen Sound aus großen Lautsprecherboxen sorgte Stefan Völter aus Heimsheim. Er brachte schon Erfahrung aus seiner Heimatgemeinde mit, denn dort feierte die evangelische Kirchengemeinde mit Pfarrer Christian Tsalos bereits an Ostern einen Autogottesdienst.

Eine langjährige Tradition feiert trotzdem eine Premiere

Der gemeinsame Gottesdienst am Pfingstmontag im Sinne der Ökumene hat in Weil der Stadt mit seinen fünf Stadtteilen eine lange Tradition. „Schon vor meiner Zeit hat man sich nach einer Sternwanderung auf dem Kuppelzen oberhalb von Münklingen zum Gottesdienst getroffen“, erzählt Pfarrer Gruber, der die katholische Seelsorgeeinheit Mittleres Heckengäu mit Weil der Stadt und Dätzingen leitet. Weil die Beteiligung an dieser Veranstaltung aber zunehmend nachgelassen habe, arbeite man seit Jahren mit den örtlichen Vereinen zusammen. Gastgeber dieser besonderen Gottesdienste mit anschließendem Mittagessen waren schon der Reit- sowie der Angelsportverein, der Obst- und Gartenbauverein und die Feuerwehr. In diesem Jahr hätte der TSV Merklingen Ausrichter sein sollen. „Das ist jetzt aufs nächste Jahr verschoben worden“, sagte Georg Hardecker, evangelischer Pfarrer aus Merklingen.

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Nun also – coronabedingt – ein ökumenischer Autogottesdienst, bei dem die Kirchenvertreter an einem improvisierten Altar auf einem Anhänger standen. Weil die Besucher in ihren Fahrzeugen sitzenblieben, konnten laut den Veranstaltern auch Menschen aus Risikogruppen, also etwa Ältere, daran teilnehmen. Und sie durften auch wieder singen, was sonst in den Kirchen derzeit nicht erlaubt ist. Die Auflagen des städtischen Ordnungsamtes verboten allerdings die Teilnahme von Fußgängern, Motorrad- oder Fahrradfahrern. „Wir müssen uns daran halten, das ist eine Premiere für uns alle“, sagte Pfarrerin Eva Ulmer, die sonst in der Brenzkirche in Weil der Stadt predigt. Sie trug ebenso wie ihr Kollege Anton Gruber zum Schutz vor der kräftigen Sonne einen Strohhut.

Die Besucher finden das Konzept „echt super“

Gruber hatte schon vor dem Gottesdienst mitgeholfen, die Kraftfahrzeuge zentimetergenau einzuweisen. Für 84 Autos hätte es Platz gehabt, eine Voranmeldung war nötig. In vielen Autos saßen jedoch mehrere Menschen, oft aus der Generation 60plus. Dann aber auch die junge Frau, die mit ihrer Großmutter gekommen war oder die älteren Herrschaften im schicken Cabriolet, die diese Form des Gottesdienstes „echt super“ fanden.

Die Apostelgeschichte Kapitel 2, bei der es um die Aussendung des Heiligen Geistes geht, stand im Mittelpunkt der Pfingstlesung von Pastoralreferent Joachim Scheu. Auf dessen Predigttext zum Turmbau zu Babel nahm Pfarrer Hardecker Bezug. Zuerst stellte er fest, dass man auf etwa 6000 komme, wenn man alle hier versammelten PS zusammenzähle. „So ist es auch mit Pfingsten“, sagte der junge Pfarrer in seiner erfrischend lebendigen Ansprache. „Wenn wir zusammenhalten, können wir nach außen Kraft zeigen.“ Er sprach von der christlichen Kirche als Gegenentwurf zum Turmbau zu Babel. „Der Pfingstturm ist aus Feuer, aus Leidenschaft und Liebe gebaut und nicht aus Steinen“, so Hardecker. Das gelte auch für die aus dem Glauben gebaute Kirche.

Das „Drive-out-Opfer“

„Gott schenkt uns seinen Heiligen Geist“, fuhr Anton Gruber fort, „mit einem dreifachen Halleluja, zu dem Sie wieder hupen dürfen“, ermunterte er die Autofahrer. Zusammen mit dem singenden Pfarrer am Mikrofon, dem Bläserquartett und dem Hupkonzert ergab sich dann doch eine ordentliche Geräuschkulisse. Auch das Vaterunser und den Schlusssegen quittierten die Teilnehmer mit kräftigem Hupen.

Nachdem Georg Hardecker mit einem Augenzwinkern auf das „Drive-out-Opfer“ hingewiesen hatte, blieb Anton Gruber noch das Schlusswort: „Fahret hin in Frieden und in Sicherheit.“