Bei Regen werden Bremsstaub und Gummiabrieb der Reifen von der Autobahn 81 erst auf die Ditzinger Äcker gespült, ehe die Brühe dort versickert. Das soll sich nun ändern.

Oben der Fernverkehr, unten die landwirtschaftlichen Produktion: An der A 81 liegen beide Bereiche eng beieinander. Die Folge: Bei Regen wird ein Gemisch aus Bremsstaub und Gummiabrieb der Reifen auf die Äcker gespült, wo die Brühe versickert. Das soll sich nun ändern.

 

Wie die Stadt mitteilt, hat der Bund den Baubeginn des Regenrückhalte- und Regenklärbeckens für Ende April vorgesehen. Mehr als zehn Jahre haben die Ditzinger darauf hingearbeitet.„Seit dem Hochwasser im Jahr 2010 ist es ein wichtiges Ziel der Stadtverwaltung, den Schutz vor einem solchen Ereignis zu verbessern. Ich freue mich daher sehr, dass mit dem Baustart des Regenrückhaltebeckens an der A 81 ein weiterer Baustein der Hochwasserprävention zeitnah umgesetzt werden wird“, sagt der Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos).

Anderthalb Jahrzehnte wird darum gerungen

Wenngleich der Rathauschef auf den Hochwasserschutz abhebt, währt die Verärgerung über die mangelnde Entwässerung der Autobahn schon wesentlich länger.

Es war im Jahr 2008, als der damalige Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl nach Ditzingen kam. Die Verwaltung, mit Makurath an der Spitze, nutzte die Gelegenheit, um auf einen aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustand hinzuweisen: Die Autobahn wird bei Ditzingen unzureichend entwässert.

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Abhilfe könnte unter anderem ein zwei Kilometer langer Sammelkanal schaffen. So lange dieser nicht gebaut ist, fließen mit dem Wasser Bremsstaub und Gummiabrieb über den Feldweg auf die Felder beziehungsweise weiter in die Lache. Die Lache wiederum, vereinigt mit dem Beutenbach, fließt in der Kernstadt in die Glems – und die war 2010 mit verheerenden Folgen über die Ufer getreten. Das Bauwerk soll also einerseits die landwirtschaftliche Produktion, andererseits die Menschen auch unmittelbar vor Hochwasser schützen.

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Auf den FDP-Mann Schmalzl folgte im Jahr 2016 der Grüne Wolfgang Reimer, der wiederum Ende 2021 in den Ruhestand ging – und die Dreckbrühe floss weiterhin auf die Äcker, die deutschlandweit zu den besten Böden überhaupt gehören.

Zwischenzeitlich war allerdings hinter den Kulissen geplant und verhandelt worden. Es wird wohl Reimers Nachfolgerin Susanne Bay (Grüne) sein, die als Behördenleiterin das Bauwerk im Frühjahr offiziell seiner Bestimmung übergeben geben kann.

Bund zahlt 1,1 Millionen Euro

Das Regierungspräsidium (RP) agiert in diesem Fall im Auftrag des Bundes. Der Bund, für die Autobahn verantwortlich, bezahlt laut der Stadt den 1,1 Millionen Euro teuren Bau. Dennoch hat die Stadt Ditzingen hatte bei den Planungen auf ihrer Gemarkung ein Wort mitzureden. Zuletzt hatte sich der Gemeinderat im Jahr 2015 ausführlich mit dem Thema befasst. Die sahen einen zwei Kilometer langen Sammelkanal vor, der in ein kombiniertes Regenrückhalte- und Klärbecken mündet.

Die Stadt hatte sich mit ihrer Forderung beim Bund durchsetzen können, einen über das gesetzliche Mindestmaß hinaus gehenden Hochwasserschutz zu realisieren. Demnach wird das Regenüberlaufbecken mehr Wasser aufnehmen können, als bei einem Unwetter niederprasselt, das statistisch nur alle zehn Jahre vorkommt. Der Gemeinderat hatte damit an seinem Grundsatz festhalten können, der seit dem Hochwasser 2010 auch bei neu ausgewiesenen Baugebieten gilt: Der Schutz ist höher, als gesetzlich erforderlich.

Grundstücksbesitzer wollen nicht verkaufen

Die Pläne waren vorbereitet – doch dann stockten die Verhandlungen zum Erwerb fehlender Flächen. Zwei Grundstückseigentümer wollten nicht verkaufen, laut dem RP sei es um 2900 Quadratmeter gegangen. Die Verhandlungen scheiterten, es folgte ein Enteignungsverfahren. Wie die Stadt jetzt mitteilt, sei das Enteignungsverfahren abgeschlossen und die Bauarbeiten ausgeschrieben.

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Geplant sind ein Erdbecken, das als Regenrückhaltebecken dient, und eine Betonkonstruktion als Regenklärbecken. Während der Bauzeit rechnet die Stadt mit Baustellenverkehr entlang des Lachengrabens sowie in der Kernstadt selbst. Die Stadt hatte deshalb nach eigenen Angaben eine Abfahrt nach Osten in Richtung „Grüner Heiner“ vorgeschlagen. Die Autobahn Gesellschaft habe den Plan aber verworfen, so die Stadt. Begründet wurde dies mit den unbefestigten Wegen und der ablehnenden Haltung der Landeshauptstadt Stuttgart – eine Realisierung sei dann in diesem Jahr nicht mehr möglich gewesen.

Regelwerk: Keine Anmerkung zur Autobahn

Die ganze Diskussion war entstanden, weil die Abwasserverordnung keine Aussagen zum Wasser auf und an viel befahrenen Autobahnen macht. Der Bund hat darin detailliert ausgeführt, welchen Anforderungen das Abwasser genügen muss, um es in andere Gewässer einleiten zu dürfen. Eine Anmerkung zum Abwasser einer viel befahrenen Autobahn war im Jahr 2008 in dieser Verordnung nicht enthalten – auf welche die Ditzinger hätten verweisen und zur Umsetzung hätten drängen können.

Eine Enteignung ist das letzte Mittel

Die Vorgabe
 Die Abwasserverordnung des Bundes umfasst 115 Seiten. In diesem Papier hat der Bund detailliert ausgeführt, welchen Anforderungen das Abwasser genügen muss, um es in andere Gewässer einleiten zu dürfen. So gibt es etwa Vorgaben für die milchverarbeitende Produktion. Als die Ditzinger begannen, auf eine Entwässerung der Autobahn zu drängen, war über das Abwasser einer Autobahn in dieser Verordnung nichts enthalten.

Das Vorgehen
 Bei einigen öffentlichen Aufgaben, wie etwa Straßenbau, Hochwasserschutz und auch der Energieversorgung, werden private Flächen benötigt. Nicht immer sind die jeweiligen Eigentümer dazu bereit, diese zur Verfügung zu stellen. Unabhängig von der jeweiligen rechtlichen Grundlage darf eine Enteignung nur erfolgen, wenn sie zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist und eine angemessene Entschädigung geleistet wird. Enteignungsbehörde ist das Regierungspräsidium. Deren Entscheidung kann gerichtlich überprüft werden.